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Konfliktlösungssysteme in modernen Wirtschaftsunternehmen

Unternehmen: mesh ACADEMY

Wenn 30-50 % der Arbeitszeit einer Führungskraft auf den Umgang mit internen und externen Konflikten verwendet wird, dann rückt die effiziente Bewältigung von Konflikten in den Fokus von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und für Unternehmer in kleinen und mittelständischen Betrieben stellt sich die Frage, welche Chancen und Optionen ein professionelles Konfliktmanagement mit sich bringt. Konflikte in Unternehmen steigern Leistung und Produktivität, fördern Teamarbeit und sind elementarer Entwicklungsmotor. Oder wie es der Soziologe Ralf Dahrendorf (1997) formulierte:

“Konflikt ist Freiheit, weil durch ihn allein die Vielfalt und Unvereinbarkeit menschlicher Interessen und Wünsche in einer Welt notorischer Ungewissheit angemessen Ausdruck finden kann.”

Die Kehrseite der Medaille: Konflikte verursachen hohe direkte und indirekte Kosten in Unternehmen. Durch verlorene Arbeitszeit, Mitarbeiterfluktuation, betriebsschädigendes Verhalten, Mängel in der Projektarbeit, entgangene Aufträge und arbeitsrechtliche Sanktionen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) treffen diese Konflikte besonders hart, zählt dort doch jede Arbeitskraft und oft bestehen empfindliche Abhängigkeitsbeziehungen zu Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern. Ebenso sind Umstrukturierungen, in denen sich fast jedes deutsche Unternehmen befindet, Nährboden für eine Vielzahl an Konflikten. Wo fehlende Transparenz von Umstrukturierungsmaßnahmen zu Vertrauensverlusten in den Mitarbeiterreihen führen, entstehen Konflikte.

 

Die Kosten von Konflikten


 

Die Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unternahm 2009 in Zusammenarbeit mit der Hochschule Regensburg und der Berner Fachhochschule den Versuch, Konfliktkosten in Unternehmen zu ermitteln und zu quantifizieren. Hierzu wurden im Rahmen einer in Deutschland quantitativ und qualitativ ersten umfassenden Untersuchung zu diesem Thema 4.000 Industrieunternehmen verschiedener Größe befragt, sowie ergänzende Interviews mit Geschäftsführern und Bereichsleitern von Finanz-, Controlling- sowie Personalabteilungen verschiedener Unternehmen geführt. (Link zur Studie). Die Studie liefert einen Überblick über die Höhe der Konfliktkosten in den befragten Unternehmen und den Informationsstand bezüglich dieser Kosten. Wo immer die Kosten von Konflikten konkret beziffert werden konnten, lagen sie in hohen Kostenklassen. So haben beispielsweise 50% der befragten Unternehmen jährliche Konfliktkosten aufgrund von Problemen bei der Projektarbeit von mehr als fünfzigtausend Euro benannt.

Als Ergebnis der Untersuchung lässt sich festhalten: Wenn auch ein großer Teil der in Unternehmen durch Konflikte entstehenden direkten und indirekten Kosten nicht ermittelbar oder quantifizierbar sind, kann zumindest ein gewisser Teil der Konfliktkosten prinzipiell ermittelt werden und ist messbar oder plausibel schätzbar und somit als “harter” Faktor innerhalb und zwischen Unternehmen vergleichbar. Welche Bedeutung die Studienergebnisse gerade für kleine und mittelständische Unternehmen haben, erläutert die Wirtschaftsmediatorin Sarah Faber von der Anwalts- & Mediationskanzlei Dr. E. Faull, München: “Kosten, die durch innerbetriebliche Konflikte, Auseinandersetzungen mit Kunden, Lieferanten oder öffentlichen Auftraggebern entstehen, stellen nicht ausgeschöpfte Effizienzreserven in Unternehmen da. Um diese Kosteneinsparungspotenziale zu nutzen, gilt es in einem ersten Schritt, diese Kosten zu analysieren und weitgehend realitätsnah zu ermitteln. Dabei ist zu prüfen, ob es sich um funktionale (dem Unternehmen zuträgliche und unvermeidbare) oder dysfunktionale (dem Unternehmen abträgliche und vermeidbare) Konfliktkosten handelt. Wenn auf diesem Wege die Bereiche ermittelt worden sind, in denen besonders hohe und gut bekannte Konfliktkosten entstehen, kann dann geprüft werden, ob Maßnahmen zur Senkung dieser Kosten ergriffen werden sollten.”

Doch welche Optionen und Wege der professionellen Konfliktbearbeitung stehen zur Verfügung? In KMU herrschen die gängigen Verfahren der Konfliktbearbeitung vor, wie beispielsweise das Konfliktgespräch mit dem Vorgesetzten, die Abmahnung oder Gerichtsprozesse bei Streitigkeiten mit Kunde oder Lieferanten. Um akute Konflikte zu bearbeiten, können Unternehmen jedoch eine Vielzahl an weiteren Instrumenten und Methoden der Konfliktlösung nutzen. Die denkbaren Varianten reichen von bewusst initiierten Entwicklungsprozessen, über strukturelle Änderungen, das Konfliktcoaching von einer der betroffenen Streitparteien, verschiedenen Verfahren der alternativen Streitbeilegung bis hin zum Aufbau eines eigenen, internen Konfliktmanagementsystems.

