A n z e i g e n

Future Recruiting: Die Dimensionen des “War for Talents” in der Arbeitswelt der Zukunft

Auf Märkten, wo Ressourcen knapper werden und die Nachfrage steigt, werden eben diese Ressourcen zunehmend teurer. Ganz automatisch. Doch, anders als bei materiellen Ressourcen, handelt es sich hier um Menschen, die um ihre steigende Bedeutung wissen? Die ihren Wert zunehmend begreifen und auch selbst “vermarkten”? Also zusätzlich für “Einkäufer”, die Recruiter, ein paar Variablen hinzufügen? – Dann wird es spannend… Denn Kandidatenmärkte werden in dieser Situation wie Produktmärkte gehandhabt. Unternehmen müssen ihr Arbeitsplatzangebot wie Produktangebote vermarkten; Recruiter werden zu Vertrieblern. „War for Talents“ ist dabei ein oft belächelter Begriff, der plötzlich vom bloßen Schlagwort zur Realität wird. Was nun?

 

Kandidatenfreundlichkeit an erster, zweiter und dritter Stelle


Und wie immer, wenn der Markt den Konkurrenzdruck erhöht, passiert sofort etwas: Egal was bis dahin war, es muss besser werden. Nicht für die Unternehmen – aber für die Kandidaten. Er ist der neue Kunde, der umschmeichelt werden will. Der “kaufen” soll. Der das Angebot der Recruiter annimmt. Dazu stellen Arbeitgeber hinreichende und transparente, umfassende und gut strukturierte Informationen zur Verfügung. Dass diese eben nicht mehr bloße Auflistungen von Wünschen und Anforderungen des Unternehmens sein können, versteht sich von selbst. Es geht vornehmlich um Werbung; und da gilt die Devise: “Das Auge isst hier mit!” Hier ist die erste – und dann auch für viele Unternehmen die letzte Chance, sich dem Interessenten vorzustellen.

Warum nur Interessent?
Wer ein Produkt im Supermarkt in der Hand hält – ist das schon ein Stammkäufer? Wer einen Hotelprospekt anschaut, schon ein Stammgast? Ein Interessent zeichnet sich nur durch ein einziges zweidimensionales Merkmal aus:

Er sucht
a) eine neue Herausforderung / ist offen für Neues und ist
b) auf das Unternehmen aufmerksam geworden.

Interessenten sind (noch) keine Bewerber oder Kandidaten. Interessenten sind erst Bewerber, wenn sie in erwiderten Kontakt zum Unternehmen getreten sind und zu Kandidaten, wenn der persönliche Kontakt erfolgte, der Bewerber passt UND dieser noch Interesse hat. – Ein Trippelbauer, der erst einmal vom Eis muss!

Geboten ist also ein schneller, persönlicher und individualisierter Erstkontakt. Die bisher gezeigte Tendenz, dass man erst mal ein paar Tage vergehen lässt, bevor man sich beim Bewerber oder auch nur Interessenten meldet, und dann auch noch mit einer automatisierten, unpersönlichen Mail, sind vorbei. Vielleicht noch mit der netten Aufforderung, seine CV in eine Schablone einzugeben, damit das alles vergleichbarer wird. Oder dem Hinweis, dass sonst die Bewerbung nicht bearbeitet wird… Kundenfreundlichkeit sieht anders aus, oder? – Haben wir doch (hoffentlich schon) im Marketing gelernt…

Doch das ist die passive Variante. Die Methode, wo man bequem in der Ecke sitzt und auf Interessenten wartet. Wie ein Angler. Aber ein Angler, der keinen Hunger hat. Denn das Unternehmen braucht neue oder weitere Mitarbeiter, um wachsen oder einfach nur weiterbestehen zu können. Es braucht Spezialisten, Manager und selbst einfach Hilfskräfte. Regelmäßig. Denn das ist ein dynamischer Prozess, der nie endet. Das Unternehmen hat also ständig Hunger… Wie alle anderen auch. Und das ist das Problem. Es herrscht Konkurrenz auf dem Futtermarkt. Andere haben auch Hunger!

Daher gestaltet sich die aktive Variante hierbei komplizierter und wird zur einzig gängigen Methode. Um im Bild zu bleiben: Das professionelle, prozessgestylte und kreative Fischen. Hier sucht man die Schwärme und fängt sie. Mit Technik, Gespür und Know-how. Mitunter in völlig neuen Fanggründen und Tiefen. Nicht mit bloßer Geduld an der Rute und nettem Köder. So wird der Eimer nie schneller voll, als er über den Verbrauch wieder leer wird. Dazu kommt: Der Eimer sollte bewacht werden. Denn andere spezialisieren sich auf das Klauen schon gefangener Fische…

Wie geht das nun?

Das Managen von Second Best-Kandidaten oder Alumni wird erfolgskritisch für Unternehmen, weil aufgrund der Marktgeschwindigkeit abgelehnte Bewerber und ehemalige Mitarbeiter die Kandidaten von morgen sein können. Und diese sollten dann das Unternehmen, oder deren Verhalten ihnen gegenüber in guter Erinnerung haben. Letzteres ist wichtig, da sie auch in der Zwischenzeit über das Unternehmen reden. Auch hier sagt uns das Marketing, dass ein unzufriedener Kunde ZEHN (10!) andere mitnimmt! Ein nicht stimmiger Recruitingprozess aus Bewerbersicht kann hier zu weiteren Schäden führen, die im Nachhinein nur sehr schwer, sehr langfristig und sehr kostenintensiv verändert werden können.

Im Recruiting muss sich ein völlig neues Rollenverständnis etablieren. Idealerweise entstammen die Recruiter künftig der Zielgruppe und agieren als Key Account Manager zu den gesuchten Talenten. Und wer als Key-Account-Manager tätig ist, braucht Vertriebs-Know-how, Verkäufertalent und auch ein geschultes Verkäuferverhalten.

Doch was verkauft er da?

Etwas ganz Entscheidendes und für das eigene Auftreten absolut Wichtiges: Das Wissen, dass das, was er da verkauft, auch im Unternehmen gelebt wird, durch den Interessenten, Bewerber, Kandidaten erlebbar ist, spürbar einen Unterschied macht – von Anfang an – und eine eigenständige, individuelle und einzigartige Unternehmenskultur hervorgebracht hat [1]. Dass die nach außen präsentierte Corporate Identity (CI) dem auch nach innen entspricht. Ein Umstand, der bisher oft nur auf dem Papier steht. Wenn überhaupt…

Die bisher rein auf den Vertrieb ausgerichteten CI-Konzepte müssen nun auch nach innen wirklich greifen. Eine nur symbolisch gelebte aber ganzheitlich nach außen anders kommunizierte Unternehmenskultur wird schnell zum Showstopper. Das spricht sich herum, vergrault neue Mitarbeiter womöglich in der Probezeit schon und schafft nicht das, was zukünftig ganz entscheidend sein wird, um für all das auch die Kosten wieder hereinzuholen: Eine langfristige Mitarbeiterbindung [2]! Wer hier meint, mit faulen Äpfeln handeln zu können, macht es seiner Konkurrenz lediglich einfacher, Talente zu finden. Es ist ein Verdrängungsmarkt, der der normalen Marktevolution unterliegt. Der Schwache stirbt aus… Der Neandertaler lässt grüßen!

