A n z e i g e n

Der verkannte Menschliche (Kostenstellen-) Faktor in Projektprozessen

Das Dilemma moderner Projektorganisation


 

Es könnte so schön sein, wenn er nicht wäre: der Mensch!
Denn der ist bekanntlich immer Schuld, wenn man sein Umfeld erst optimiert hat.

Vor fast zehn Jahren hat die Wirtschaft erkannt, dass die Projektorganisation mit der Linienorganisation besser verknüpft sein muss, um die Kernleistungen/-produkte prozessual in ihrer Entstehung besser optimieren zu können. Unsummen flossen in den Reifegrad der Projektorganisationen und ausgewählte Methodiken samt flächendeckenden Zertifizierungen der Mitarbeiter. Dass im IT-gläubigen Kommunikations- und Informationszeitalter auch diverse PM-Tools für fast jeden Anspruch nicht fehlen durften war selbstredend. Auch hier wurde investiert. Doch jetzt dringt langsam aber nachhaltig die Erkenntnis durch, dass etwas aus dem Ruder läuft. Projektorganisationen werden ineffizient. Die Projektprozesskosten steigen. Immer mehr Sammelkostenstellen schwellen unkontrolliert an und Projekte, die eigentlich rund laufen müssten, laufen trotz Methodik, trotz hohem Reifegrad und trotz aller Toolunterstützung out of Budget, Time oder Quality. Was stimmt nicht?

Die Antwort ist recht simpel, wenn man ganz zu dem Zeitpunkt zurückgeht,
wo dieses Phänomen ursächlich begonnen hat. Das war Ende der 90er…

Damals war das Trendthema Prozessmanagement. Man hatte erkannt, dass in komplexen und miteinander verflochtenen Unternehmensorganisationen immense Kosteneinsparungspotentiale lauern, wenn es gelingt die Prozessketten aufeinander abzustimmen. Dazu musste man aber in der Lage sein, zuerst alle Prozesse aufzunehmen, abzubilden und zu begreifen. Das stellte sich schnell als ein hoffnungsloses Unterfangen heraus, da es mit herkömmlichen Herangehensweisen Jahre dauern konnte, bis alle Prozesse dokumentiert und ausgewertet waren. Allein dieser Zeitansatz führte das Unterfangen ad absurdum, da sich die Geschäftsprozesse damals wie heute immer schneller veränderten.

Schnell kam man auf den Gedanken, dass man – quasi als Hilfsgrösse – die Kostenstellen nehmen müsse. Diese waren, dank der schon eingeführten ERP-Systeme, sofort auswertbar, wenn es gelang, diese Kostenstellen zusammenhängend und visualisiert abzubilden. Diese Innovation hatte damals das Tool ARIS von IDS Scheer auf den Markt gebracht. Nun wurde es möglich Kostenstellen in prozessualen Zusammenhängen aufzuzeigen. Man konnte – wenn man wollte – mit dem Finger an der ausgedruckten reliefartigen Prozesskette meterlang entlangfahren und alle Querverästelungen sehen. Die eigentliche Voraussetzung, auch Prozessketten optimieren zu können. Denn der Mensch kann nur das richtig und umfassend begreifen und dann optimieren, was er auch sieht.

 

Der Faktor Mensch


 

Und das machen wir bis heute. ERP-basierende BPM-Tools gewinnen an Bedeutung und versprechen nach wie vor eine bessere Visualisierung und auch Quantifizierung der Prozessorganisation. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden die Linienorganisationen optimiert und damit auch die Projektorganisationen in ihrem Zusammenspiel mit der Linie strukturiert. Je nach Grösse der Unternehmen wurden diese Prozesse dann automatisiert und/oder mit Workflows hinterlegt. Ziel war es, die den Kostenstellen zugeordneten personen- und organisationsbezogenen Rollen im Unternehmen optimal zu verknüpfen, den Ablauf zu beschleunigen, die Dokumentation zu verbessern und somit mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Kürzere Bearbeitungszeiten und optimierte Abläufe soll(t)en Kosten einsparen. Vorgaben sollten besser erfüllt und in der Abarbeitung verifizierbar (revisionssicher) sein womit die prozessuale Planungssicherheit insgesamt erhöht werden konnte. Und das setzte eine neue Annahme voraus. Da die Prozessorganisation nur über die ERP-getrackten Kostenstellen abbildbar und damit auch nur optimierbar war, musste die Organisation für diese Optimierung angepasst werden. Damit kamen Rollenmodelle ins Spiel, mit denen die Mitarbeiter auf die prozessual-organisatorischen Erfordernisse der Kostenstelle zugeschnitten werden konnten. Der individuelle Mensch wurde also als ausführende Größe in ein fixes System gepackt. Daher dann auch der Wunsch nach einer hinterlegten Methodik und damit einhergehenden Zertifizierungen. Quasi eine Art Führerschein für die Prozesskette – besonders im PM.

