Quo vadis?
In den vergangenen Jahren wurde viel Wert darauf gelegt, Unternehmen nach außen bestmöglich zu “verkaufen”. Marketingabteilungen wurden vergrößert, externe Berater und Agenturen wurden eingekauft und all das, um dem Unternehmen ein möglichst attraktives Image zu verpassen. Nach außen – nicht nach innen. Und auch nur für den Vertrieb. Denn die Wahrnehmung von Corporate Identity galt nur als komplexe Verkaufsstrategie, als Kommunikationsmethode, als eine Stellgröße für eine ganzheitliche Außendarstellung. Doch das ist im Zeitalter von Web 2.0 und immer knapper werdenden Personalressourcen nicht alles. Wie schon in einer vorangegangenen Veröffentlichung beschrieben, wird die CI nun auch für das Recruiting und die interne Mitarbeiterkommunikation immer wichtiger. Eigentlich zum alles entscheidenden Faktor . Hier soll es nur darum gehen, einmal aufzuzeigen, wie sich die CI als Marketinginstrument für das Recruiting auswirken könnte. [1]
Warum soll das wichtig sein?
Weil das immer schwerer werdende Recruiting von notwendigen Talenten zur Schlüsselgröße für die zukünftige Unternehmensentwicklung wird, Mitarbeitertypen nicht mehr grenzenlos matchen, weil die individualisierten Arbeitsumfelder immer mehr an Bedeutung gewinnen und letztlich die Interessen der Generation Y und Z [2] (die wir gerne als Nachwuchs in unsere Unternehmen einbinden wollen und müssen,) mit den Ansichten der älteren Mitarbeiter mitunter kollidieren. Und das Recruiting hört auch nicht bei den jungen Kandidaten auf. Es bezieht sich auch auf ältere Arbeitnehmer, die ihre jetzige Unternehmung verlassen wollen oder schlichtweg anderswo nicht gefragt sind, weil sie – und das ist mitunter immer noch ein Grund – zu alt erscheinen. Der Jugendwahn ist ungebrochen. Doch diese älteren Mitarbeiter gewinnen zunehmend an Bedeutung, denn sie werden mehr und mehr. Und ihre Erfahrung ist schon jetzt in vielen Unternehmen erfolgskritisch.
So wird die Akquise von neuem und / oder zusätzlichem Personal, wo immer mehr um immer weniger Ressourcen kämpfen, zunehmend auch zu einem Kostenfaktor. [3] Der “war for talents” wird zu einer Bilanzgröße, da die Personalkosten steigen werden. [4]
Ein guter Grund darüber nachzudenken, wie ich mich bei meiner Akquise von der Konkurrenz abheben will. Und die Kommunikation dieser Alleinstellungsmerkmale, des Image, der Unternehmensstory und der eigenen Ziele zum potentiellen Mitarbeiter, unterliegt denselben Gesichtspunkten, wie der Verkauf des eigenen Produkts, der eigenen Leistung oder der Idee an sich.
Nichts Neues, könnte man jetzt sagen. Doch warum passiert es nicht?
Weil im Hinterkopf immer noch der Gedanke vorherrscht, dass Personal allgemein verfügbar ist – bis auf ein paar Funktionen und Rollen, die halt etwas schwerer zu besetzten sind. Daher auch das gesteigerte Interesse vieler Unternehmen an einem besseren Recruiting. Doch mal ehrlich: Wo ist denn der Unterschied zu dem Vorgang zu sehen, andere dazu zu bewegen, etwas bei mir zu kaufen und dem Wunsch, ihn dazu zu bewegen, bei mir zu arbeiten? [4] Letztlich läuft beides auf das Gleiche hinaus: Ich muss selbst aktiv werden, ich muss bessere (/ andere) Argumente als andere haben, und ich muss sie dort kommunizieren, wo ich eine hohe Trefferquote habe.