Der Grundgedanke muss verändert werden

Viele Beratungen und Ideen setzen konservativ nun da an, wo man seit jeher glaubt(e) dann alles besser machen zu können. In der Technik… Das IT-technische Verknüpfen von Inhalten, Methoden und Zielgruppen soll nun den Erfolg generieren. Hier ein Beispiel, was im Netz zu finden ist, wenn man an zukünftige Recruiting-Systeme denkt:

Die neuen Wünsche an das Recruiting-System
“Auf der Ebene von Technik und Systemen müssen diese Recruiter einfach in Online-Business Netzwerken suchen können und benötigen (u.a.) Talent Relationship Tools, die in ihren Funktionalitäten Lösungen aus dem Customer Relationship Management ähneln. Es gilt, Kandidaten im Netz – und auch mobil – aktiv abzuholen: Zur Grundausstattung zeitgemäßer E-Recruiting-Systeme gehören deshalb Funktionen zur Suchmaschinenoptimierung, Chat-Funktionalitäten und mobile Verfügbarkeit. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die hohen gültigen Datenschutzanforderungen zu berücksichtigen.”

Es ist das technische Umfeld, das optimiert werden muss, sobald klar ist, WIE sich das strategische HR inhaltlich, organisatorisch und prozessual aufstellt, um den Bedürfnissen des Future Workforce Planning gerecht werden zu können. Aber eben erst dann! Hier den alten (und immer wieder gern gemachten) Fehler zu wiederholen, erst ein (technisches) System zu implementieren und dann zu hoffen, dass man die eigene Organisation und deren Prozesse da reinquetschen kann, ist hier doppelt fatal. Einerseits unterstützt dieser Gedanke nicht die Menschen, die das Recruiting umsetzen müssen und – und das ist noch schlimmer – es erreicht nicht die spezifischen Zielgruppen.

Dieses System allein für sich schränkt den ein, der kreativ auf andere zugehen soll. Sie menschlich überzeugen soll. Und die Interessierten sehen das alles mit Augen, die wir nur bedingt blenden können. Eine hohe mobile Verfügbarkeit und Chatfunktionalität für den Recruiter ist nett, macht – solange er auch sofort antwortet – Eindruck, andererseits steigt aber wieder eine Erwartungshaltung gegenüber dem Unternehmen, das da chattet. Vielleicht auch nach 20.00 Uhr noch chattet. Schön, dass es das tut, aber andererseits stellt sich die Frage: “Wie lange arbeiten die denn??” – Das könnte mit der Ansicht des Interessenten zu Freizeit & Beruf kollidieren. Und ja, das ist dann normal. Da der Mitarbeiter sich für ein Unternehmen entscheiden wird, nicht umgekehrt, und daher am längeren Hebel sitzt.

Das www schafft umfassende Informationsmöglichkeiten. Nicht nur für Recruiter, sondern auch für die Interessenten, Bewerber, Kandidaten und auch (!) Mitarbeiter. Und die stimmen allesamt mit den Füßen ab. Und das teilweise aus Bauchgefühlen heraus. Exakt den Gefühlen, die das Marketing zu beeinflussen gelernt hat. Mit denen es spielt. Für die es Methoden, Mechanismen und Herangehensweisen optimiert hat. Und exakt hier gilt es für das HR etwas zu lernen! – Die Marktanalyse! Und diese fängt nicht da an, was man denn wo (oder von wem) haben möchte, sondern am eigenen Standort. An dem Ort, wo das das Unternehmen physikalisch steht!

In Zeiten, wo die Gehälter und den Nebenleistungen eben nicht mehr der alleinige Maßstab und Entscheidungskriterium sein werden, sondern andere Kriterien mitentscheidend sind (z.B.: Freizeitgestaltung, Familienfreundlichkeit für jüngere Interessenten aber auch altersgerechte Städte, Nahverkehrsanbindung, öffentliche Versorgung, Gesundheitseinrichtungen), ist diese Analyse mitunter nur in Zusammenarbeit mit Kommune und Kammern möglich. Zu wissen, wo und wie man im Vergleich zu anderen Personalbedarfsträgern steht, schafft erst den Argumentationsvorteil, der für die Zielgruppe relevant sein wird und kann. Und viel wichtiger: es zeigt die standortabhängigen Schwächen, die im Recruitingprozess – trotz aller Anstrengung – und für die Mitarbeiterbindung schnell zum Showstopper werden können.

Manche Gegebenheiten lassen sich nur schwer wegdiskutieren. Und noch schwerer beseitigen. Bei Standortfragen in aller Regel nur langfristig und in Kooperation mit der Kommune / dem Kreis. Daher ist auch hier ein langer Vorlauf mit einzurechnen, wenn erfolgskritische Standortschwächen für die Mitarbeitergewinnung oder -bindung erkannt werden [3]. Für das Recruiting und die Mitarbeiterbindung kommt der Arbeits- und Lebensumwelt eine besondere Bedeutung zu. Mehr als man es heute hat. Der Spagat, hinsichtlich Erwartungen zwischen den jüngeren und den älteren Mitarbeitern, wird auch in den nächsten zehn Jahren weitere Konfliktpotentiale mit sich bringen. Und der Standort, als Lebensumgebung und Wirkungszentrum außerhalb der Arbeit, wird diesen unterschiedlichen Erwartungen gerecht werden müssen. Als Kompromisslösung zwischen sozialen und wirtschaftlichen Interessen sowie den Erfordernissen von jungen Familien und der älteren Generation. Etwas, was vielerorts nicht mehr öffentlich zu finanzieren ist / sein wird. Gerade für KMUs (hier besonders in Randlagen) kommt hier ein nicht zu unterschätzendes Moment zu [4].