 

Konfliktlösungsverfahren


 

Gerade die verschiedenen Verfahren der alternativen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution, ADR), wie die Schlichtung, die Online Dispute Resolution in Verbraucherstreitigkeiten, die Adjudikation in Bausachen, das Schiedsgutachten, das Schiedsgerichtsverfahren und die Mediation, finden in der Praxis zunehmend Verbreitung. Insbesondere die Mediation als Alternative zur gerichtlichen Auseinandersetzung wurde durch den Gesetzgeber mit dem in Deutschland seit Juli 2012 in Kraft getretenen Mediationsgesetz (MediationsG, BGBl. I S. 1 577) gestärkt und damit der Weg für eine neue Rechts- und Konfliktlösungskultur im Privat- und Geschäftsleben geebnet.

Die Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, innerhalb dessen die Parteien (Medianden) mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche und für alle Beteiligten gewinnbringende Lösung (“Win-Win-Lösung”) ihres Konfliktes erarbeiten. Der Mediator ist dabei eine unabhängige und allparteiliche Person ohne Entscheidungsbefugnis. Seine Aufgabe ist es, die Streitparteien zu unterstützen, ihre eigenen Interessen, Motive und Bedürfnisse in dem Konflikt zu erkennen, zu benennen und ein gegenseitiges tiefergehendes Verständnis der Parteien füreinander zu entwickeln. Auf dieser Basis kann dann eine Konfliktlösung gefunden werden, die einen Gewinn für alle Beteiligten darstellt und wahrscheinlich eine höhere Akzeptanz findet, als ein von dritter Stelle vorgegebener Lösungsvorschlag.

Die Vorteile des Mediationsverfahrens als Alternative zu den herkömmlichen Streitbeilegungsverfahren liegen klar auf der Hand: Es liefert in kurzer Zeit wirtschaftlich optimierte Ergebnisse, die dauerhaft tragfähig sind, die Geschäftsbeziehungen stärken und aufgrund der Vertraulichkeit des Verfahrens mögliche Imageverluste, die häufig Nebenwirkungen öffentlicher Gerichtsprozesse sind, nach innen und außen vermeiden.

 

Wie kann Konfliktmanagement praktisch eingeführt werden?


 

Während eine wachsende Zahl von großen Unternehmen wie SAP, E.ON, Deutsche Telekom und Bombardier diese Konfliktlösungsverfahren nutzen und innerhalb betriebsinterner Systeme zur Konfliktbearbeitung implementieren, sind sie in KMU weniger bekannt und verbreitet. Dabei gewinnen interessenorientierte Konfliktlösungssysteme in modernen Wirtschaftsunternehmen immer mehr an Bedeutung. Unternehmen, welche die Chancen der Globalisierung nutzen möchten, werden professionelle Konfliktlösungssysteme entwerfen müssen, wenn ihre unternehmerische Tätigkeit erfolgreich sein soll und sie ihre nationalen und im Besonderen internationalen Projekte mit Erfolg abschließen wollen. Gerade multinationale Joint Ventures bergen stets hohes Konfliktpotential. Die Erfahrung zeigt dabei, dass die Art und Weise des Umgangs mit auftretenden Konflikten über Erfolg und Misserfolg des gemeinsamen Vorhabens entscheidet. Statt Konflikte frühzeitig anzugehen und die daraus resultierenden Chancen zu nutzen, werden häufig destruktive Verfahren geführt; die gemeinsame Vision gerät in Vergessenheit. Zudem steigen die Konfliktkosten bei transnationalen gerichtlichen Auseinandersetzungen drastisch an.

Impulse zur Etablierung von Konfliktmanagement in Betrieben wirken nur, wenn sie von Verantwortlichen aufgenommen werden. Welche Ziele ein solches Konfliktmanagement verfolgt, erläutert Wirtschaftsmediator Friederich Peter Zeuner von der Anwalts- & Mediationskanzlei Dr. E. Faull, München: “Die vornehmlichen Ziele und Vorteile eines institutionalisierten Konfliktmanagements sind: Zeitgewinn und Kostensenkung durch Schaffung reibungsloser Abläufe, höhere Produktivität durch engagiertere Mitarbeiter, Imagesteigerung durch zufriedenere Kunden und nicht zuletzt die Einsparung von Gerichtskosten.” Die Unternehmensführung muss entscheiden, ob ein ausgewähltes Element von Konfliktmanagement oder ein umfassendes Konfliktmanagementsystem aufgebaut werden soll. Ein solches Konfliktmanagementsystem umfasst sämtliche Elemente in einem Unternehmen, die der frühzeitigen, effizienten und kostensparenden Lösung von internen Konflikten und Konflikten mit Kunden oder Geschäftspartnern dienen.

