7. Bayreuther Ökonomiekongress
Themen-Navigation:
- Schnell und entschlossen handeln – die zunehmende Wichtigkeit von Entscheidungen
- Ein Blick hinter die Kulissen – erfolgreiches Vermögensmanagement in Zeiten der Null-Zinspolitik
- Collaboration – Organisation internationaler Wettbewerbsfähigkeit im E-Commerce des 21. Jahrhunderts
- Frauen führen anders! Wie Töchternachfolge Familienunternehmen verändert
- Digitales Management und die Marktforschung der Zukunft: Unternehmerische Innovationsblindheit und die zentrale Rolle der Entscheidungsqualität
- Managing Disruptive Change – wie sich Banken neu erfinden (müssen)
- Die Treppe muss von oben gefegt werden: Führung in gelingenden Unternehmen
- Ausklang
Schnell und entschlossen handeln – die zunehmende Wichtigkeit von Entscheidungen
Dr. Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender des Automobilzulieferers ElringKlinger, der nach eigenen Angaben mit 45 Standorten weltweit Weltmarktführer für Zylinderkopfdichtungen und MDAX gelistet ist, hält den ersten Vortrag des zweiten Veranstaltungstages.
“Eine Entscheidung unter extremen Bedingungen, das ist die Königsklasse.”
… so Stefan Wolf. Pro Tag träfen wir bis zu 10.000 Entscheidungen. Psychologen und Managementberater propagierten, keine Entscheidungen unter Stress zu treffen – das halte er für völlig falsch. Es sei viel wichtiger, auch mal falsche Entscheidungen zu treffen und daraus zu lernen, als Dinge auf die lange Bank zu schieben. Wolf belegt diese Aussagen, indem er die erfolgreiche Unternehmenshistorie erläutert, deren Grundlage eine Vielzahl richtiger, schnell getroffener Unternehmensentscheidungen und schnelles, unbürokratisches Handeln gewesen sei.
Dr. Stefan Wolf. Bayreuther Ökonomiekongress 2015. Bild: Conplore
Mit 1,3 Mrd. Euro Umsatz und 162 Mio. Euro EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) sei 2014 ein Rekordjahr gewesen. Man habe 50% mehr Umsatz in 2014, im Vergleich zu 2008. 1994 habe man die vielleicht wichtigste Unternehmensentscheidung getroffen – die Fusion der Unternehmen Elring und Klinger. Des Weiteren setze man beim Wachstumskurs auf den “Green Field Ansatz”, ohne Joint Venture.
“Wer zaudert, gilt als schwach.”
“Es ist besser, schnell zu entscheiden, den falschen Weg nicht weiterzugehen.”
Ein Fehler, den viele Führungskräfte begingen, sei, dass sie oft schon fertige Lösungen im Kopf hätten und Mitarbeiterinputs zwar gehört, aber nicht berücksichtigt würden. Es sei wichtig, andere einzubeziehen, das sei kein Zeichen von Schwäche. Führungskräfte müssten auch eingestehen können, dass sie Fehler begingen. Eine Fehlentscheidung heiße: dazu stehen, korrigieren, daraus lernen. Dr. Wolf erläutert diese Aussage anhand eines Projektbeispiels, das man entschlossen beendet habe, als klar wurde, dass es finanziell nicht zum Erfolg führen würde.
“Schlanke Strukturen können ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein.”
Schlanke Strukturen und die richtigen Mitarbeiter ermöglichten zudem schnelle Entscheidungen. Bei ElringKlinger gebe es nur drei Hierarchielevels.
“Denken Sie, wer länger nachdenkt, trifft die besseren Entscheidungen?”
Er denke das nicht, so Wolf. Wer schnell entscheide, entscheide nicht per se schlechter. Oft sei es der erste Gedanke, zu dem man nach längerem Nachdenken zurückkehrt und auf dessen Basis man dann entscheidet. Es sei wichtig, früh Verantwortung zu übergeben und zu übernehmen. Eine “gesunde Mischung” aus Kopf- und Bauchentscheidungen sei erforderlich. Meistens liege der Bauch gar nicht so falsch. Bei Detailentscheidungen komme der Kopf ins Spiel. Zum Entscheiden gehörten Gefühl, Verstand, Erfahrung und das ‘Ich’, die “innere Überzeugung, das Richtige zu tun”. Stefan Wolf empfiehlt:
“Gehen Sie nicht immer auf Nummer sicher.”
“Die Intuition ist immer schneller als der Kopf.”
Je größer das Unternehmen, erklärt Stefan Wolf, desto schwerfälliger die Entscheidungsprozesse. Wann man selbst nicht entscheide, nehme einem meist die Situation irgendwann die Entscheidung ab. Wolf appelliert an den Mut seiner Zuhörerinnen und Zuhörer: Entscheidungen resultierten in einem Lernprozess – dem Mut, auch einmal Unbekanntes anzupacken, kombiniert mit der Überzeugung, das Richtige zu tun. Intuition basiere auf Erfahrungen, Denkmustern, Bauchgefühl, emotionaler Intelligenz und Erziehung. Er rate zu schnellen Entscheidungen.
“Mehr Auswahl bedeutet keineswegs mehr Freiheit.”
Entscheidungsprozesse würden immer komplexer und komplizierter, weil die Möglichkeiten stetig zunähmen. Wolf postuliert:
“Es gibt nicht die perfekte Entscheidung.”
“Entscheidungen, die keine positiven Emotionen, keinen Tatendrang auslösen, sind auch in der Regel keine guten Entscheidungen.”
Aus dem Auditorium kommt die Frage: “Was tun bei Fehlern?” Wolf empfiehlt erneut, nicht-erfolgreiche Projekte konsequent zu beenden, aber dabei die Projektbeteiligten zu motivieren. Wenn man wisse, dass Fehler erlaubt seien, entstehe eine andere Fehlerkultur. Wenn jemand zu viele Fehler mache, sei das natürlich auf Dauer nicht tolerabel.