 

Folgerungen für das zukünftige Recruiting


Die bedarfsgerechte Zielgruppensegmentierung

Hier ist es entscheidend, nicht den Personalmarkt als solchen insgesamt anzusprechen und zu bearbeiten, sondern rollenspezifisch, aufgaben-, anforderungsgerecht und mitarbeitertypenbezogen zu identifizieren und zu definieren (“Kundenanalyse”). Letzteres ist besonders wichtig. Sonst verpuffen später die eingesetzten Mittel. Die Kandidaten müssen auf der Ebene der Ansprache und der Kommunikation sowie der Prozesse sinnvoll segmentiert werden. Arbeitgeber werden künftig keine Top-Talente gewinnen können, wenn sie ihre Recruiting-Aktivitäten nach Zielgruppen nicht weiter (zu) differenzieren (verstehen). Und das ist mitunter schwerer als es sich anhört. Nicht umsonst drehen sich im Marketing allein hierum ganze Berufszweige.

Segmentierung und Differenzierung in den Prozessen

Standardprozesse müssen einfach und schnell(er) werden. Dabei dürfen sie nach außen nicht automatisiert oder unpersönlich wirken. In dem Maße, wie sich einzelne Personal-Segmente auf den Talentmärkten verknappen, rückt die Effektivität des Prozesses in den Vordergrund. Prozesse für kritische Zielgruppen (die hart umkämpften Markt- und Engpassressourcen) müssen Arbeitgeber hingegen künftig individueller und systemunabhängiger gestalten. Und das kann mitunter sehr ineffizient sein und stellt einen Paradigmenwechsel dar. Personalakquise braucht also zukünftig eine “Anschubfinanzierung” und dauernde “Werbung”, um effektiv zu bleiben. Sie ist nicht mehr einfach abgreifbar oder frei verfügbar. Und wenn es jetzt schon schwierig ist, ist das gar nichts im Vergleich zu dem, was in zehn Jahren normal sein wird.

Die individuellen Aufwände in den Personalabteilungen steigen kontinuierlich weiter an. Das “Händische” wird wieder stark in den Vordergrund treten und die in den letzten Jahren stark automatisierten HR-Prozesse werden – zumindest nach außen hin – stark an Bedeutung verlieren. Anders ist eine durch mögliche Interessenten gefühlte Wertschätzung kaum zu vermitteln. Und genau diese individuell gefühlte Wertschätzung als Fachkraft, als Interessent und als Mensch ist – neben dem kommunizierten Bild oder Image des Unternehmens – erfolgskritisch. Dazu reichen traditionelle Recruitingverfahren nicht mehr aus – eine Kombination aus Active Sourcing, langfristigem Talent Relationship Management und zielgruppenspezifischem Employer Branding wird nötig, wird als Mix nicht nur zum Standard gehören, sondern zur Grundlage der Gesamtstrategie werden müssen.

Die Recruiting-Organisation muss sich an den verschiedenen Zielgruppen orientieren, nicht an ihrer gegebenen internen Struktur! Diese ist für Interessenten nicht nur völlig uninteressant, sondern kann von Anfang an zu Befremdlichkeiten führen. Was interessiert den Käufer eines Produktes der Vertriebsprozess, der nötig ist, damit ihn das Produkt erreicht? Er will das Produkt. Und das muss gut sein. Welche Probleme der Hersteller oder Anbieter stemmen muss, dass er das kundenfreundlich, serviceorientiert und SOFORT bekommt, interessiert ihn noch nicht mal eine einzige Sekunde. Er will ein gutes Gefühl dabei haben, sobald er sich mit dem Produkt beschäftigt. Sich als Kunde und seine Wünsche verstanden wissen. Als Interessent von Anfang an für “wertvoll” gehalten zu werden.

Das Recruiting spezifischer, knapper Zielgruppen ist in der Regel heute schon ein Recruiting von fachlich klar ausgerichteten Spezialisten (Onkologen, Ingenieure, After Sales Spezialisten) und Führungskräften. Besonders wichtig ist daher die sehr enge Verzahnung der Recruiting-Organisation mit den Fachbereichen. Letztere müssen sich darüber klar sein, dass es nicht mehr reicht, ihre Rollenbeschreibungen aktuell zu haben (das mag schon allein für die ein oder andere Unternehmung als Herausforderung erscheinen…), sondern sie müssen auch “Elemente ihrer spezifischen Einzigartigkeit” wissen und mitteilen können. Das HRM muss wissen, was diese Bereiche neben der Fachlichkeit auch im Hinblick auf die Unternehmenskultur auszeichnet, ihren Beitrag zum Image des Unternehmens und ihre individuellen, gelebten menschlichen Faktoren, die die Arbeitsatmosphäre nachhaltig definieren und bereichern. Sie müssen dem Recruiter Argumente liefern, die sie in der Zielgruppenansprache benötigen. Als Argument, als Bild und auch als “Waffe gegen Mitbewerber”. Nur muss es passen und nicht nur auf dem Papier stehen.

Letzteres ist entscheidend: Denn in enger werdenden Märkten wird auch der Wettbewerb härter werden. Und Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern schafft eine kreative Dynamik, die wenig und flexibel die Lücken sucht, die man anderen lässt. Mitunter schon als Argument gegen das eigene Unternehmen. Und daher ist die nach innen gelebte Corporate Identity auch so wichtig. Bereiche und Mitarbeiter, die sich als Teilnehmer der allumfassenden Tretmühle ansehen, werden hier nicht inhaltlich zum Recruitingerfolg beitragen können. Und dann wird es schwierig. Nicht nur im Recruitingprozess an sich, sondern auch später, wenn aus dem Kandidaten ein Mitarbeiter wurde. Der wird dann nicht lange bleiben wollen [5]

Wenn das klar definiert und vakanzgerecht herausgearbeitet wurde, erst dann kommen technische Lösungen und Unterstützungssysteme ins Spiel. Das bedeutet, dass Recruiting-Organisationen künftig individualisierbare Tools benötigen, die eine große Bandbreite an Prozessvarianten ebenso professionell unterstützen wie sie innovative zielgruppenspezifische Feedbackschleifen und Auswertungsmöglichkeiten bieten.

Onboarding: Nach dem Recruiting ist vor dem Recruiting

Das Onboarding beginnt organisatorisch-prozessual eigentlich mit dem ersten Interview, auch wenn das komisch erscheinen mag. Eine strukturierte Prozessorganisation neigt dazu, aus psychologischer Sicht heraus Organisationsblöcke als Steps zu setzen und dann auch so zu behandeln. So wäre ein Kandidat, der unterschrieben hat und nun Mitarbeiter ist, einfach nur ein neuer Mitarbeiter, der an Bord kommt.

