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Bericht vom Consulting Day 2015 Berlin: Anspruchsvolle Fallstudien für angehende Unternehmensberater – Teil 1

Beitrag von: Matthias Buchholz

Unternehmen: Conplore

Berlin, 25. April 2015, BiTS Hochschule Berlin

Samstag 8:30: Studentinnen und Studenten aus ganz Deutschland treffen sich zu früher Stunde zu einer kleinen, exklusiven Workshop-Veranstaltung in der Bernburger Straße. Die studentische Unternehmensberatung biber consulting e.V. hat Case Study-Workshops mit Referenten von Scholz & Friends, Erlkönig, Paul und Collegen, PwC, Deloitte, Vok Dams und EY organisiert.

Nach einem Kaffee begeben sich die Teilnehmer direkt in die Workshops, um an Fallstudien zu arbeiten:

  • Deloitte, Referent: Fabian Menzel mit dem Thema: Sport Business Strategy
  • Erlkönig, Referenten: Daniel Brugger, Daniel Eydt mit dem Thema: Automotive
  • Ernst & Young, Referentin: Alessa Münch mit dem Thema: HR Change Management (auf Englisch)
  • paul und collegen consulting, Referent: Thomas Paul mit dem Thema: Corporate Restructuring
  • PwC, Referent: Sven Morich mit dem Thema: Controlling
  • Scholz & Friends, Referentin: Sabine Mirkovic mit dem Thema: Corporate Social Responsibility (CSR)
  • Vok Dams. Strategic Solutions, Referenten: Hannes Putzig & Claudia Köhler mit dem Thema: Corporate Event Strategy (teils auf Englisch)

Fallstudie “Corporate Restructuring”

Weiter zu Teil 2: Link.

Ich besuche am Vormittag den Workshop “Corporate Restructuring” von Thomas Paul, Inhaber von Paul und Collegen (Berlin / Wien), einer Sozietät selbstständiger Unternehmer. Der studierte Diplom-Ökonom und Wirtschaftsmediator arbeitete vor seiner Beratungstätigkeit u.a. bei Krupps. Nach einer kurzen Vorstellung fragt er die Teilnehmer:

“Was stellen Sie sich unter Sanierung vor? … Womit beschäftigt sich Corporate Restructuring? … In welcher Situation ist ein Unternehmer, wenn er eine Restrukturierung durchführt?”

Nach ersten Wortmeldungen grenzt er ab, dass man das Wort “Restrukturierung” v.a. nutze, wenn sich ein Unternehmen bereits in einer schweren Krise befinde. Dabei sei auch ein Problem, dass wenn Menschen im Hierarchielevel aufsteigen, das Delta zwischen Eigen- und Fremdbild steige – Stichwort “Krise, welche Krise?”. Er definiert Unternehmenskrisen als “ungeplante und ungewollte Prozesse … von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit … mit ambivalentem Ausgang …, (die) den Fortbestand des gesamten … Unternehmens” gefährdeten. Die Liquidität sei oft das Hauptproblem und oft ein größeres Problem als die Verschuldung.

“Welche Krisenfälle sind Ihnen bekannt?”

Praktiker, Schlecker, Nokia und RWE werden genannt. Paul zeigt eine Grafik, die den klassischen Krisenverlauf beschreibt – ausgehend von Fehlallokationen und Fehldispositionen träten oft in den Zahlen sichtbare Rückgänge in Umsätzen etc. auf, die wiederum in Liquiditätsmangel und dann eben auch Überschuldung und eventuell auch im Zusammenbruch resultierten. Das Unternehmen sei internen und externen Faktoren ausgesetzt, die man analysieren müsse. Krisenmanagement sei eine besondere Form der Führung von höchster Priorität – Ziel sei es, jene Prozesse des Unternehmens zu vermeiden, die den Fortbestand potentiell substantiell gefährden könnten. Restrukturierungen erfolgten auf verschiedenen Ebenen – strategisch, operativ, strukturell und finanziell.

“Housten, wir haben ein Problem.”

(Apollo 13 Kommandant, James Lovell)

“Restrukturierung ist immer ein Prozess.”

Ein Restrukturierungskonzept müsse in der Regel binnen 2-3 Monaten stehen, sonst sei es oft zu spät. Nach der Problemerkennung müsse ein Problem eingestanden und analysiert werden, dann wird ein Konzept erstellt, für dessen Umsetzung Ressourcen bereitgestellt werden müssten. Abschließend werde der Restrukturierungserfolg kontrolliert. Eine Teilnehmerin fragt, ob es den Restrukturierungsberater nicht extrem unter Druck setze, wenn er wisse, dass das Unternehmen vielleicht Pleite gehe. Paul erwidert, dass dies natürlich öfter hohen Druck auslöse.

