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Joint Future Work und Fehlermöglichkeiten in der Digitalisierung: Teil 5: BREXIT hilft uns im demographischen Wandel

Joint Future Work[1] und Fehlermöglichkeiten in der Digitalisierung: Teil 5: BREXIT hilft uns im demographischen Wandel

Kaum dass der erste Schock über den BREXIT überwunden wurde kommen schon die ersten Geister auf die Idee darin einen Gewinn für uns zu sehen. Einen Gewinn den demographischen Wandel abfedern zu helfen, wenn viele Briten nun hier die Doppelte Staatsbürgerschaft beantragen und hier arbeiten wollen. Düsseldorf war sogar so freundlich bei Vodafone anzufragen, ob man nicht den Firmensitz verlegen wolle…

Das sind zum Teil die gleichen Geister, die in der Masseneinwanderung eine Flutwelle von hochqualifizierten Fachkräften sahen, die sofort und ohne Integrationskosten hier die Digitalisierung hätten fördern können sollen. Alleine diese grammatikalische Verballhornung der deutschen Sprache zeigt schon deutlichst auf, was aus dieser Vision wurde. Bestenfalls etwas für den Psychiater…[2]

Das was die Briten außer Landes treibt ist letztlich der gleiche Gedanke, den zig- tausende Deutsche pro Jahr auswandern lässt. Mit exakt denselben Hintergründen. [3] Es ist somit also gar kein Zugewinn, wenn wir hier ein paar tausend Fachkräfte pro Jahr aus UK dazubekommen, sondern nur ein Tropfen auf den heißen Stein dessen, was wir durch die Unfähigkeit unserer Regierung pro Jahr stillschweigend, öffentlich und medial ignoriert und daher nicht wahrnehmbar ZUSÄTZLICH an Fachkräften verlieren, die uns im demographischen Wandel wie auch der Digitalisierung fehlen werden.

Und der demographische Wandel ist kein deutsches Alleinstellungsmerkmal. Es ist ein europäisches Problem; nur dass es in Deutschland durch die Kriegsverluste von fast 8 Millionen Menschen und dem Schub an Neugeborenen in den 60er hier zu einer massiven temporalen Schieflage kommt, die in einem Bevölkerungsverlust von fast 15 Millionen Menschen im Jahre 2050 münden wird. [4] [5]

Doch auf diesen Zeithorizont hin werden alle europäischen Staaten Bevölkerungsverluste zu verzeichnen haben, und anders als unsere Regierung wird man sich um diese Menschen bemühen sie zu halten. Aktiv. Ergo wird diese nun herbeigeredete Welle neuer Fachkräfte bestenfalls kurzfristig die Zahlen beschönigen helfen, bis nationale Gegenmaßnahmen greifen und/oder sich der BREXIT anders gestaltet als von diesen Menschen befürchtet.

Momentan haben viele Menschen in der Finanzbranche Angst, dass der BREXIT sich auf den Finanzplatz London, der in Konkurrenz zu Frankfurt stand negativ auswirken könnte. Dass sich das Britische Pfund in freien Fall befindet schürt diese Ängste zusätzlich. Auch die Separatistischen Bestrebungen in Nordirland und vor allem Schottland (hier Ölindustrie!) lassen die Gelassenheit schwinden. Nicht nur an den Börsen…

Hier wird deutlich, dass die EU eben mehr war, als von vielen Politikern gedacht. Es ist kein Karrieresprungbrett für national gescheiterte Politiker (Jo Leinen, Cohn-Bandit & Co) sondern ein Ideal von Millionen Menschen gewesen, die in der Einheit einen Garanten für Frieden, Wohlstand und Freiheit sahen. Eben gerade nach den zwei verheerenden Weltkriegen mit fast 60 Millionen Toten nur in Europa!

Der dem BREXIT folgende Wunsch vieler Briten nach Europa ist also nur ein Symptom auf eine unsichere wirtschaftliche Lage. Daher auch der Wunsch nach einer doppelten Staatsbürgerschaft. Sie wollen UK nicht wirklich für immer verlassen. Sie wollen Briten bleiben und wohl dann auch gern zurückkehren, wenn UK sich dann doch wieder der EU annähern sollte.