Richtiger wäre es, den Prozess vom ersten persönlichen Kennenlernen bis hin zur zweiten Woche im Unternehmen als einen insgesamt zu gestaltenden Prozess anzusehen. Als EINEN ganzheitlichen Gesamtorganisationsabschnitt. Es darf beim Bewerber nicht das Gefühl aufkommen in einem Prozess zu stecken, der jederzeit abbrechen kann und folgerichtig auch noch von unterschiedlichen Leuten betreut wird. Mit ständigen handover-Gefühlen. Vielmehr muss das Gefühl aufkommen in einer beginnenden, wachsenden Beziehung zum Unternehmen zu sein, die sich weiterentwickelt. Bis hin zu dem Zeitpunkt, wo der Pate ihn / sie allein arbeiten lassen kann. Nach der Einarbeitung.

Sobald man das als einen Abschnitt begreift wird die Dimension im Future Recruiting umfänglich deutlich. Sie endet eben nicht mehr mit dem Vertrag. Sie endet mit dem Ende der Einarbeitung, oder: Mit dem Ende der Probezeit an sich. Erst dann kann im Erfolgsfall das Recruiting als abgeschlossen angesehen werden!

Die ersten 10 Sekunden entscheiden!

Diese Vertrieblerweisheit besteht in der Realität. Daher ist der erste persönliche Kontakt auch so wichtig. Für Bewerber wie auch für den Recruiter, denn er / sie wird als Repräsentant des Unternehmens wahrgenommen. Das Unternehmen zeigt zum ersten Mal “sein Gesicht”. Die bisher weitgehendst anonyme Phase des Recruiting geht in eine persönliche Ebene über, die neben der beidseitigen Information übereinander in einen Beziehungsaufbau übergeht. Das ist nicht neu und jedem Recruiter geläufig. Wichtig ist hier zu wissen, dass der “War for Talents” in Zukunft immer intensiver wird.

Der Recruiter muss in dem Bewusstsein handeln, dass der Bewerber schon mit vielen anderen Unternehmen geredet hat und er eben nicht mehr “noch ein paar Asse im Ärmel hat”. In aller Regel wird er froh darüber ein, wenn er zwei geeignete Leute hat finden können. Vielleicht auch nur insgesamt. Die Interviewplanung und die einzelnen Schritte im Prozess müssen also auf die Gewohnheiten und Vorlieben der Kandidaten ausgerichtet werden und im Vordergrund stehen. Das setzt mehrere Dinge voraus:

Echtes Interesse am Menschen hinter dem Fachmann

Man muss sich mit dem Interessenten, Bewerber, Kandidaten vorher wirklich beschäftigen. Die Zeiten, dass man sich da mal irgendwo pünktlich einfindet, um mal einen Kandidaten zu besichtigen oder auszuquetschen, sind vorbei. Die leider immer noch oft vorkommenden Interviewgestaltungen à la Inquisition vermitteln nicht das Gefühl der persönlichen Wertschätzung und dem individuellen Interesse an der Person und den Kenntnissen des Bewerbers bzw. Kandidaten. Auch die Bereitstellung von Kaffee und Keksen zeigt das nicht. Und das Warm-up ist ein Aufwärmen. Wie der Name sagt. Nicht der wertschätzende Anteil des Interviews an sich.

Ergo muss man sich ggf. einmal mit den Hobbies des Gegenübers vertraut gemacht haben. Googeln hilft da oft. Vielleicht sitzt einem da ein ehemaliger Olympiasieger gegenüber, ein Musiker einer bekannten Freizeitband oder jemand, der über weitere Kenntnisse verfügt, die das Unternehmen braucht und dann auch im Rahmen der Unternehmenskultur nutzen könnte. Im Vorfeld emotionale Win-Win-Situationen schaffen. “Selbst Ihr Hobby passt zu uns, was uns sehr freut!”, ist eine Aussage, die ein Interesse zeigt, das über die behandelte Stellenbesetzung hinausgeht.

Nur, damit das klappt darf es sich halt nicht auf die Lektüre der eingereichten Unterlagen, eingeholten Referenzen oder sonstigen klassischen Daten beschränken. Es gilt dahinter zu blicken, die Persönlichkeit zu erkennen und diese im Gespräch zu reflektieren. Das ist Wertschätzung. Und diese kostet Zeit. 45min-Steps für Interviews sind zwar organisatorisch nett, mitunter auch nicht anders in den Terminplan einzupflegen, aber hier kaum zielführend.

Wie machen das andere Kulturen?

Im arabischen oder asiatischen Raum redet man im ersten Gespräch gar nicht über den Grund des Zusammenseins. Der ist beiden Seiten klar. Aber man will sich kennenlernen. Also redet man stundenlang über die Familie, Erfahrungen im Leben und über das Leben an sich. Und erst später, beim vielleicht erst dritten Treffen kommt es zum Abschluss. Dann aber unter der Prämisse als Partner gesetzt zu sein. Für immer… wenn man es nicht vergeigt. Über die Feinheiten bis zum Vertragsabschluss gibt es, unter Beachtung o.g. Prämissen dann weiter kaum Änderungen zum aktuellen Vorgehen. Vielleicht ein paar Ideen:

1) Der Erstkontakt könnte mit einer Unternehmensbesichtigung anfangen, die auf einer Unternehmenspräsentation fußt. Letztere könnte als Präsentationsunterlage schon im Vorfeld versandt worden sein. Wirkungsvoller wäre aber eine Präsentation vor dem Bewerber. Es sollte aber auch daran gedacht werden, dass Präsentationen zunehmend out sind und das Gespräch im Vordergrund steht. 80% der Manager wollen heute eher den fachlichen Austausch unter Experten und keine gestylten Präsentationsfilme sehen. Das wird dann zunehmend auch auf Bewerber zutreffen, denn diese werden natürlich umschmeichelt. Und auf diese Unternehmenspräsentationen für Bewerber wird schnell jeder kommen. Und damit verpuffen sie als Einstiegselement.

2) Die Einbindung von zukünftigen Kollegen könnte ein wichtiges psychologisches Element sein, das zum Beziehungsaufbau beitragen kann. Nur müssen sich die Kollegen diesem auch bewusst sein. Ggf. müssen diese im Vorfeld eingewiesen / geschult werden. Und auch nicht jeder Kollege wäre dazu geeignet. Das abzuschätzen wird also auch ein Element sein, das der Recruiter bedenken muss, wenn er es einbinden will.

3) In Situationen, wo ein Kollege über sein soziales Netzwerk das Recruiting unterstützt hat, den Kandidaten vielleicht sogar aktiv geworben hat, sollte er einen wesentlichen Part übernehmen. Vielleicht sogar beim Erstgespräch dabei sein. Das Unternehmen nun offiziell mitvorstellen.

 

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!