Aktiv werden heißt hier aber ganz klar, ICH muss auf andere zugehen. Die dazu notwendigen Methoden, Instrumente und Mechanismen sind erforscht, hinlänglich erprobt und überall zu haben: das Marketing. Und als ganzheitliche Strategie die Corporate Identity, mit ihren inzwischen zahlreichen Ausprägungen. Natürlich unter der Prämisse dessen, was das Marketing in den letzten Jahrzehnten erreicht hat: den serviceorientierten Vertrieb. Das heißt nichts anderes, als dass es der Verbraucher (hier: das mögliche Talent) gelernt hat, darauf zu warten, dass er umschmeichelt wird. Mit Information, Proben, News, Zusatznutzen (z.B. umweltschonende Produktion) und ggf. sogar mit Unterhaltung(!). Manchmal weiß das Talent gar nicht, dass es dazu fähig ist, bei mir zu arbeiten. Ebenso wie der Verbraucher gar nicht daran denkt etwas zu kaufen, bis man ihm aufgezeigt hat, dass er es mal probieren solle. Der dazu ganzheitliche Ansatz, stringent, systemisch und aufeinander aufbauend, ist das, was Corporate Identity ausmacht. Und es ist fast überall in verschiedenen Reifegraden implementiert. Es wartet quasi darauf, genutzt zu werden. Als Instrument, das jetzt nicht Kunden anlocken und binden soll, sondern Mitarbeiter, Auszubildende oder ganz spezielle Talente, ohne die mein Unternehmen nicht wachsen kann.
Während der Vertriebler und Key-Account Manager die Gesichter des Unternehmens zum Absatzmarkt hin sind, sind es die Recruiter zum Personalmarkt. Sozusagen die Speerspitze des Unternehmens. Und ebenso, wie der Salesmanager nicht losgelöst von der Unternehmensrealität verkaufen kann, so kann der Recruiter nicht etwas versprechen oder kommunizieren, was nicht recherchierbar ist. Denn die Interessenten haben das, was früher in volkswirtschaftlichen Modellen von Betriebswirten als Annahmen immer gern belächelt wurden: vollkommene Markttransparenz und quasi unendliche Transaktionsgeschwindigkeit beim Informationsaustausch! Im Zeitalter der Social Media, Web 2.0 und Twitter sind gute wie auch schlechte Unternehmensbeurteilungen schneller gemacht, als man das als Unternehmen will. [2]
Es gibt sogar Unternehmen(smodelle), die dazu regelrecht auffordern. Allein bei Xing besteht schon die Möglichkeit, seinen Arbeitgeber zu bewerten. Und dieses Ergebnis (1-5 Sternchen) wird dann der dort befindlichen Unternehmensseite beigestellt. Zusätzlich zu dem Durchschnittsalter der Mitarbeiter, deren Sprachkenntnissen und Nationalitäten, verbunden mit der Aufforderung, vielleicht mal den eigenen Kontakt XY zum Unternehmen kontaktieren zu können… Wenn ich dieser “Willkür” als Unternehmen begegnen möchte, muss ich aktiv Inhalte, News und Fakten posten. Multimedial, zeitgleich und professionell. Und ich muss überall da auffindbar sein, wo mögliche Mitarbeiter zu finden sind.
Ich muss lernen, Mechanismen zu entwickeln, um auch “schlechte Bewertungen und Kommentare” handhaben zu können, ohne in die “cholerische Herzinfarktmentalität” abzugleiten. Das, was als Corporate Communication so schön klingt, ist im Zeitalter der sogenannten “neuen Medien” (und die sind nun auch schon sehr alt) wesentlich komplizierter geworden. Es gibt mehr Kanäle und mehr Medien, die ich gleichzeitig abdecken muss, es gibt mehr Resonanz (und nicht immer gute) und ich kann die Meinungsbildung nicht steuern. Ich kann sie anregen, anstoßen und bestenfalls etwas mit Inhalten beeinflussen, aber niemals wieder die generelle Richtung umstoßen.