“Wir sind sehr beraterresistent”, erwidert Wolf auf die Frage eines Beraters. Externe Berater hätten bei seinem Unternehmen schlechte Karten. Warum einen Berater Dinge entscheiden und für die Entscheidung haften lassen? Er halte nichts davon, bei Fehlentscheidungen auf einen Berater zu zeigen.
“Es ist Teil meiner Stellenbeschreibung, die Entscheidungen zu treffen, die zu viele an Unternehmensberater auslagern.”
Ein Blick hinter die Kulissen – erfolgreiches Vermögensmanagement in Zeiten der Null-Zinspolitik
Björn Burkhardt, Vorstand der Quants Vermögensmanagement AG, analysiert zu Beginn seines Vortrags die Entwicklungen, die u.a. zur aktuellen Nullzinspolitik in der EU geführt hätten: Subprime-Immobilienkrise, falsche Ratings, deutsche Banken, die zulange schlechte Papiere kauften, Finanz-Vertrauenskrise, drohendes Kollabieren des Finanzsystems, Regression.
Burkhardt zeigt einen Chart, der die Rendite (Zinslast) von spanischen und deutschen Staatsanleihen im Zeitablauf über die letzten zehn Jahre in Vergleich setzt. Lag die Zinslast bei beiden Papieren 2007 noch fast auf demselben Niveau, verzeichneten spanische Staatsanleihen in den Folgejahren starke Zinsaufschläge von über 6% (Risikoausgleich), während deutsche Staatsanleihen immer günstiger wurden. Erst seit erste Reformen griffen, würden sich die Renditeniveaus (Zinslasten) wieder einander annähern.
Erfolgreiches Vermögensmanagement. Referent: Björn Burkhardt. Bild: Conplore
Ein weiterer Chart bildet die Schulden der Euroländer ab: Staatsschulden in Prozent des BIP, Schuldenstand in Prozent des BIP. Mario Draghi habe mit seiner EZB-Politik quasi unbegrenzte Schulden möglich gemacht, so Burkhardt. Man habe Zeit gekauft für Strukturreformen, die nun aber auch kommen müssten.
“Ein zinsloses Risiko.”
Anhand einer Zinsstrukturkurve für deutsche Staatsanleihen (Zins in Abhängigkeit von Laufzeit) analysiert Björn Burkhardt, dass diese bei einer Laufzeit von vier Jahren aktuell negative Renditen hätten. Für kurze und mittlere Laufzeiten seien die Zinsen negativ. Man leihe dem deutschen Staat Geld und bekomme am Ende der Laufzeit weniger zurück, als man eingezahlt habe. Dennoch könne es sinnvoll sein, in Staatsanleihen zu investieren, um Währungsrisiken auszugleichen und Währungen zu diversifizieren.
“Der Wechselkurs eines Landes ist vergleichbar mit dem Aktienkurs eines Unternehmens.”
Burkhardt nähert sich dem Thema “Ratings”. Man selbst nutze sie auch, aber nur solche, die man auch verstehen und nachvollziehen könne. Also jene mit plausiblen Aussagen. In Form eines Ratinguniversums kombiniere man ökonomische Kriterien, ökonomische Fundamentaldaten und die Ratingkategorie “Rechtssicherheit”. Russland sei bei den ökomischen Kriterien z.B. ein Best-Performer, was durch die geringe Staatsverschuldung von rund 13% begründet sei, Länder wie Deutschland würden aber z.B. beim Kriterium Rechtssicherheit stärker punkten. Burkhardt präsentiert an dieser Stelle einen Ländervergleichs-Chart von Floosbach & von Storch (UN), in dem Rechtssicherheit und ökonomische Daten auf einer Skala von 0-100% bewertet und kombiniert werden.
Bemerkenswert sei auch, dass der DAX, trotz Verdoppelung der Unternehmensgewinne, auf dem Niveau des Jahres 2000 notiere. Die Aktien des DAX seien normal bewertet und im Vergleich zu Anleihen sogar eher zu günstig bewertet. Die Gewinnrendite von Aktien sei wesentlich attraktiver, als jene von Anleihen. Um ein realistisches Bild zu bekommen, solle man bei Wertvergleichen, bei Wohnungskauf keine Mieteinnahmen und bei Aktienkäufen keine Dividenden einrechnen.
Nach Björn Burkhardts Beobachtung seien die höchsten Verluste bei den scheinbar sicheren Anlagen verbucht worden, nicht aber bei den Aktien. Beispiele: Schuldenschnitt bei griechischen Staatsanleihen und vermeintlich sichere Bankeinlagen und Sparguthaben, bei denen 50 % zur Bankenrettung herangezogen worden seien. Sein Zwischenfazit, das als Basis für ein erfolgreiches Vermögensmanagement dienen könne, sei:
“Risikostreuung ist ratsam, um Schwankungen in den Griff zu bekommen.”
Burkhardt vergleicht nun defensive Investments, also schwankungsarme Anlagen, mit offensiven, schwankungsintensiven Investments. Zu ersteren zählten Anleihen, Cash (Liquidität), zu letzteren Aktien und alternative Investments. Er definiert “Managed Futures”, also Aktien, die in ihrer Entwicklung mit dem Aktienmarkt korrelieren und daher in Portfolios stabilisierend wirken könnten, und “Microfinance”, also z.B. Mikrokredite für afrikanische Bauern, die auch vergleichsweise wenig vom Aktienmarkt abhingen, und gibt zu bedenken, dass z.B. Naturkatastrophen völlig unabhängig von Aktien-, Zins- und Immobilienmärkten einträten. Auch Gold entwickle sich als Krisenwährung unabhängig von der Aktienmarktentwicklung. Gold sei langfristig über 7 % im Wert gestiegen und die Gewinne seien steuerfrei realisierbar. Es gebe also im Bereich “Alternative Investments” Anlagen, die weitestgehend unabhängig von den oben genannten Märkten – quasi losgekoppelt – funktionierten.