Dieser bisher auf den sportlichen Spielfeldern anzutreffende Grundsatz wird auch in Unternehmen an Bedeutung gewinnen. Daher ist der geänderte Onboarding-Ansatz für das Recruiting auch sinnvoll. Er endet eben nicht mit dem ersten Arbeitstag. Das Zusammenspiel von Recruiting Management und Employer Branding Management erfährt hier eine besondere Dimension [6]. Es reicht schließlich nicht, mit großen Aufwänden externes Personal für das Unternehmen zu gewinnen, sondern es muss auch bleiben wollen . Daher kommt der Corporate Identity des Unternehmens und der gelebten Unternehmenskultur auch so eine immense Bedeutung zu. Andernfalls neigen Menschen dazu, ganz besonders wenn sie aggressiv von außen umschmeichelt werden, jeder “neuen offerierten Karotte hinterherzujagen”, denn den Himmel anderswo als noch blauer darzustellen, ist leicht [7].

Es gilt also im gleichen Maße das eigene Personal zu halten, wie neue Talente dazuzugewinnen. Nur muss sich das Bewusstsein wandeln, dass wegbrechendes Personal so einfach wiederzubesetzen ist. Schon gar kostengünstig ersetzt werden kann. In der Future Work wird das in Mitteleuropa nicht mehr einfach werden. Daher der Aufwand. Dazu müssen organisatorisch ein paar Elemente besser, anders, neu gestaltet werden, denn in Zukunft ist der IST-Personalbestand die vornehmliche Größe, mit der ein Unternehmen den Erfolg gestalten kann. Den Bedarf mit dem HRM im eigenen Bereich entwickeln und heranbilden zu können, ist ein Kosten- und damit auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Unternehmensentwicklung.

Internes Recruiting-Potenzial erschließen

Wenn das Angebot an passenden Talenten extern abnimmt, müssen Unternehmen sich alle zur Verfügung stehenden Talentreservoirs gezielt(er) erschließen. Interne Versetzungs- und Veränderungsprozesse werden vor diesem Hintergrund zu Recruiting-Prozessen, Mitarbeiter wieder zu Kandidaten, die mitunter auch um spezifische Rollen konkurrieren. Mit der 1:1-Übertragung externer Ansätze ist es logischerweise hier nicht mehr getan. Es besteht die Gefahr, dass die “unterlegenen” Kandidaten sich aus Frust umorientieren und das Unternehmen verlassen. Damit vergrößert sich der resultierende Schaden gegenüber den gedachten Gewinn um ein Mehrfaches.

Eine saubere, stimmige, tragfähige und verifizierbare Abstimmung mit Talent-Management-Instrumenten wie Nachfolgeplanung, Altersmodellen und Karrieremodellen ist nötig, ebenso das Schaffen neuer notwendiger Rollen dazu. Interne Recruiter und Talent Scouts machen Mitarbeiter als Kandidaten zugänglich. Sie identifizieren geeignete interne Kandidaten, sprechen sie an und managen den Transfer zwischen abgebender und aufnehmender Abteilung. Und, ganz wichtig, sie zeigen unterlegenen Kandidaten andere Perspektiven auf!

Warum? Weil sie mit ihrer Kandidatur für eine andere Rolle ganz deutlich gezeigt haben, dass sie sich weiterentwickeln wollen. Weiterkommen wollen. Sich verändern wollen. Und das wäre ein Ansatzpunkt sich anderswo umzusehen. Außerhalb des Unternehmens. Schon heute testen fast 30% der Mitarbeiter, meist durch Unzufriedenheit im eigenen Unternehmen(!), ihren Marktwert indem sie sich anderswo bewerben oder ihr Profil online stellen und auf Resonanz warten. Allein das zeigt den hohen Stellenwert einer gelebten und erlebbaren Unternehmenskultur zur Mitarbeiterbindung. Und diese würde hier einen proaktiven Umgang mit unterlegenen Kandidaten fordern.

Für das interne Recruiting gibt es technische Lösungen, die aber erst dann sinnvoll greifen, wenn der organisatorische Rahmen klar definiert ist. Integrierte Talent-Management-Systeme können die internen und externen “Pipelines” zusammenführen. Mitarbeiter übernehmen stärker selbst Verantwortung für die eigene Karriere, indem sie ihr Talentprofil im Intranet pflegen, sich dadurch auch mit externen Kandidaten vergleichbar machen und (!) so ihren Veränderungswunsch offen und rechtzeitig dem HR gegenüber kundtun können. Natürlich muss das auch gecoacht werden. Und es muss regelmäßig ein Feedback dazu geben, was natürlich heißt, dass das System nicht nur administriert wird, sondern auch bearbeitet. Und das nicht nur, wenn Rollenveränderungen oder -erweiterungen anstehen.

Das Mitarbeitergespräch / Zielfindungsgespräch

Formal einmal im Jahr zu machen, zum Austausch von Befindlichkeiten und zur Feststellung des Status Quo vom letzten Jahr, was für die variablen Gehaltsbestandteile interessant sein kann, und/oder zur Zielsetzung im nächsten Jahr. Nettes Protokoll angefertigt, gegengezeichnet und dann bei HR gespeichert, abgelegt und ggf. ausgewertet, was variable Gehaltsbestandteile und Weiterbildungs- / Veränderungswünsche angeht. So kennen wir das… Und das reicht so nicht mehr. Schlicht und einfach gesagt.

Das Mitarbeitergespräch ist ein Bindungselement unter Gleichen. Es ermöglicht den Austausch auf gelebter Augenhöhe. Man kennt sich. Man hat ggf. schon etwas zusammen außerbetrieblich unternommen. Gemeinsam Probleme und Herausforderungen gestemmt – oder auch nicht – und ist sich nicht mehr fremd. Natürlich müssen gewisse Formalitäten gewahrt bleiben (Feststellung Gehaltswirksamkeit variabler Teile, Ziele, …) aber in erster Linie ist es die Möglichkeit für das Unternehmen, Mitarbeiter an Bord zu halten. Letzteres ist eine wirtschaftliche Dimension in knapper werdenden Personalmärkten und schnell alternden gesellschaftlichen Umfeldern.

In zehn Jahren werden 50% der Belegschaften über 50 Jahre alt sein und bei heutiger Lesart 45 sozialversicherungspflichtig relevante Beitragsjahre zur abschlagfreien Rente haben müssen, was eine Rente mit 63 eigentlich so nicht möglich macht. Daher sind Planungen mit den Mitarbeitern, gerade den älteren Mitarbeitern, jetzt ein Gestaltungselement für die Unternehmensentwicklung. Gerade dann, wenn ausreichen neue Mitarbeiter nicht mehr gewonnen werden können.