Dass sich also in den letzten Tagen bis zu 200 Menschen in deutschen Wirtschaftsmetropolen gemeldet haben und sich nach den Bedingungen von doppelten Staatsbürgerschaften erkundigt haben ist wohl als einmaliger Hub zu sehen, nicht als Trend, der ähnlich der durchs Mittelmeer flüchtenden Menschen sich täglich wiederholt. Wenn das einer so sieht, dann hat er exakt die Vision, die nicht Kreativität ausdrückt sondern eher medizinisch behandelt gehört.

Natürlich wird es in den nächsten Jahren zu bevölkerungstechnischen Verschiebungen in der EU kommen. Der BREXIT, Griechenland und die schwierige Situation in Portugal und Spanien haben es bewiesen und aufgezeigt. Menschen gehen dahin, wo Arbeit und damit auch soziale Sicherheit ist. Wie diese Sicherheit hier in Deutschland nach dem als gescheitert anzusehendem „merkelschen Willkommens-Projekt“ aussehen wird, bleibt abzuwarten. Die innere Sicherheit und der soziale Frieden hat jedenfalls Schaden genommen. [6]
Dazu bedarf es nur eines Blickes auf die AfD-Entwicklung und der Reaktion der Nachbarländer darauf; mitunter auch ein wahlrelevantes Kriterium für den BREXIT gewesen und ein Argument für die ausstehenden Wahlen und Abstimmungen in Österreich (Bundespräsident) und Ungarn (Flüchtlingsfrage) im Oktober.

Wer also den BREXIT als Chance sieht hat die daraus resultierenden Risiken für die europäische Gemeinschaft und die darauf basierenden Grundbefindlichkeiten eines Teils der Menschen nicht verstanden. Auch nicht die der anderen Hälfte, die die Lösung in der nationalen Restauration und im Loslassen der europäischen Unionsidee sehen. Gerade diese Hälfte wird ein zusätzliches Element der Unsicherheit für Wirtschaft und Märkte mit sich bringen, die migrationspolitisch nicht einzupreisen sind und auch hier nochmals Auswandererströme produzieren könn(t)en.

In Deutschland müssen wir durch den kurzfristigen baldigen Wegfall der geburten-starken Jahrgänge im demographischen Wandel massivst darauf achten, dass diese Menschen es schaffen die Digitalisierung so voranzubringen, dass sie den drohenden Produktivitätsverlust volkswirtschaftlich wie auch unternehmensspezifisch aufzufangen vermag. [7]

Die Lösung bis dahin in Migrantenbewegungen aus aller Welt zu sehen ist nicht nur utopisch, sondern krankhaft weltfremd weil an den offensichtlichen Tatsachen vorbeisehend. Das, was wir uns hier ins Land geholt haben ist nicht die Lösung, sondern ein weiterer Kostenfaktor in einem System, das eigentlich pleite ist und sich auf zunehmende Risiken einzustellen hat, die es nicht wahrhaben will. 77,5 Milliarden wären gut im Ausbau des digitalen Breitbandnetzes, der Infrastrukturhilfe von Randlagen und Verkehrsprojekten[8] , der Unterstützung für Weiter- und Umschulung älterer Mitarbeiter und der Förderung des sozialen Wohnungsbaus[9] gewesen. Alles Handlungsfelder deren Finanzierbarkeit im Angesicht des Schuldenberges angeblich nie gegeben waren.Die politische Einvernehmlichkeit der beschlossenen 77,5 Milliarden bis 2020 machen aber jeden Bürger nachdenklich. Gerade dann, wenn er daran denkt, wie man ihm, dem man zumutet bis 67 oder 70 Jahren zu arbeiten, eben weil die Sozialsysteme zu kollabieren drohen, während erste „Experten“ nun schon lauter werdend zur Finanzierung der Migranten fordern noch länger zu arbeiten.