Man nutze i.d.R. Szenarioanalysen zum Aufbau einer Anlagestrategie, wobei man allgemeine Annahmen sowie Annahmen mit Bezug auf die Vermögensstruktur (Risikoklasse offensiv, defensiv) festlege. Burkhardt demonstriert Charts, die verdeutlichen sollen, dass vor Inflationsbereinigung offensive Anlagen mit starken Schwankungen potentiell langfristig den stärksten Zuwachs erlaubten, während konservative Anlagen mit geringeren Schwankungen eher einen flachen Zuwachs verzeichneten. Nach Inflationsbereinigung sähen die Charts derart aus, dass nur die offensiven Anlagen Zuwächse und Kaufkrafterhalt erlaubten, die konservativen Investments zu Kaufkraft- und Vermögensverlusten führten. Diese Darstellung wird aus dem Publikum kritisch hinterfragt.
Burkhardt schließt den Vortrag mit der Aussage, es sei nicht möglich, Vermögen zu erhalten, ohne Schwankungen auszuhalten. Man sollte schlechte Nachrichten ertragen und antizyklisch investieren können. Jeder müsse für sich entscheiden, wieviel Risiko er sich leisten könne und wolle.
Collaboration – Organisation internationaler Wettbewerbsfähigkeit im E-Commerce des 21. Jahrhunderts
“Wo sich Rahmenbedingungen schnell ändern, sind Erfahrungen nichts mehr wert.”
Dirk Lauber, CEO bei empiriecom (Mitglied der BAUR-Gruppe), skizziert eingangs die Entwicklungsgeschichte des E-Commerce. Die erste Jahre, 1995 bis 2003, seien “einfache Jahre” gewesen. “Das war nur IT”, so Lauber. Der Fokus habe zunächst rein auf Funktionalität gelegen, anschließend folgten der Aufbau von Reichweite und das Email-Marketing. Spätestens Ende 2007 sei die reine Reichweitenstrategie an ihre Grenzen gestoßen.
Internationale Wettbewerbsfähigkeit im E-Commerce des 21. Jahrhunderts. Referent: Dirk Lauber. Bild: Conplore
“Retail war schon immer ne enge Kiste.”
“95% aller Händler verdienen kaum Geld.”
Amazon habe anfangs drei Milliarden eingebüßt, berichtet Lauber. Das sei jedoch ein “Investment in einen enormen Erkenntnisgewinn” gewesen. Retail, also Einzelhandel, sei, umsatzbezogen, schon immer “eine enge Kiste” gewesen. B2C-Online-Retail sei ein rendite-enges Geschäftsmodell mit durchschnittlich 1-3 % Rendite. Renditestarke Absätze seien hier nur in lokalen, sortiments- oder zielgruppenspezifischen Nischen möglich. Heute sei man bei Mitteln wie SEO (Search Engine Optimization) und Display Advertising angekommen, um über eine “reach-driven growth strategy” zum Erfolg zu gelangen. Das SEM (Search Engine Marketing) sei von 2009 bis 20011 um 17% gewachsen. Reichweitengetriebene E-Commerce-Geschäftsmodelle könnten bei steigenden Werbepreisen aber nicht mehr vollumfänglich am B2C-E-Commerce-Wachstum teilhaben, so Dirk Lauber.
“Marken strahlen nicht nur durch ihre Positionierung, sondern auch durch ihre Prozesse.”
Nutzergetriebene Strategien seien “die Strategien der Stunde” und generierten bei niedriger Werbekostenbelastung höheres Wachstum. Amazons Wachstum und schiere Größe generiere Skaleneffekte, erklärt Lauber. Klassische Retailer dagegen kämpften “nicht mehr in der gleichen Gewichtsklasse”. Er zitiert Amazon-Gründer und Präsident Jeffrey Preston Bezos, der laut 2015er “Forbes-Liste” über ein geschätztes Vermögen von 34,8 Milliarden US-Dollar verfüge und damit Platz 15 der reichsten Menschen der Welt belege:
“Customer experience, price, logistics and technology is the new marketing!”
… und nicht wie früher die Größe eines Werbeplakats, auf dem stehe “wir sind die besten!”, ergänzt Dirk Lauber und resümiert:
“Der Dimensionsunterschied begründet ein Ende klassischer, isolierter Werbestrategien.”
“Die Messlatte der Kundenerwartungen im B2C-E-Commerce definiert Amazon mit unbeschränktem Budgeteinsatz.”
Alle anderen Akteure müssten diese Standards erfüllen. Die Schere gehe immer weiter auseinander und könne nur noch durch kooperative Modelle etwas begrenzt werden. “Collaboration” realisiere schnellen Erkenntnisgewinn, bessere Tragfähigkeit und mehr Innovationsfähigkeit. Vergleichbare Strategieansätze fänden sich auch in anderen Sättigungsmärkten, z.B. im Bereich Automobilbau, so Lauber. Seine Zukunftsprognose: Erfolg sei “nur durch die Realisierung von gemeinsamem Erkenntnisgewinn” möglich, um “Innovationen schnell umzusetzen”.
Frauen führen anders! Wie Töchternachfolge Familienunternehmen verändert
Dr. Christina Stadler, Geschäftsführerin des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft e.V. an der Universität Bayreuth (BF/M-Bayreuth), eröffnet als Moderatorin das Panel, dem auffällig viele Zuhörerinnen beiwohnen. Anhand von Statistiken zeigt sie zunächst, dass der Frauenanteil in Führungspositionen noch immer sehr gering sei, was insbesondere dadurch bedingt sei, dass Positionen meist dynastisch “an Männer vererbt” worden seien und die Töchternachfolge erst seit kürzerem als echte Alternative gesehen werde. Dr. Stadler stellt die Diskussionsteilnehmerinnen detailliert vor – allesamt gestandene Geschäftsfrauen, zwei von ihnen Beispiele erfolgreicher Töchternachfolge.
“Die Nachfolgerinnen sind oft nicht die erste Wahl.”