Daher sind solche Gespräche auch ein eher zwangloses Mittel, sich verbindlich über Ziele und Wünsche explizit zu unterhalten. Den Kollegen (nicht Mitarbeiter!) wieder offiziell wertzuschätzen. Sie zu begeistern. Ihre Meinung nachzufragen. Verbesserungsvorschläge offiziell entgegenzunehmen. Kritik zu dokumentieren. Zukunftswünsche zu äußern. Auch zu persönlichen Veränderungen. Oder eben diese aufs Tablett zu bringen, wie zum Beispiel die Möglichkeit, mehr Zeit zu Hause beim Kind zu verbringen, mehr Zeit für die Pflege der Eltern zu haben oder einfach eine Lebenskrise besser meistern zu können.

“Machen wir ja alles!”
Gut. Dann macht es PERSÖNLICHER und nachhaltiger als bisher! Denn es spart Geld!

Für das interne Recruiting ist hier eine Fundgrube und für die Personalentwicklung / Unternehmensentwicklung sind diese Wünsche zunehmend von strategischer Bedeutung. Es zeigen sich Tendenzen. Und diese müssen nicht immer mit den Unternehmenszielen hinsichtlich Wachstum und Entwicklung korrespondieren, zumal das gesellschaftliche Umfeld mit den ihnen zugrunde liegenden Megatrends mitunter ganz andere Richtungen einschlagen kann [8].

Mitarbeiter werden tagtäglich für den Arbeitgeber neu gewonnen

Im HR war das lange Zeit ein fremder Gedanke. Es wurde an der Vakanz ein Haken gemacht, diese nach sechs Monaten für den Festvertrag auf Wiedervorlage gelegt und dann vergessen. Natürlich griffen die üblichen administrativen Prozesse, aber mehr auch nicht. Der Mitarbeiter war im Produktionsprozess integriert und damit in der Verantwortung anderer. Der Fachbereiche…

Dieser Denkansatz könnte teuer werden.

Alle relevanten Ansätze für ein Recruiting kosten zunehmend mehr Geld. Allein die Corporate Identity auf HR-Prozesse hin abzustimmen und auszurichten, die größeren Zeitaufwände bei der bloßen Kandidatengewinnung und die zu machenden Zugeständnisse an die geänderte Erwartungshaltung der neuen Generation sowie die Erfordernisse des demographischen Wandels kostet wesentlich mehr, als man im ersten Wurf abschätzen kann. Daher rentieren sich neue Mitarbeiter zum Teil erst wesentlich später als bisher für das Unternehmen.

Der Mitarbeiter muss also länger im Unternehmen verbleiben, da er sich sonst nicht amortisiert. Ergo ist nicht das jährliche Mitarbeitergespräch die Hürde, sondern jeder Tag der gelebten Unternehmenskultur, der Arbeitsatmosphäre und der individuellen Wahrnehmung des Mitarbeiters. Was immer da täglich passiert, wird letztlich im jährlichen Mitarbeitergespräch fundamentiert und formal abgeschlossen werden. Dann ist es aber oft schon zu spät. Emotionalität und mangelnde Kommunikation zerstören quasi über Nacht etwas, was aufzubauen wesentlich länger dauerte.

Der Mitarbeiter muss täglich das Gefühl haben, da wo er ist richtig zu sein. Seine Wünsche wahrgenommen (nicht unbedingt auch umgesetzt) zu sehen, mit dem erkennbaren Bemühen, diese zu berücksichtigen. Und er will Teil eines Ganzen sein, das er ebenso wertschätzen kann, wie er gerne von dem Ganzen wertgeschätzt werden will. Als Fachkraft, als Kollege und Mensch. Und das beginnt nicht am ersten Tag im Unternehmen, sondern ab dem Tag, wo er mit unterschriebenem Vertrag de facto (im Unterschied zur formellen klassischen de jure-Sicht zum eigentlichen Vertragsbeginn) zum Unternehmen gehört, er also in der Veränderung hin zu seinem neuen Unternehmen befindlich ist, auch wenn er noch für sein altes Unternehmen arbeiten muss, bis der Aufhebungsvertrag unter Dach und Fach ist oder er noch in einer Sperrfrist befindlich ist.

Dazu kann es technische Lösungen geben:

Es müssen künftig zum Beispiel Kollaborationsplattformen in die Recruiting-Systeme integriert werden, damit die neuen Mitarbeiter mit unterschriebenem Vertrag schon weit vor dem ersten Arbeitstag mit ihren künftigen Kollegen kommunizieren können. Hier bestehen aber auch Gefahren. Denkbar wäre alternativ auch die Aufnahme der neuen Mitarbeiter auf interne E-Mail-Verteiler oder ein besonderer Zugang zu bestimmten Funktionen oder auch Zugang zu bestimmten Funktionen des unternehmenseigenen Intranets.

Dieser Aspekt ist für das Recruiting wichtig. Ist aber auch integraler Bestandteil des Employer Branding. Hier wäre beispielsweise der Umgang mit Mutterschaftsurlaub, Krankenhausaufenthalten und/oder anderen Abwesenheiten anzusprechen, die in Zukunft auch aus altersbedingter Verschleiß auftreten können. Wie geht das Unternehmen damit um? – Aus den Augen aus dem Sinn? Gibt es Regelungen, dass Kollegen da mal nachschauen können oder sollen? Wie ist die Einbindung in das Tagesgeschehen, wenn die Mitarbeiter und Kollegen eben nicht mehr Zugriff auf das Intranet, ihren Mailaccount und die “Pausengespräche” haben? Sie nicht mehr Teil des Unternehmens sind? Mitunter für länger? Wie werden sie weiter eingebunden und damit persönlich erlebbar wertgeschätzt? Oder einfach ausgedrückt: Wie halte ich sie über uns und uns über sie auf dem Laufenden?

Diese soziale Komponente wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen und gerade von älteren Arbeitnehmern sehr genau beobachtet werden, aber auch Bedeutung für junge Familien haben, für werdende Mütter – für das natürlich via Social Media, Web 2.0 & Co schnell kommunizierte Feedback für ein kollegiales, mitarbeiterfreundliches und bindungsfähiges Unternehmen mit gelebter Unternehmenskultur und besonderer Zusammengehörigkeit. Oder eben auch nicht…

Und da schließt sich ein Kreis, der für das Future Recruiting wesentlich ist: Die aus dem Unternehmen kommunizierte Realität eben in diesem Unternehmen. Im Gegensatz zu dem Bild, das das Unternehmen gern von sich zeichnet.