Doch mit der Globalisierung, dem weltweiten Outsourcing von Services kamen dann neue Elemente ins Spiel, die so nicht mehr abgebildet werden konnten. Rollen (nicht mehr Menschen!), die nur noch virtuell interagieren. Zum Teil in Fremdsprachen bei denen alle Seiten keine native Speaker sind und mit völlig anderen kulturellen Background zusammenarbeiten müssen. Doch was machen Menschen, wenn sie sich nicht verstehen? Sie zucken die Schulter, dokumentieren den Versuch und melden es weiter. Es werden Schuldige gesucht und nicht mehr Lösungen. Und das ruiniert die schlanken Prozesse. Es führt zu erneuten Abstimmungen, Zyklischen Abläufen, Abbrüchen und erhöhtem Stress in der Gesamtorganisation. Oder warum sonst ist das Burn-out inzwischen ein fester Begriff in der Unternehmenslandschaft geworden?

Warum ist das so?
Weil wir etwas grundlegend falsch gemacht haben.

Warum hatten wir ursprünglich eine Projektorganisation geschaffen? Wir wollten neben der Linie eine schnell reagieren könnende, schlanke, von der Linienorganisation möglichst unabhängige Arbeitsweise etablieren, die schnell, kreativ und dynamisch an sich ändernde Markterfordernisse angepasst werden konnte. Also eine Organisationsform, die die Flexibilität, Kreativität und die Gruppendynamik des Menschen an sich als Kernelement genommen hat. Man vertraute auf die Lösungskompetenz von proaktiven Gruppen. Auf kurze Kommunikationswege und soziodynamische Faktoren der Selbst- und Gruppenregulierung…

 

Realität der Projektorganisation


 

Was ist aus daraus geworden?

Eine Projektorganisation, die arbeitsteilig in der globalisierten Matrix arbeitet, über Work-flows kaum noch Sozialkontakte in einer virtuellen Projektlandschaft schafft/ermöglicht aber dafür mit oft starren Rollen, Reportingwegen und Richtlinien für alles und jedes arbeitet und den Mensch wie im ursprünglichen Taylorismus letztlich als Arbeitseinheit sieht, der innerhalb möglichst kurzer Zeit viele standardisierte Arbeitsabläufe zu bewältigen hat. Das Zeitintervall wird zur Abrechnungsgröße für die Kostenstellen, in der der Mensch sich in seiner Rolle einzufinden hat. Und das in der Taktung, die der Finanzmarkt (nicht unbedingt die auf den Markt gerichtete Prozessorganisation!) gerade in börsennotierten Unternehmen vorgibt. Die jederzeitige Kenntnis über die Finanzen ist zum eigentlichen prozessorganisatorischen Treiber geworden. Unternehmensweit. Und damit auch in der Projektorganisation, die in vielen Unternehmen inzwischen deckungsgleich mit der Linienorganisation ist, über die sie mehrdimensional in der Matrix arbeitet. Die kurzfristige Optimierung der Finanzinformation ist zur Maxime geworden, ohne lang- oder mittelfristige Ablauforganisationen hinreichend zu berücksichtigen. Und diese Anonymität der agierenden Menschen in ihren (oft nur virtuell erlebbaren) tayloristischen Rollen führt zu etwas, was wir als Menschen wahrnehmen. Ein Verlust von Individualität!