… heißt es seitens Dr. Daniela Jäkel-Wurzer, systemische Beraterin bei d.jw-Coaching & Beratung. Gemeinsam mit Kerstin Ott, Prokuristin der DF Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft, arbeitet sie an der Initiative “Generation Töchter”.
Ott berichtet, sie berate Unternehmen als Tranksaktionsberaterin bei Verkäufen. Dabei sei ihr aufgefallen, viele Inhaber würden lieber verkaufen, als die Tochter zur Nachfolgerin zu machen. Da wolle sich Ott einbringen. Eine mehrfach erfolgreich eingesetzte Methode sei das sogenannte “Tandem-Management”: das Parallel-Management durch Vater und Tochter funktioniere oft besser als jenes von Vater und Sohn. Anders als bei der reinen Männerkonstellation, kennzeichneten Ersteres meist längere Übergangszeiten von nicht selten bis zu fünf Jahren. Durch die längere Übergangszeit falle das Vakuum nach Ausscheiden des Patriarchen geringer aus. Eine Gefahr sei jedoch, wenn man kein Ende für das Tandem finde. Kerstin Otts Rat: einen klaren Zeitpunkt für das Ende des Tandems fixieren.
Töchternachfolge in Familienunternehmen. V.l.n.r.: Caroline Höllein, Nicole Kobjoll, Christina Stadler, Kerstin Ott, Daniela Jäkel-Wurzer. Bild: Conplore
Jäkel-Wurzer ergänzt, dass auch die Vereinbarkeit von Kind und Nachfolge machbar ist – Nicole Kobjoll, Inhaberin und Geschäftsführerin des Tagungshotels Schindlerhof und selbst Mutter, bestätigt dies später und berichtet:
“Bei Telefonterminen habe ich ihn (Sohn Max) zum Stillen angelegt.”
70% der Nachfolgerinnen bei einer von ihnen durchgeführten Studie hätten Kinder, so Jäkel-Wurzer. Leicht sei das zwar nicht, aber es gehe. Persönliches Netzwerk und Partner spielten eine wichtige Rolle. In ihrem Buch rieten die zwei Autorinnen den Vätern in Nachfolgeszenarien, die Sprachlosigkeit gegenüber ihren Töchtern durch gezielte Gespräche zu beseitigen und loszulassen.
“Mein Vater ist der beste Manipulator, den man sich vorstellen kann.”
… so Nicole Kobjoll. Damit kommen nun direkt zwei Nachfolgerinnen zu Wort und berichten dem Publikum, wie es damals bei ihnen gelaufen sei. Kobjoll berichtet, dass sie zu Beginn überhaupt kein Interesse an der Nachfolge und der Hotellerie gehabt habe. Ihr Vater habe das Interesse aber geschickt geweckt und sie früh beteiligt. Nach ihrer Ausbildung im Bereich Hotelmanagement in Lausanne habe ihr Vater ihr ein anspruchsvolles eigenes Projekt überlassen – die Hotelplanung eines neuen 24 Zimmertrakt-Neubaus. Ihre Eltern hätten ihr dabei nicht reingeredet, so entstand ein japanischer Hotelteil in einem fränkischen Hof. Kobjoll resümiert:
“Mit dem Projekt einsteigen, war ideal.”
Das Thema Weiterbildung sei für sie persönlich immer entscheidend gewesen, habe die Lust auf Unternehmertum geweckt und sie konnte ihren Lebensplan entlang des Mottos “Freude und Freiheit” realisieren. Mittlerweile sei sie von der Boston Consulting Group (BCG) und der Sparkasse zur “Besten Unternehmensnachfolgerin” ausgezeichnet worden.
“Kein Kronprinzenauftritt”
Wichtig sei es, “keinen Konprinzenauftritt hinzulegen”. Das Tandem-Management wurde auch im Schindlerhof durchgeführt. Erster Schritt war die Prokura, zweiter Schritt die Anteilsübertragung an der KG und dritter Schritt, schlussendlich, die Geschäftsführung. Um ein Tandem zum Erfolg zu führen, sei es entscheidend, die Hauptaufgabengebiete klar abzugrenzen:
“Jeder zieht in seinem Bereich sein Ding durch.”
… und dann sukzessive immer mehr Aufgaben zu übernehmen. Kinder müssten Respekt vor der Leistung der Eltern haben, so Nicole Kobjoll. Eltern müssten den Kindern ehrlich etwas zutrauen, ihnen vertrauen. Auch ihr Sohn habe schon früh drei Prozent der KG von ihrem Vater zum Geburtstag geschenkt bekommen.
“Um Gottes Willen – niemals!
… habe es zunächst auch bei Caroline Höllein geheißen. Anders als bei Nicole Kobjoll erlebte die Ex-Strategieberaterin und heutige Geschäftsführerin der Raimund Höllein Carolinenhütte GmbH & Co KG, kein “Soft Landing”, da ihr Vater unerwartet verstarb. Sie sei die erste Frau an der Unternehmensspitze seit fünf Generationen. Nachfolger sollte eigentlich ihr Bruder werden, der beim Tod des Vaters aber erst 25 Jahre alt gewesen sei und mitten im Maschinenbaustudium. Als sie völlig ungeplant ins Unternehmen einstieg, sei ein externer Geschäftsführer gerade mal eine Woche eingesetzt gewesen. Sie habe zunächst nur für sechs Monate im Betrieb bleiben wollen und habe sich zu diesem Zweck zunächst aus ihrer Beratertätigkeit zurückgezogen.
“Ich brauchte das Gefühl ‘Ich bin Geschäftsführerin’.”
Zunächst habe Sie Verträge mit Banken etc. geprüft – die “Kuckuckseier” – und realisierte, die Dinge bräuchten mehr Zeit. So sei sie länger geblieben, um sich den Herausforderungen zu stellen. Höllein übernahm im ersten Schritt das Controlling, der Geschäftsführer wurde weiter beschäftigt. 2013 stieg sie selbst dann in die Geschäftsführung ein. Das Unternehmen sei ihr ans Herz gewachsen und man habe in der Zeit keinen wichtigen Mitarbeiter verloren. Der Bruder sei später auch mit eingestiegen und man bilde bis heute ein Tandem als Geschwisterpaar – Maschinenbauer und Kauffrau. In der eher traditionellen Branche sei man “der bunte Hund”.