Das regionale Umfeld ist Schlüsselelement

Viele Recruitingkonzepte werden an einem Element scheitern, das sie nur sehr schwer und schon gar nicht kurzfristig verändern können. Am Standort an sich. Nicht jedes Unternehmen kann seinen Mitarbeitern ein Berliner Flair bieten. Oder die Annehmlichkeiten einer Großstadt, Alpen- oder Küstennähe. Manche Standorte haben sogar schon in öffentlichen Versorgungsbereichen wenig bis gar nichts zu bieten. Mit fallender Tendenz für noch weitere Services, wie Krankenhausnähe, Schultypen, niedergelassene Ärzte und oder auch nur Einkaufsmöglichkeiten. Von zusätzlichem Freizeitwert und ausgeprägter Lebensqualität ganz zu schweigen [9].

In Zeiten eines großen und nachhaltig verfügbaren Arbeitsmarktes mit mehr Bewerbern als Stellen, war das zum Teil von untergeordneter Bedeutung, auch wenn sich schon jetzt Tendenzen bei Fachkräften erkennen lassen, eben nicht mehr überall hingehen zu wollen. Gerade bei der Generation Y ist das sehr deutlich ausgeprägt und ist als besondere Herausforderung anzusehen. Somit muss das Recruiting auch bei der Entscheidungsfindung helfen, in wie weit sich auch in Zukunft, in Anbetracht der momentanen Work Force und ihrer erwarteten Entwicklung, das regionale Umfeld eignet, die erforderlichen Talente anwerben und/oder auch Mitarbeiter weiter halten zu können. Letzteres stillschweigend vorauszusetzten, wäre fatal, denn die Befindlichkeiten werden sich sehr schnell ändern, weil das Bewusstsein von Arbeit und Leben sich wandeln wird [10].

Netzwerkmanagement

Das wird zu einem Schlüsselelement werden. Aber nicht auf anonymisierter Basis mit der Möglichkeit, in Social Networks Gruppen beizutreten, um Stellenanzeigen zu verteilen. Das ist jetzt schon an seiner Belastungsgrenze angekommen und wird zunehmend kritisch gesehen. Vielmehr ist aktives Netzwerken gefragt. Dieses unterscheidet sich durch Pflege desselben, regelmäßigem Kontakt und gemeinsamen Aktionen. Ein aktives Netzwerk unterscheidet sich von einem passiven eben durch einen Aspekt: es lebt durch kontinuierlichen Austausch. Durch regelmäßige Wahrnehmung von Aktivitäten.

Neben Social Networks sind hier auch die Alumnis anzusprechen. Diese haben in aller Regel eigene Homepages, regelmäßige Treffen und auch einen regen Austausch von Informationen. Neben diesem aktiven und gelebten Netzwerk kommt dann automatisch ein anderer Aspekt hinzu, der sich erst durch wechselseitige Aktivität ermöglicht: die Belastbarkeit.

Netzwerke müssen belastbar sein, damit sie, für welche Ideen auch immer, nutzbar sind. Dies gilt ganz besonders für das Recruiting, da hier die Arbeit, als existenzielles Element (!), im Leben eines Menschen betroffen ist. Die Wirkungsmöglichkeiten eines Recruiters sind hier beschränkt. Durch Seriosität, Fingerspitzengefühl und Image wahrnehmbar. Und auch kommunizierbar. Und nichts wäre hier schlechter als das Image eines “Versicherungsvertreters der 90er Jahre im Strukturvertrieb”. Das kann sich kein Personaler leisten.

Diese Wahrnehmung wird letztlich auch durch ein Element geprägt, das Netzwerke, Beziehungsmanagement und altdeutsch “Vitamin B” auszeichnet: der gegenseitige Nutzen! Netzwerken ist keine Einbahnstraße, sondern einen individuelle Kooperation bei Bedarf, Gelegenheit und Gefälligkeit. Und Letzteres basiert auf einer dann daraus resultierenden Schuld, die später eingelöst sein will. Das wird gern vergessen.

Berufliche Netzwerke wie Xing oder LinkedIn bieten einmalige Zugangsmöglichkeiten zu Talenten, aber sie sind auch auf den Austausch von Informationen optimiert. Vitae werden selbst gepflegt, Veränderungen kommuniziert, Interessen und Meinungen gepostet, Geburtstage rechtzeitig angezeigt und sogar Veränderungswünsche und Gesuche aufgezeigt. Wer über Netzwerke etwas erreichen will, gerade über virtuelle Netzwerke, muss diesen also auch etwas bieten. Und das ist im Zweifelsfall nicht die eigene Leistung an sich, die man womöglich auch noch hier “vertrieblich” abrufen will. Sondern einen Zusatznutzen. Für Recruiter aus Unternehmen könnte das ein Thema sein, für das sich das Unternehmen zum Beispiel selbst engagiert und das in seiner CI verankert ist: Umweltschutz in der Arktis, Schulen in Afrika, eine exotische Sportart (z.B. Drachenbootrennen) oder einfach nur unterhaltsame Karrikaturen. Letztere haben 3-10 mal so viele Klicks wie Fachbeiträge…

Und das bedarf Zeit. Social-Media-Aktivitäten sind Vollzeitjobs. Und Recruiting wird sich auch nicht mehr auf Infotage, Jobmessen und andere bisher getätigte Events beschränken. Wer dauerhaft Netzwerke nutzen willl, muss beispielsweise Alumni-Veranstaltungen besuchen, um Kontakte durch persönliche Begegnung zu festigen, neu zu generieren oder auch nur, um mal wieder Flagge zu zeigen.

Recruiting ist spätestens im Netzwerkmanagement genauso zu sehen und genauso zu handhaben, wie ein aktiver Vertrieb. Mit exakt denselben Budgetansätzen. In enger Abstimmung mit dem Marketing können sich diese Budgets gegenseitig ergänzen. Müssen aber nicht. Es wird sich vermutlich in den meisten Fällen herauskristallisieren, dass hier unterschiedliche Events zu planen sind. Und auch das wird eine Kostenart sein, für die das HRM in Zukunft deutlich mehr Mittel bereitzustellen haben wird.

 

Fazit

Das Future Recruiting bietet viele neue Gestaltungselemente. Diese sind aber keine Kann-Größen, sondern werden zum festen Bestandteil einer neuen strategischen Ausrichtung der HR-Organisation für die Personalgewinnung der Zukunft. Sie wird von einem schnell wachsenden Verdrängungsmarkt um knappe Ressourcen bestimmt werden.

