CM: Bargeld ist ein beliebtes Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel im In- und Ausland.
Wie viele Euro-Banknoten befinden sich im Moment im Umlauf?
Franz Josef Benedikt:
Insgesamt sind die kumulierten Nettoemissionen seit der Euro-Einführung kontinuierlich gewachsen, sowohl im Eurosystem als auch in Deutschland. So betrug der Euro-Banknotenumlauf Ende Januar 2002 rund 220 Mrd Euro, Ende des Jahres 2004 bereits rund 500 Mrd Euro und im Dezember 2014 überstieg der Wert der emittierten Banknoten im Eurosystem die Grenze von 1 Billion Euro. Aktuell sind Euro-Banknoten im Wert von rund 1070 Mrd Euro im Umlauf (Stand 31.03.2016).
CM: Wird Bargeld über kurz oder lang verschwinden?
Einige Ökonomen propagieren das ja.
Franz Josef Benedikt:
Ich bin sicher, das Bargeld wird es auch in Zukunft geben. Bargeld wird im Alltag immer noch für rund 80 Prozent aller Transaktionen verwendet. Gründe für die Beliebtheit des Bargelds gibt es viele. Bargeld ist als Zahlungsmittel einfach, sicher und schnell. Viele Bürgerinnen und Bürger schätzen am Bargeld auch, dass sie damit ihre Ausgaben besser im Blick haben. Bargeld schützt außerdem die Privatsphäre der Bevölkerung, denn beim Bezahlen mit Bargeld werden keine elektronischen Spuren hinterlassen. Auch sind Situationen denkbar, in denen elektronische Zahlverfahren nicht funktionieren, beispielsweise bei einem Stromausfall oder – viel gravierender – im Falle einer Naturkatastrophe. Bargeld kann in solchen Situationen immer noch als Zahlungsmittel verwendet werden. Deshalb bin ich mir sicher, das Bargeld wird nicht verschwinden. Unsere Bürgerinnen und Bürger werden auch in Zukunft die Wahl haben, wie sie bezahlen möchten – ob mit Bargeld, Karte oder Smartphone.
CM: Ein anderes Thema sind derzeit Obergrenzen für Barzahlungen. Wie stehen Sie dazu?
Franz Josef Benedikt:
Von den Mitgliedstaaten im Euro-Raum hat die Mehrzahl (zwölf) keine Obergrenze für Barzahlungen. In nur sieben Staaten gibt es eine solche. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat eine Obergrenze für Barzahlungen von 5.000 Euro ins Spiel gebracht. Barzahlungsbeschränkungen sollen helfen, Terrorismusfinanzierung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu erschweren.
Das BMF stützt sich bei seiner Empfehlung auf die “Dunkelfeldstudie über den Umfang der Geldwäsche in Deutschland und über die Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschaftssektoren” von Prof. Dr. Bussmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg). Inwieweit Barzahlungsbeschränkungen tatsächlich helfen, diese unwillkommenen Aktivitäten zu verringern, ist unklar. Obgleich es in mehreren Euroländern Barzahlungsgrenzen gibt, fand nach Kenntnis der Bundesbank bisher keine systematische Evaluierung dieser Beschränkungen statt. Auch sind der Bundesbank keine wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, die die Wirksamkeit von Barzahlungsgrenzen zweifelsfrei belegen oder zumindest einen signifikanten Zusammenhang nachweisen. Mit einer Barzahlungsobergrenze müssen sie von einem bestimmten Zahlungsbetrag an auf Giralgeld ausweichen, das kein Zentralbankgeld ist und daher Ausfallrisiken unterliegt.
CM: Welche Aufgaben hat die Bundesbank im unbaren Zahlungsverkehr?