Aus dem Auditorium kommt die Frage, wie sich das Führungsverhalten von Frauen und Männern unterscheide? Caroline Hölleins Antwort:
“Ich führe nicht patriarchisch.”
Typisch Frau bedeute oft, “der Mediator zwischen den Männern sein”. Nicole Kobjoll fügt hinzu, ein Mitarbeiter, der keine Information habe, könne auch keine Verantwortung übernehmen. Caroline Höllein berichtet, sie sei zu Beginn sehr stark auf Mitarbeiter angewiesen gewesen, sie habe von den Mitarbeitern lernen müssen. Frauen hörten besser zu und versuchten, sich in eine Thematik einzuarbeiten, so Höllein weiter. Sie führe zwar nicht patriarchisch, schwere Entscheidungen seien aber trotzdem zu treffen. Nicole Kobjoll ergänzt, Frauen hätten hinzu weniger Angst, Macht zu verlieren. Es gehe ihnen mehr um das Gemeinschaftsgefühl. Daher mache man die gesamte Betriebsabrechnung vor den Mitarbeitern transparent. Sie formuliert:
“Wir sind keine andalusischen Pferdehändler – entweder können wir uns den Mitarbeiter leisten oder nicht.”
Man habe im eigenen Haus die Idee eines “Wunschgehalts” erfolgreich realisiert. Dabei werde auch eine Partneranalyse in Form von Stärken-Schwächen-Profilen durchgeführt.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Nicole Kobjoll im Rahmen des Kongresses geführt haben.
Digitales Management und die Marktforschung der Zukunft: Unternehmerische Innovationsblindheit und die zentrale Rolle der Entscheidungsqualität
Dr. Andreas Neus, Leiter Hochschulkooperationen und stellvertretender Geschäftsführer des GfK Verein, referiert zum Thema.
“Die durchschnittliche Lebensdauer eines Unternehmens ist deutlich kürzer, als die eines Menschen.”
Digitales Management und die Marktforschung der Zukunft. Referent: Dr. Andreas Neus. Bild: Conplore
Das Management müsse Daten richtig interpretieren lernen, so Andreas Neus, und vor allem auch in Betracht ziehen, wie Daten entstünden, wo die Daten herkämen. Manager entschieden meist aufgrund eigener mentaler Modelle, anstatt auf Basis der Realität, so Neus. Sein Beispiel: in den Köpfen der Menschen herrsche das Bild vor, Delfine seien gut, retteten Menschen aus dem Meer. Dieses Bild habe sich eingeprägt. Ungeachtet der unbestreitbaren Intelligenz der Delfine seien es aber stets nur die Geretteten, also die Überlebenden, die das positive Bild ihres Retters vermittelten. Die Möglichkeit, dass es auch Delfine gebe, die einen Menschen untergehen ließen, falle dahinter vollkommen zurück. Wer ertrinke, könne darüber hinterher schließlich auch nicht berichten. So entstünden nur zu leicht mentale Bilder aufgrund ggf. völlig unvollständiger Daten, welche dann aber als Handlungsgrundlage herangezogen würden, ohne das echte Gesamtbild abzubilden. Dr. Andreas Neus mahnt:
“Die Realität wird uns auf den Fuß fallen, wenn wir sie außer Acht lassen.”
Neus zitiert eine Reihe von Beispielen historischer Managementfehler, die zu katastrophalen Ereignissen führten, darunter das tragische Schicksal der NASA-Raumfähre “Challenger” und ihrer Besatzung. Der Start sei damals bereits mehrfach aufgrund des Wetters verschoben worden. Das Management befürchtete Gesichts- und Prestigeverlust. Die Ingenieure warnten davor, bei vorherrschenden Bedingungen zu starten – das Management entschied sich aber zum Vollzug.
Dr. Neus führt eine weitere Weltraummission als Beispiel an, bei deren Vorbereitung zwei Ingenieurteams parallel an Komponenten gearbeitet hätten – das eine Team auf Grundlage des metrischen Systems, das andere jedoch auf Basis des angloamerikanischen Maßsystems – dies habe man beim Zusammenführen der Komponenten jedoch nicht bemerkt, mit der extrem teuren Folge, dass aufgrund falscher Entfernungsberechnungen das Missionsziel nicht erreicht werden konnte.
Diese Managementfehler ließen sich letztlich alle auf banale Kleinstursachen zurückführen, auf fehlerhafte mentale Modelle, die wiederum zu falscher Interpretation oder fahrlässigem Umgang mit Daten geführt hätten. Mit empirischen Daten, also solchen, die auf Erfahrung und Evidenz beruhten, könne man mentale Modelle jedoch überprüfen und testen – wenn man die richtigen Fragen stelle. Es gelte, die Qualität der Basisdaten sicherzustellen, auf deren Grundlage Entscheidungen fallen.
“Wenn Sie lernen, gute Fragen zu stellen, dann können Sie sich Ihre eigenen Antworten zusammenstellen.”
“Information war immer Materie – bis das Internet kam”, formuliert Neus. Das “Verschieben von Information” habe immer Aufwand bedeutet. Disruptive Innovationen kämen typischerweise von außerhalb der etablierten Branche. Etablierte Unternehmen würden diese oft nicht früh genug erkennen, weil der technische Entwicklungsstand der disruptiven Innovation anfangs oft noch niedrig ist. Mentale Modelle würden zwar helfen, Komplexität zu reduzieren, machten aber “innovationsblind”.
“Die Trennung von Bit und Atom wird Unternehmen und Management grundlegend transformieren.”