Auch diese Diskussion wird nicht an denen vorbeigehen, die sich nun leichtfertig und sich dieser Debatte unbewusst hier anstellen, um hier arbeiten und leben zu wollen.

FAZIT – Der BREXIT hilft uns nicht unseren demographischen Wandel abzufedern.

Alles, was da aus UK zu uns kommt sind in aller Regel auch kognitive Berufe, von denen allein in Deutschland im Laufe der Digitalisierung vermutlich 5-7 Millionen sukzessive wegfallen könnten…werden.

Der BREXIT ist sogar als Indikator zu sehen, dass eine verfehlte Europapolitik, selbstherrliche Einzelentscheidungen und daraus resultierender zunehmender Nationalismus weitere tiefe Einschnitte im europäischen Haus – und damit weitere tiefgreifende Veränderungen – wahrscheinlich(er) werden lassen.

Der demographische Faktor und damit der daraus resultierende Wandel ist kein deutsches Einzelschicksal sondern berührt alle europäischen Staaten und ihre Sozialsysteme. Ergo ist hier ein wie auch immer gearteter Verteilungskampf von Fachkräften in einer immer weiter diversifizierten Wissenswelt absehbar. Selbst China holt sich von hier benötigte Fachkräfte en bloc, wie BMW erst kürzlich schmerzhaft erfahren musste, als vier Spitzenkräfte für ihr E-Car-Projekt durch Teamhunting[10] gen Osten zogen.

Das allein zeigt auf, dass der „War for Talents“ sich eben nicht auf Europa beschränkt und damit indirekt unsere Bevölkerungspolitik auch von China und anderen „Bedarfsträgern“ zunehmend beeinflusst werden wird.

Somit zeigt der BREXIT, dass auf der Zeitachse parallel neben demographischen Wandel und Digitalisierung, nun auch die Folgen der unreglementierten Zuwanderung, der daraus erwachsenden sozialen Unsicherheit und den kollabierenden Sozialsystemen nun noch die Gefahr der wegbrechenden Grundlage einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf Unionsbasis hinzukommt. Wer dazu Zahlen braucht: die Bewertung des Marktes ist momentan am Börsenindex abzulesen!

Die Bedeutung für die Euro-Währung an sich und mögliche Folgen an sich, lassen wir dabei einmal besser Außen vor. Das wird die nächste Baustelle werden, sobald ein Euro-Land geht. Und wie da die Befindlichkeiten wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich liegen haben wir bei Griechenland schon ansatzweise erleben dürfen…

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Quellenverzeichnis:

[1] Vgl.: Future Business Consulting: Definition Joint Future Work (2014);
[2] Vgl.: Sascha Rauschenberger: E-Paper: Joint Future Work und Fehlermöglichkeiten in der Digitalisierung
Teil 2: Migranten und Qualifikation
bei: Conplore Magazine (2016);
[3] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Demographischer Wandel und Auswanderer – das Versagen des “National” Employer Branding und seine Folgen, bei: Conplore Magazine (2015);
[4] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Demografischer Wandel und Future Work: Eine gesellschaftliche Herausforderung für den Arbeitsmarkt der Zukunft, bei: Conplore Magazine (2014);
[5] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Joint Future Work – Ein Tsunami verändert die Arbeitswelt der Zukunft, bei: Conplore Magazine (2015);
[6] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Joint Future Work und Fehlermöglichkeiten in der Digitalisierung – Teil 3: Die Kosten der Sicherheit, Conplore Magazine (2016);
[7] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Joint Future Work – Ein strategisches Gesamtkonzept für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im demographischen Wandel (2015);
[8] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Future Work und Mobilität im demografischen Wandel: Mögliche Standortnachteile für die Wirtschaft, bei: Conplore Magazine (2015);
[9] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Joint Future Work und steigende Personalkosten durch Wohnungsmangel, bei: Conplore Magazine (2016);
[10] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Future Workforce Attack: Teamhunting, active Sourcing passiver Talente und andere Recruitingstrategien als Risikofaktor für das HRM (2014)

Tipp der Redaktion:
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