Franz Josef Benedikt:
Im unbaren Zahlungsverkehr hat die Bundesbank den gesetzlichen Auftrag, für die reibungslose Abwicklung von Zahlungen im Inland und mit dem Ausland zu sorgen. Zur reibungslosen Abwicklung gehören die Sicherstellung von Effizienz und Sicherheit. Dazu betreibt die Bundesbank eigene Systeme. So wickeln wir für Banken pro Tag rund 15 Mio. Überweisungen, Lastschriften und Kartenzahlungen in unserem SEPA-Clearer ab, also alltägliche, nicht eilbedürftige Zahlungen über kleinere Beträge. Für eilbedürftige Großbetragszahlungen zum Teil in Höhe von mehreren Millionen Euro steht das TARGET2-System des Eurosystems bereit, das die Bundesbank zusammen mit der Banque de France und der Banca d’Italia betreibt. Des Weiteren überwacht die Bundesbank Zahlungssysteme und Zahlungsinstrumente im Hinblick auf ihre Sicherheit. Falls notwendig, wirkt sie auf Veränderungen hin.
Last, but not least übernimmt die Bundesbank eine Katalysatorfunktion, wenn es um die Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs, seiner Rechtsgrundlagen, Strukturen und Systeme geht. Dazu arbeiten Vertreter der Bundesbank in verschiedenen einschlägigen nationalen, europäischen und auch internationalen Gremien etwa auf G20-Ebene mit. Sie sprechen mit Marktteilnehmern und Infrastrukturanbietern, mit Regulatoren und anderen Beteiligten.
CM: Welche Rolle spielen FinTechs im Zahlungsverkehrsmarkt?
Franz Josef Benedikt:
Ich beobachte, dass FinTechs im Zahlungsverkehr vor allem an der Kunde-Bank-Schnittstelle aktiv sind. Es geht meist um mobile und Online-Bezahlverfahren. Jedoch bedeuten die neuen Angebote von FinTechs nicht unbedingt einen signifikanten Wandel der zugrundeliegenden Zahlungssysteme. Selbst die komfortabelsten Smartphone-Apps, die ein integriertes online / offline Shopping-Erlebnis bieten, das allein mittels Fingerabdruck oder sonstiger biometrischer Authentifizierungsmethoden abgewickelt wird, bedarf einer Infrastruktur, um die Zahlung von A nach B zu senden. Zurzeit basieren all die neuen Bezahlverfahrenen auf Infrastrukturen, die von Banken und Clearinghäusern zur Verfügung gestellt werden. Trotzdem kann die Kreditwirtschaft sich nicht zurücklehnen und abwarten. Banken und Sparkassen müssen sich anstrengen, um weiterhin den direkten Kontakt zu ihren Kunden halten zu können. Am Ende geht es um Bequemlichkeit, Schnelligkeit und Sicherheit.
Nach meinem Eindruck ist hier allerdings schon einiges in Bewegung gekommen. Immer mehr Kreditinstitute arbeiten inzwischen mit FinTechs zusammen, um von deren Beweglichkeit und Expertise in der Entwicklung neuer digitaler Angebote zu profitieren. FinTechs wiederum setzen gern auf die große Kundenbasis und das regulatorische Knowhow der Banken.
CM: Was halten Sie als Bundesbanker von der Blockchain-Technologie?
Franz Josef Benedikt:
Das Potenzial der Blockchain-Technologie für den Finanzsektor erscheint mir vielversprechend. Fast alle großen Finanzdienstleister und Marktinfrastrukturen prüfen derzeit Blockchain-Anwendungsmöglichkeiten. Zwar gibt es erste Ansätze und Prototypen, aber bis zur Markttreife wird es noch eine Weile dauern. Auch ist zu erwarten, dass manche Geschäftsprozesse überdacht werden müssen, damit die Blockchain-Technologie wirklich zu mehr Effizienz und Effektivität im Finanzmarkt beitragen kann. Ebenfalls muss die Kompatibilität mit dem geltenden Recht geprüft werden. Als Bundesbank beobachten wir Marktentwicklungen nicht nur sehr genau, sondern haben auch erste praktische Tests aufgesetzt.