Dr. Neus skizziert das Beispiel “Nupedia”, des Vorläufers von “Wikipedia”: Einst gestartet als freie, nichtkommerzielle Online-Enzyklopädie, habe hinter Nupedia dasselbe Ziel, dasselbe Team gestanden, wie hinter Wikipedia, es habe aber ein anderer organisatorischer Ansatz zugrunde gelegen. Ziel von Nupedia sei es gewesen, 100.000 Einträge zu erreichen, bei zunächst vorgeschalteter editorieller Qualitätskontrolle eines jeden Eintrags. Nach zwei Jahren, habe man ganze 24 Einträge vorzuweisen gehabt. Wikipedia sei unterdessen nebenher gelaufen, ursprünglich als Content-Briefkasten für eingereichte Beiträge, die nach Qualitätskontrolle dann in Nupedia aufgenommen werden sollten. Der Rest ist Geschichte. Nupedia auch.
Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel zum Thema herrschender “mentaler Modelle” lässt Andreas Neus auf das Publikum wirken – unter dessen aktiver Mitwirkung und Selbsterfahrung. Das Szenario: ein an die Wand projizierter Slide, mit einem moderat langen Satz in englischer Sprache, zehn Sekunden Zeit und die einfache Frage: Wieviele ‘F’ sehen sie? Nach zehn Sekunden erfragt Neus das Resultat – mit erstaunlichem Ergebnis: eine ganze Reihe Zuhörerinnen und Zuhörer sieht zweimal den Buchstaben ‘F’, andere sehen ihn dagegen drei, vier, bis zu fünfmal. Die Erklärung ist ebenso überraschend wie simpel: nur zwei der im Satz enthaltenen ‘F’ sind Teil von Hauptworten, alle übrigen ‘F’ Teil des kleinen, unscheinbaren Wortes ‘of’, das gleich mehrfach vorkommt. Das eigene mentale Modell vieler Zuhörerinnen und Zuhörer blende das kleine Wort einfach aus, bzw. filtert bereits die Information aus den Daten, ohne das ‘of’ bewusst dafür zu benötigen. Für den reinen Sinnzusammenhang, für das Verständnis des Satzes sei es nicht relevant, für das Erfassen der Information gar nicht notwendig. Das Fazit: mentale Bilder bürgen die Gefahr, als eine Art automatisierter Filter zu fungieren, die das Erfassen vorhandener Information in einem Kontext zu erschweren vermögen.
“Setzen Sie Ihre Experten immer in Konkurrenz zu den Neuen, die in Ihr Unternehmen kommen.”
“Bringen Sie Ihre Experten dazu, zu kollaborieren, oder lassen Sie die Neuen zu den Experten werden.”
… empfiehlt Andreas Neus. Klassisch organisierte Unternehmen stünden zunehmend in Konkurrenz zu ihren Kunden, weil diese immer besser aufgestellt seien und diese immer schlauer würden, durch das Internet.
“Ein Unternehmen, wo der Praktikant nicht zum Chef sagen kann: ‘du bist ein Idiot und ich sag dir auch warum’, hat schon ein Innovationsproblem.”
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Andreas Neus im Rahmen des Kongresses geführt haben.
Managing Disruptive Change – wie sich Banken neu erfinden (müssen)
Dr. Theodor Weimer, Sprecher des Vorstands der HypoVereinsbank – UniCredit Bank, und Ex-McKinsey, Bain und Goldman Sachs-Mann, widmet seinen Vortrag dem Thema des disruptiven Wandels in der Bankenbranche. Sein persönlicher “disruptive change” sei vor 30 Jahren passiert – da habe er seine Frau kennengelernt. Doch was, formuliert er die Frage, sind disruptive changes in der Geschäftswelt? Er zitiert Winston Churchill:
“Success is never final.”
Managing Disruptive Change – wie sich Banken neu erfinden (müssen). Referent: Dr. Theodor Weimer. Bild: Conplore
Weimer benennt Beispiele für disruptiven Wandel: Christentum versus antike griechisch-römische Götterwelt, Cola auf dem Getränkemarkt, Fotofilm versus Digitalfotografie. Auch die Finanzmarktkrise sei ein disruptive change. Er resümiert:
“Disruptive Changes betreffen nicht nur Technologiesprünge, sondern auch gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umbrüche.”
“Lasst uns die langweiligste Bank Deutschlands werden!”
Als Weimer 2009 Chef der Bank wurde, habe der BAFIN-Chef ihn aufgefordert, die Bank zu retten – unter der Prämisse, dabei “keinen Pfenning vom Steuerzahler” aufzuwenden. Dabei nutze man das ELA-Prinzip (Emergency, Liquidity, Assistance). Folglich habe man die Finanzkrise als Faktum hingenommen und sofort das Geschäftsmodell geändert. Mittlerweile verbuche man mehr Gewinn als die Deutsche Bank und die Commerzbank zusammen.
“Das schwierigste ist, Veränderungen hinzunehmen. Du hast eine Heidenangst, dass etwas Schlechtes passiert.”
“30% der Mitarbeiter, bestenfalls, bewegen das Unternehmen nach vorne – wie bekomme ich 150.000 bewegt?”
Je weiter er selbst im Leben gekommen sei, berichtet Weimer, desto wichtiger sei für ihn der Umgang mit “fuzzy logic” geworden, der “Logik der Unschärfe”. In der UniCredit-Gruppe arbeiteten weltweit etwa 150.000 Mitarbeiter. In Unternehmen “machen 30% der Leute nichts, 30% laufen mit und 30% bringen das Unternehmen voran”, analysiert er.
“Wenn alle über eine Veränderung reden, ist sie schon längst passiert.”
Es passiere immer etwas Negatives und nur selten etwas Positives. Wenn man in einem disruptiven Wandel sei, spüre man dies intuitiv. Wenn man jetzt erst anfange, über Digitalisierung zu reden, sei es schon viel zu spät.
“Banking is essential, banks are not.”
“Wir gelten als Protagonisten der Digitalisierung.”