Im nächsten Schritt muss geklärt werden, welche weiteren Konfliktmanagement-Instrumente eingeführt werden sollen, welcher Zentralisierungsgrad angestrebt wird, wo eine zentrale Anlaufstelle angesiedelt sein kann, wie und durch wen ein Controlling- und Qualitätssicherungssystem realisiert werden kann und wie ein internes Marketing gestaltet wird. Die wirksame interne und externe Kommunikation der Ergebnisse und ein erster Erfolg einer Konfliktmanagementmaßnahme können Impulsgeber sein für die nächste Stufe, hin zur Etablierung eines umfassenden Konfliktmanagementsystems. Da in KMU typischerweise weniger Ressourcen zur Etablierung von Konfliktmanagement zur Verfügung stehen, muss hier genau geprüft werden, ob die einzelnen Komponenten intern aufgebaut oder durch externe Dienstleister umgesetzt werden können. Auch die Bündelung der Mittel und Ressourcen mehrerer Unternehmen, zum Beispiel zur Entwicklung einer gemeinsam genutzten Konfliktanlaufstelle, ist eine denkbare Umsetzungsvariante.

 

Unternehmensnachfolge: Die Feuerprobe


 

Die Bedeutung eines ressourceneffektiven und zukunftsorientierten Konfliktmanagements geht jedoch weit über B2B-Auseinandersetzungen hinaus und erhält im Rahmen der Unternehmensnachfolge besonderes Gewicht. Während im normalen Wirtschaftsleben gerichtliche Auseinandersetzungen zwar oft ressourcenineffektiv und beziehungsstörend sind, drohen gerichtliche Verfahren in Unternehmensnachfolgeangelegenheiten das Lebenswerk des Unternehmers oder ganzer Unternehmergenerationen zu zerstören. Schlecht gemanagte Nachfolgestreitigkeiten hängen gleichsam als Damoklesschwert über dem Lebenswerk des Unternehmers. Erschwerend tritt hinzu, dass nur ein Bruchteil der auftretenden Streitigkeiten überhaupt justiziabel ist, also durch ein Gericht verbindlich geklärt werden kann.

In dem Zusammenspiel der Rechtsgebiete und den mit den anstehenden Fragen zusammenhängenden psychologischen Aspekten kann es zu einer Vielzahl von Konflikten kommen. Exemplarisch seien zunächst nur erbrechtliche Fragen (etwa: Testierfähigkeit, Auslegung von Testamenten, Bindungen durch Erbverträge, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, Ausgleichszahlungen, Vor- und Nacherbschaften, Auflagen und Vermächtnisse, Auseinandersetzung von Miterbengemeinschaften und Zusammenarbeit mit Testamentsvollstreckern) genannt. Hinzu treten vielfältige gesellschaftsrechtliche Streitpunkte (etwa: erbrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklauseln, Managementnachfolge, Zusammenspiel von geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Anteilseignern, gesellschaftsrechtliche Treuepflichten, Abfindungsansprüche, Unternehmensbewertungen). Entsprechende Konflikte werden sodann von den nichtjustitiablen Konflikten befeuert oder überstrahlt.
Hierzu zählen häufig subjektive Gerechtigkeitsfragen und Strategiekonflikte. Vor diesem Hintergrund verwundert es fast schon, wenn eine komplexe (ungeplante) Unternehmensnachfolge ohne gerichtliche Auseinandersetzung von statten geht. Die Realität im Bereich strategischer Unternehmensnachfolge ist dabei erschreckend, wie Wirtschaftsmediator Ralf Deutlmoser, Partner der Anwaltsboutique Weidenbusch Deutlmoser, München aufzeigt:

“In Deutschland kommt es jährlich zu mehr als 20.000 Unternehmensnachfolgen, die fast 300.000 Mitarbeiter betreffen. Dabei haben weniger als 30% aller Unternehmer auch nur ein (wirksames) Testament verfasst; von einer umfassenden strategischen Planung der Unternehmensnachfolge ganz zu schweigen. Diese muss Gesellschafts-, Erb-, Steuer- und Familienrecht mit den Vorstellungen des Unternehmers und der Unternehmerfamilie in Einklang bringen. Aber auch im Falle der strategisch geplanten Unternehmensnachfolge bleibt hohes Konfliktpotential. Im besten Fall kann dieses jedoch zu Lebzeiten des Unternehmers und in der Planungsphase aufgegriffen und als Chance genutzt werden: ein ideales Einsatzgebiet präventiver Mediation und von Konfliktmanagementsystemen. Gemeinsam mit dem Unternehmer wird dabei die aktuelle Situation zunächst detailliert erfasst, ein umfassendes Konzept entwickelt, dieses dann idealiter mit der “nächsten Generation” abgestimmt, weiter entwickelt und implementiert. Kaum etwas verbindet mehr, als das gemeinsame Bestehen von Krisen. Ausgerüstet mit einem multidisziplinär erstellten Konzept, durchdachter und innovativer Gestaltungsansätze und einer Vereinbarung für die frühzeitige Handhabung von Konflikten, kann sich das Unternehmen so auch in der nächsten Generation optimal weiterentwickeln, unbelastet von destruktiven Auseinandersetzungen.”

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