“Der Handlungsbedarf (im Restrukturierungsprozess) steigt permanent an.”

Nun wird unter Einspielung der Musik von “Das Phantom der Oper” die Fallstudie Stella AG aus der Musicalbranche vorgestellt. Der Konzern war vor einigen Jahren in eine ernste Krise geraten. Die Fallstudienunterlagen bestehen aus einer kurzen Einführung in die Situation, die durch eine Sammlung an Pressemitteilungen ergänzt wird, die im konkreten Fall tatsächlich im Verlauf der letzten Jahre erschienen waren. Die Teilnehmer sollen binnen einer Stunde klären, wo die Probleme zu verorten sind und Leitlinien und Lösungsansätze entwickeln, also ein grobes Sanierungskonzept erstellen. Dazu sollen sie sich in drei Gruppen aufteilen, die Arbeit intern aufteilen und anschließend ihr Konzept präsentieren, unter freier Wahl der Präsentationsmittel. Die Arbeit beginnt, mit zunehmendem Zeitdruck wird es immer aktiver und lauter im Raum. Paul beendet die Arbeit pünktlich nach einer Stunde. Die Gruppen präsentieren erstaunlich ruhig ihre Arbeitsergebnisse in gut strukturierter Art und Weise.

Nach der Gruppenarbeit spricht er aus, was einige Teilnehmer wohl gerade denken:

“Sie wurden eben Zeugen einer Überforderung.”

Paul hakt mit ein paar kritischen Fragen bei den Präsentationen nach und simuliert übliche Situationen bei der Vorstellung von Sanierungskonzepten. Es kommen vereinzelte Antworten. Paul erklärt, die Präsentation und die kritischen Nachfragen der Kunden seien eine weitere Herausforderung. Er schließt die Fallstudienbearbeitung und teilt weitere Informationen darüber, welchen Anforderungen Sanierungsgutachten und Restrukturierungskonzepte standhalten müssten.

Anforderungen:

  • Leitbild und Kongruenz der Maßnahmen mit diesem Leitbild
  • Beurteilung der Machbarkeit des Konzepts mit Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Prämissen
  • Unternehmensleitung (Kunde) müsse gut aussehen (nicht nur der Berater)

Inhalte:

  • Auftragsgegenstand / -umfang
  • Darstellung der Ausgangslage
  • Krisenstadium / Krisenursachen
  • Darstellung und Ausrichtung des sanierten Unternehmens
  • Maßnahmen zur stadiengerechten Sanierung / Krisenbewältigung
  • Integrierter Unternehmensplan (bestehende Daten + Plandaten nutzen)

Das Institut der Wirtschaftsprüfer habe dafür den IdWS 6-Standard entwickelt. Man bewerte hinzu mit einem Pyramidenmodell die Sanierungsfähigkeit und gebe eine Fortbestehungs-, sowie eine Fortführungsprognose ab. Hilfreich sei auch die Nutzung des Pigneuer – Business Modells bei der Geschäftsmodellanalyse, das 7-8 Kriterien zur Analyse von Geschäftsmodellen vorsehe.

Zur Veranschaulichung des Weges vom Krisenmanagement zum Transformationsmanagement zieht Paul die Analogie zur Medizin: Vom Schwerverletztem in der Not-OP hin zum Stabilisierten in der Reha / Physiotherapie. Früher habe man einen Patienten erstmal liegen gelassen, um ihn zu schonen. Heute versuche man, ihn so früh wie möglich wieder laufen lernen zu lassen.

Er zeigt ein Organigramm für eine typische Projektorganisation mit Lenkungsausschuss im Rahmen von Restrukturierungsprojekten.

Zum Ende verrät Thomas Paul, warum er gerade diese Fallstudie gewählt habe. Er selbst sei in der Unternehmenskrise zum Finanzvorstand der Stella AG berufen worden und habe gemeinsam mit einem Insolvenzverwalter die Insolvenz durchgeführt. Zuvor habe McKinsey eine Basisanalyse und Roland Berger ein Maßnahmenpaket formuliert. Man habe externe, auf Insolvenzrecht spezialisierte Juristen mit einbezogen (Stichpunkt: Fristwahrung “21 Tage”). Im Insolvenzverfahren habe man bewusst auf einen Insolvenzverwalter gesetzt, der das Motto eines “friktionsfreien Übergangs” verfolgt habe. Das Unternehmen sei an die Deutsche Entertainment verkauft worden – die Entscheidung falle i.d.R. auf den Käufer mit dem besten Preis und die beste Lösung für die Gläubiger.

Pause & Networking-Lunch

Noch ein Tipp: Taschenrechner nicht vergessen!

Weiter zu Teil 2: Link.

Veranstaltungsort: BiTS Hochschule Berlin

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