… formuliert Dr. Weimer. Banking brauche es wirklich, aber ob es Banken noch brauche, stehe in den Sternen. Man habe das Filialsystem halbiert, von 600 auf 300 Filialen reduziert. Die Kunden gingen nicht mehr in die Bank. Die Digitalisierung im Banking werfe die Frage nach einem “banking for free” auf. Big Data-Systeme mit „schmutzigen Daten“ seien schon wesentlich besser als sie. Eine Bank habe nur begrenzte Möglichkeiten, Big Data auszuwerten. Solle eine Bank durch Digitalisierung erfolgreich sein, müsse eine starke emotionale Marke gebildet werden. Nur wenigen Banken, wie der ING-DiBa, sei dies bisher aber gelungen.
“Es ist eine ganze Stadt, die glaubt, sie hätte etwas zu sagen.”
Bei einem Unternehmen wie dem seinen, mit rund 150.000 Mitarbeitern, hielten sich 25% für Manager, so Theodor Weimer. Manager seien dazu da, in stabilem Umfeld Entscheidungen voranzubringen. In disruptiven Veränderungen jedoch, säge sich kein Manager den Ast ab, auf dem er sitzt – das trenne den Manager vom Leader.
“Leader treiben fundamentale Veränderungen voran, auch wenn es sie den Kopf kosten kann.”
“In der ‚decline industry‘ brauchst du ganz andere Skills, als in der Wachstumsindustrie.”
Zu oft säßen die falschen Managertypen auf den falschen Posten, in Bezug auf Skillset und Passgenauigkeit. Die Bankenindustrie sei “von einer GoGo- zu einer JoJo-Industrie geworden und heute zu einer DoDo-Industrie”. Während man zwischen 2000-2007 ein massives Gewinnwachstum und eine völlige Überbewertung durch Ratingagenturen erlebt habe, sei man heute zu einer schrumpfenden, kleinen Industrie geworden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass man in einer Wachstumsindustrie ganz andere Management-Skills brauche, als in einer ‘declining industry’. Man brauche z.B. ITler, aber die würden nicht in Banken arbeiten wollen: “Banking? Not my world.”
Managing Disruptive Change – wie sich Banken neu erfinden (müssen). Referent: Dr. Theodor Weimer. Bild: Conplore
“Wir befinden uns in multiplen disruptiven Veränderungen, nicht nur in einer.”
“Geld sei global”, das sei ideal gewesen, um fehlende Regularien international zu nutzen. Heute habe man enge Regularien, sei es bei Boni, etc. Die historisch negativen Zinsen seien disruptiv.
“Mein eigentliches Problem ist, dass Manager nicht mehr bereit sind, Risiken auf sich zu nehmen.”
“Die Bankenindustrie ist zu einer risikoarmen Industrie geworden.”
Banking sei aber dafür da, Risiken einzugehen. Wenn die Zinsen niedrig seien und tausende Milliarden so niedrig verzinst, dann führe eine Zinserhöhung zu massiven Kursfällen. Auf steigende Zinsen zu setzen, wie es Hedgefonds täten, sei das einzig clevere.
“In Europa verdient keine Bank mehr richtig Geld.”
… resümiert Dr. Weimer. In Europa seien die Regulierungsbehörden dazu da, Krisen zu verhindern, während in den USA die Regulierungsbehörden dazu da seien, kompetitive Vorteile für amerikanische Banken zu schaffen – und darin seien sie verdammt gut. Finanzminister Schäuble verstehe intellektuell das Problem, könne seine Wählerschaft aber nicht für notwendige Lösungen begeistern.
Man sei auf der Suche nach dem nächsten Paradigma für das Banking, nachdem das Capital Asset Pricing Modell (CAPM) nicht aufgehe, der Shareholder Value Ansatz die Frage aufbringe, ob er wirklich sinnvoll sei, Modigliani-Millers Leverage für zu viel Liquidität bzw. Leverage sorge und auch die Principle-Agent-Theory (PAT) nicht mehr aufgehe. Mache “mehr Rendite” noch Sinn? Kluge Studenten, so Weimer, sollten ein neues Paradigma entwickeln.
Er sehe, dass sich die Menschen immer mehr verschuldeten. Ohne Zins seien private Ersparnisse nichts wert. Zur kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge merkt er an, wenn mit Spareinlagen spekuliert werde, “haben wir verloren”. “Have Money Kunden” gingen in die Eigentumsbildung. Theodor Weimer beendet seine Ausführungen mit dem zusammenfassenden Hinweis, früher habe die Relation von Weltbruttosozialprodukt zu Kapital- bzw. Finanzmarkt 1:1 betragen, heute liege die Relation dagegen bei 1:4.
“Viel mehr Deutsche sind verschuldet, als Sie sich in Ihren kühnsten Träumen vorstellen können.”
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Dr. Theodor Weimer im Rahmen des Kongresses geführt haben.
Die Treppe muss von oben gefegt werden: Führung in gelingenden Unternehmen
Prof. Götz W. Werner, Gründer der dm Drogeriemarkt-Kette, tritt ohne Manuskript, ohne Slides, ohne PowerPoint – nur mit einem Lächeln bewaffnet – vor das versammelte Auditorium und drückt zunächst sein Bedauern darüber aus, dass sein Vorredner den Saal schon verlassen habe.
“Das, was mein Vorredner gesagt hat, war super… aber das ist nicht motivierend.”
“Lassen Sie sich nicht verschrecken. Es gibt nie eine ausweglose Situation.”
Führung in gelingenden Unternehmen. Prof. Götz W. Werner. Bild: Conplore
Es müsse immer Produktivität und Empfänglichkeit zusammenkommen. Man habe es tagtäglich und immer mit Kunden zu tun – beruflich und privat.
“Einen Kunden habe ich immer dann, wenn ein anderer mit meiner Produktivität rechnet.”
Es gehe immer weiter, Bange machen lasse er nicht gelten. “Sind wir nur auf der Erde, um zu überleben?”, stellt Prof. Werner als Frage in den Raum, um sodann selbst zu antworten: “Nein, wir sind auf der Erde, um uns zu entwickeln.” Nur ein Tier sei bereits fertig – doch die Zuhörerinnen und Zuhörer, insbesondere die Studierenden, könnten noch gar nicht wissen, was aus ihnen werden könne.