Damit wird eben diese HR-Organisation wesentlich komplexer als bisher und muss eng mit dem Marketing zusammenarbeiten. Folgerichtig werden die Personalkosten wieder steigen. Einmal über die Ressourcenknappheit am Markt und dann über die intern notwendige HR-Personalausstattung, um all die neuen Prozesse und Organisationselemente arbeits- und handlungsfähig zu machen und zu halten. Denn dieser “Trend” von knapper werdenden Personalressourcen wird zur Normalität werden. Damit wird das Recruiting zu einem Kostentreiber innerhalb des Unternehmens, der umso größer ausfallen wird, wenn es das Unternehmen nicht schafft, seine Unternehmens- und Arbeitskultur mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter in Einklang zu bringen, sie an sich zu binden und so über Neubesetzungen erneute Recruitingausgaben nötig macht.

Das sich damit das Bild des HR-Manager wandelt und er mehr Teilhabe an der Unternehmensentwicklung hat als bisher, ist folgerichtig. Er wird zum Manager von erfolgskritischen knappen Ressourcen. Es werden aber auch Grenzen deutlich. Grenzen, die sich aus den zum Teil technischen Möglichkeiten, Zutrittsbarrieren und/oder durch den sich hier schnell entwickelnden Markt aufzeigen.

Future Recruiting ist damit kein Einzelthema im Megatrend “Future Work”. Dieser Megatrend ist eigentlich so nicht mehr existent, denn er ist schon als Aufgabe anzusehen. Eine Aufgabe, deren Gestaltung jetzt anlaufen muss, da sich die Ergebnisse – aber auch Versäumnisse dieser Planungen erst mittelfristig auswirken werden. Daher ist Future Recruiting nichts, was man als Einzelthema konzipieren kann. Es ist in ein Umfeld einzubetten, das erst zusammen eine erfolgskritische Veränderungsgröße ist/wird.

Dieses Recruiting muss zusammen mit dem Employer Brandig als Einheit gesehen werden, die Ansprache und Darstellung des Unternehmens über die Corporate Identity mit Marketing abgestimmt sein, diese CI am Leben erhalten werden und gelebt werden, damit sie für die Mitarbeiterbindung nutzbar ist, und schlussendlich muss der regionale, kommunale Rahmen mit den zugehörigen Stellen abgestimmt, ausgebaut und “nutzbar” gemacht werden [11]. Allein der letzte Punkt zeigt auf, dass das dauert und bestenfalls mittelfristig zu gestalten ist.

Ein weiterer Punkt ist die mitteleuropäische Besonderheit dieser Megatrends. Sie münden alle in ein Szenario, das durch hochverschuldete Staaten geprägt ist, die von sich aus durch die reglementierten Verschuldungsgrenzen in zehn Jahren einen Grad der Handlungsunfähigkeit erreichen werden, der Hilfen aus öffentlicher Hand ausschließen wird. Im Gegenteil [12].

Auch wird das Recruiting von ausländischen Ressourcen reglementiert werden müssen, da es vornehmlich aus volkswirtschaftlicher Sicht nötig sein wird, möglichst viele ältere Arbeitnehmer sich selbst tragend in Arbeit halten zu können, um die Sozialkassen zu entlasten, zu stabilisieren oder deren Zusammenbruch zu entreißen. Daher wurde hier diesen Aspekten des Recruitings von Fachkräften im Ausland kein wesentliches Augenmerk geschenkt. Sie werden sich ab einem gewissen Punkt von selbst ausschließen. Gesellschaftlich, dann politisch und letztendlich spätestens dann auch wirtschaftlich, da mit Sicherheit ein (dann notwendiger) ordnungspolitischer Rahmen hinterlegt werden wird.

Auch sind die fehlende Mirgations- und Intergrationspolitik ein gesellschaftliches Hemmnis, das sich in Ballungsräumen schon jetzt zunehmend in Wohnungsnot äußert und Verdrängungswettbewerbe bei sozial Schwachen auslöst [13]. Dies wird bald auch schon für das Recruiting zu einer Frage werden.

Ein ganzheitlich und frühzeitig begonnenes, durchdachtes neues Recruiting wird Synergieeffekte zu anderen Unternehmensteilen und Funktionsbereichen ermöglichen. Das Image des Unternehmens, seiner Produkte und auch der Marke durch eine durchgängige, ganzheitliche und gelebte Corporate Identity stärken helfen, indem der Recruiter auch “vertrieblich” tätig wird. Als Einkäufer von Talenten einerseits, aber auch als Botschafter des Unternehmens, seiner Leistungen, Produkte und Menschen (!) nach außen.

Das schreibt und liest sich leichter als es ist. Daher ist viel zu tun. Und das rechtzeitig und langfristig angelegt. Sonst verpufft der Erfolg.

 


Quellen:
[1] Vgl.: Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Unternehmenskultur (Springer Gabler Verlag)
[2] Rauschenberger, Sascha (2014): “CI: der Schlüssel für die Mitarbeiterbindung an die Unternehmensgemeinschaft” (Conplore)
[3] Rauschenberger, Sascha (2014): “Megatrends und Future Work: Teil 3 – Herausforderungen an Kommunen, Kammern und Verbände für die Arbeitswelt der Zukunft” (Conplore)
[4] Rauschenberger, Sascha (2014): “Megatrends und Future Work: Teil 2 – Herausforderungen an die KMUs” (Conplore)
[5] Rauschenberger, Sascha (2014): “CI: der Schlüssel für die Mitarbeiterbindung an die Unternehmensgemeinschaft” (Conplore)
[6] Rauschenberger, Sascha (2014): “CI für HR: Marketing für das Recruiting” (Conplore)
[7] Rauschenberger, Sascha (2014): “Unternehmenskultur: Chance und Risiko der Corporate Culture für das HRM in der Arbeitswelt der Zukunft” (Conplore)
[8] Rauschenberger, Sascha (2014): “Megatrends und Future Work: Teil 1 – Herausforderungen an die Arbeitswelt der Zukunft” (Conplore)
[9] Rauschenberger, Sascha (2014): “Megatrends und Future Work: Teil 3 – Herausforderungen an Kommunen, Kammern und Verbände für die Arbeitswelt der Zukunft” (Conplore)
[10] Rauschenberger, Sascha (2014): “Future Work und Work Life Cycle: Der Zusammenhang von Arbeit und Altersvorsorge unter der Lupe” (Conplore)
[11] Rauschenberger, Sascha (2014): “Megatrends und Future Work: Teil 3 – Herausforderungen an Kommunen, Kammern und Verbände für die Arbeitswelt der Zukunft” (Conplore)
[12] Rauschenberger, Sascha (2014): “Future Work und Megatrends – Herausforderungen und Lösungsansätze für die Arbeitswelt der Zukunft: Ein Kompendium zum demographischen Wandel” (Windsor Verlag)
[13] Rauschenberger, Sascha (2014): “Future Work und Mobilität im demografischen Wandel: Mögliche Standortnachteile für die Wirtschaft” (Conplore)

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