Unternehmen, die nicht verstehen, dass ohne ihr Zutun dann auch andere das Unternehmen nach außen hin darstellen, werden es schwer haben. Sie werden der Entwicklung hinterherhinken. Immer. Eine Charming-Offensive gewinnen zu wollen, wenn der Ruf darniederliegt, ist um einiges teurer, als rechtzeitig ein paar geeignete Weichen zu stellen. Diese Weichen, ganzheitlich, geplant und eigeninitiativ gestalten zu können, werden für den Recruiter wesentlich und erfolgskritisch sein. Denn es wird das beeinflussen, was er an Meinung bei Interessenten und Bewerbern vorfinden wird. Denn diese werden über das Unternehmen fast genauso viel wissen, wie der Recruiter über den Bewerber. Selbst die Gesprächspartner des Bewerbers sind mitunter gläsern: via Xing und anderen Portalen sind die aktuellen und selbst gepflegten(!) Viten, Veröffentlichungen und Vorträge fast immer auffindbar. [2]
Die alte Informationsüberlegenheit der Unternehmen zum Bewerber ist nicht mehr existent!
Wie ich mit dieser Tatsache umgehen will, wird entscheidend dadurch fundamentiert, wie ich die schon vorhandene Corporate Identity des Unternehmens nutze, um meine Sicht der Dinge in den Personalmarkt zu tragen. Abgestimmt mit dem, was das Marketing macht, um die Leistungen des Unternehmens zu vermarkten. Denn das muss Hand in Hand gehen. Abgestimmt sein. Bis ins kleinste Detail. Nichts ist schlimmer als ein Split in der Wahrnehmung. Außer natürlich der inhaltliche Bruch zwischen kommuniziertem Bild und der gelebten Unternehmensrealität. Die daraus resultierenden Unternehmensbewertungen von Mitarbeitern und Ehemaligen im www sind dann als gegeben anzusehen. Und im Rahmen der gern gelebten (und auch garantierten) Anonymität oft alles andere als undeutlich…
Und diese Anonymität sollte sich auch nicht im Social Media Profil der Recruiter niederschlagen. Dort ist das Profil vom Recruiter genauso zu handhaben, wie er es gerne beim Talent sieht. Oder sehen würde. Interessenten suchen in den Social Media auch nach den Personen, die als Ansprechpartner hinterlegt sind. Und findet er diese, aber ohne Bild, nichtssagenden Beschreibungen aber mit Unternehmensangabe, dann differenziert er nicht zwischen Privatprofil und Geschäftsprofil. Ergo fällt das fehlende oder “unvollständige Profil” auf das Unternehmen zurück.
Wer von seinen Interessenden/Bewerbern/Talenten ein recherchierbares Profil wünscht, der hat selbst eines anzubieten.
Die CI ist dafür verantwortlich, dass sich das Unternehmen nach außen hin ganzheitlich darstellen kann. Und wenn der Personaler zunehmend auch zum Vertriebler für das Unternehmen wird, dann unterliegt er denselben Gesichtspunkten wie ein Sales Repräsentant.
Und dieser will (muss) ein Gesicht haben. auf der Homepage und in den korrespondierenden Web-Profilen des Unternehmens. [1]
Ein HR-Mitarbeiter mit direkten Kontakt zu externen Ressourcen muss ein Gesicht haben. Denn das Marketing steht und fällt mit Menschen. Und eine CI ist von Menschen durch Menschen gestaltet, damit andere Menschen über sie mit ihnen kommunizieren, sich informieren und sich eine Meinung bilden können. Und diese Meinung in Sinne des eigenen Unternehmens beeinflussen zu können ist hier ein Schlüsselelement für das Personalmarketing. [5]
Quellen:
[1] Vgl.: Norbert Rohloff / Sascha Rauschenberger (2015): “Joint Future Work und Marketing: Die Gefahren einer getrennten Vertriebs- und Personalstrategie für Umsatz und Personalbedarfsdeckung” (Conplore Magazine)
[2] Vgl.: Sascha Rauschenberger (2014): “Future Work und Social Media: Die ‘digital native’ Generation Y und Z – Chance und Risiko” (Future Business Consulting)
[3] Vgl.: Sascha Rauschenberger (2014): “Demografischer Wandel und Future Work: Kostendruck für die Wirtschaft” (Future Business Consulting)
[4] Vgl.: Sascha Rauschenberger (2014): “Future Recruiting: Die Dimensionen des “War for Talents” in der Arbeitswelt der Zukunft” (Future Business Consulting)
[5] Vgl.: Sascha Rauschenberger (2015): “Joint Future Work – Ein strategisches Gesamtkonzept für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im demographischen Wandel ” (Future Business Consulting)