“Der Mensch ist ein ergebnisoffenes Entwicklungswesen.”
… formuliert Werner und verrät schmunzelnd, er habe den perfekten Titel, den eine Biographie nur haben könne, als Titel für seine eigene Biographie gewählt, und dieser laute: “Womit ich nicht gerechnet habe”. Erneut insbesondere an die Studierenden gewandt, fährt er fort:
“Der Erfolg des Studiums ist daran zu messen: Mit welchen Fragen gehen Sie ins Leben?”
Für Referenten hält Prof. Werner in diesem Kontext folgenden Rat parat:
“Versuchen Sie nicht, Antworten zu geben. Antworten reflektieren die Vergangenheit – Fragen gestalten die Zukunft.”
“Haben Sie eine PowerPoint-Präsentation oder haben Sie mir etwas zu sagen?”
… spitzt er zu. Fragen zu stellen sei sinnvoller, als Antworten zu geben, die vergangenheitsbezogen seien. Fragen seien entscheidend. Auch Pausen seien von Bedeutung. Man solle Pausen in Gesprächen machen, um Dinge wirken zu lassen und die PowerPoint bei Vorträgen zuhause lassen. Ein Vortrag sei ein “monologischer Dialog”, so Götz Werner. Bei dm habe man jeden Tag 1,9 Mio. Kunden – das werfe die Frage auf, wie man mit diesen Kunden kommunizieren solle. Und zwar so, dass der andere danach sage: “Donnerwetter, das macht Sinn!”
“Wie bekommen wir Sinn in die Sache?”, führt er den Gedanken fort. “So ein Bankencrash” könne “sehr sinnvoll sein”. Niederlagen könnten sehr sinnvoll sein, da sie zum Lernen führten.
“Vergessen Sie die Begriffe Arbeitszeit und Freizeit – es ist IMMER Lebenszeit.”
“Auf keinen Fall wirst Du beim jüngsten Gericht gefragt: Wieviel hast Du verdient?”
Meistens gehe es nur ums “know HOW”. Worauf es aber wirklich ankomme, sei das “know WHY”. Werners Beispiel: “Was würde passieren, wenn wir alle nicht mehr zur Bank gingen? Dann würde denen viel mehr einfallen.” Den Sinn bekomme man immer über die Frage nach dem “Warum und Wozu”. Rein Knowhow-basiert könne man zwar eine Atombombe bauen, dank der Frage nach dem Warum, baue man dann aber hoffentlich KEINE Atombombe. Menschen merkten, was für ein Typ man sei, ein Know-how- oder ein Know-why-Frager.
Führung in gelingenden Unternehmen. Prof. Götz W. Werner. Bild: Conplore
“Geht’s nur ums Geld?”
“Es gibt immer etwas Vernünftiges zu tun.”
“Love it, change it – or leave it!”
Man solle sich fragen: “Liebe ich meine Kunden?”, wenn nein: “Wie kann ich’s ändern?”, und wenn nicht möglich: “Abhauen, was Vernünftiges tun”. Es folgen Ausführungen zu Sinn, Mittel und Zweck von Unternehmen, aber auch auf persönlicher Ebene. Die Wirtschaft müsse den Menschen dienen, denn ohne Menschen gebe es auch keine Wirtschaft, so Götz Werner. Der Mensch sei vielleicht sogar der Zweck der Erde. Man solle sich die Frage stellen, wo man einen Beitrag (zum Überleben) leisten könne. Er finde, hier erneut mit Bezug zu seinem Vorredner, ein Zusammenbruch des Finanzsystems könne durchaus heilsam sein.
“Mein Vorredner war echt eine Steilvorlage… da [Finanzsystem] blickt keiner mehr durch.”
“Es sind nur die Dinge relevant, die anderen Menschen dienen.”
“Die Treppe wird buchstäblich von oben gefegt (…) das fängt mit dem Denken an.”
Unternehmer seien reale Träumer. Das, was man träumen könne, könne man auch denken, wollen und letztendlich umsetzen. Viele Menschen täten etwas, das sie gar nicht wollten.
“Ideologie ist das Massengrab unserer Gesellschaft.”
Er plädiere für ein bedingungsloses Grundeinkommen und sehe Einkommen als erforderlich, um zu leben, zu arbeiten und um Initiative in unserer Gesellschaft zu erlauben. Eine konstruktive Unzufriedenheit mit den herrschenden Umständen, nicht eine destruktive Nörgelei, sei Voraussetzung für Innovation.
Prof. Werner erntet tosenden Applaus für die charismatische, unorthodoxe Rede.
Ausklang
Der 7. Bayreuther Ökonomiekongresses wird nach einem Interview zum Thema Erfolgsfaktoren von Kongressmoderatorin Rommy Arndt mit Georg Hackl, mehrfacher Olympiasieger und Weltmeister im Rennrodeln, geschlossen. Die studentischen Organisatoren präsentieren sich dem versammelten Publikum im Audimax der Universität und erhalten den wohlverdienten Beifall.
Kongressausklang. Bayreuther Ökonomiekongress 2015. Audimax Unversität Bayreuth. Bild: Conplore
Undokumentierte Veranstaltungen:
Aufgrund der Parallelität mehrerer Veranstaltungen war es dem Conplore-Team leider nicht möglich, die folgenden Veranstaltungen zu dokumentieren. Der Vollständigkeit halber seien sie an dieser Stelle aufgeführt:
- FIRST: Ein starkes gemeinsames Verständnis verbindet Brose-Mitarbeiter weltweit
Referent: Michael Daniel, Leiter Personal, Brose Gruppe.
- Unternehmenskultur: Ich liebe meinen Status Quo.
Referent: Sascha Hackstein, Client Director, Atreus GmbH.
Weiterlesen:
Bericht Ökonomiekongress – Tag 1, Vormittag
Bericht Ökonomiekongress – Tag 1, Nachmittag