Stetig fortschreitende Lücken in der Prozessorganisation, die durch Tools nicht abzudecken sind (eher im Gegenteil, da neue Tools den Prozess eher zu beschleunigen scheinen; Tool-Verweigerungsrate!) schaffen immer größeres Chaos in den Prozessketten und Serviceabläufen. Dabei entsteht eine andere – neue – Form der Leistungsanpassung unter Druck in einer immer starreren Organisation: Die neue Kollegialität! Kollegialität, der Aufbau von internen Netzwerken und sog. Seilschaften zur gegenseitigen Karriereförderung. Während Kollegialität eine menschliche Form der gruppendynamischen Zusammenarbeit ist, also etwas was das Menschsein ausmacht, und Netzwerke einen modernen Begriff für Beziehungsmanagement darstellen, ist der letzte Teil etwas, das eher kontraproduktiv ist. Alleiniges Karrieredenken und daraus resultierende Seilschaften von Gleichgesinnten führen zu prozessual ausgestalteten Mechanismen des „nicht verantwortlich Seins“. Es führt zum bewussten Verdrängen / Ignorieren von prozessualen Zusammenhängen, die zwar bekannt sind, aber zu lösen als „politisch wenig opportun“ erscheinen. Somit werden Prozesslücken zum kostentreibenden wenn auch „bequemem“ Standard. Ein Standard aber, der neue Lücken aufreißt.

Und genau diese Schwachstellen vermehren sich momentan sehr schnell. Zum einen fehlt es zunehmend an einem interdisziplinären Überblick in den Projektlandschaften und zum anderen ist auch festzustellen, dass die zugehörige Konfliktfähigkeit oder die politisch gefühlte Opportunität fehlt diese überhaupt angehen zu wollen. Folglich ist es elementar wichtig, bei zukünftigen Bewertungen von Projektorganisationen die tatsächlichen arbeitsprozessualen Gegebenheiten, die durch die Projektmitarbeiter real gelebt werden, in Optimierungsbemühungen mit einzubeziehen. Denn nur so werden die realen Zusammenhänge, Abläufe und PM-Erfordernisse wirklich klar. Die Gesamtheit dieser Erkenntnisse, die ausgewählte Methodik und der hinterlegte / erreichte Reifegrad der Projektorganisation wird dann schlussendlich auch besser monetär abgebildet werden können. Doch das ist eher Beiwerk. Zunächst einmal ermöglicht es eine ganzheitliche Bewertung der Projektorganisation am wesentlichsten Element ihrer Wertschöpfung: Dem Menschen…

 

Paradigmenwechsel


 

Doch wie will man das herausbekommen?

Wieso nicht den fragen, dessen Wirken man letztendlich optimieren will?
Den momentan prozessual störenden Menschen…

Das schließt den Kreis. Vor zwanzig Jahren führten eben diese Befragungen zu der Erkenntnis, dass zigtausende von Fragen notwendig sind, um die Geschäftsprozesse ganzheitlich zu erfassen. Auch war das dann allein aus quantitativer Sicht nicht mehr auswertbar. Selbst dann nicht, wenn man schnell fertig geworden wäre. Daher kam das Hilfsmittel der ERP-basierenden und visualisierten Kostenstellenauswertung doch überhaupt erst zum Tragen. Doch ist die Projektorganisation, also nur ein Teil aller Prozessketten, wirklich so groß, als dass man sie nicht mit einem gezielt erstellten Fragenkatalog, in dem bewusst humanlastige Fragen zum Arbeitsverhalten, zur querschnittlichen Zusammenarbeit, zum Kommunikationsverhalten und zu anderen Aspekten real gelebter Projektarbeit gestellt werden, mit den üblichen Fragen zu Methodik und Reifegrad hinreichend genau verbinden könnte? Zumal wir doch wissen, worauf wir zu achten haben als diejenigen, denen die Fehler in solche Projektprozessketten als erstes vor die Füße fallen.

Welche Fragen könnten wichtig sein, beleuchtet zu werden?

Fragen nach der Nachhaltigkeit oder bloßen Machbarkeit der PM-Rollen auch über Beschäftigungsverhältnisse jenseits der 60 hinweg. Nach burn-out-relevanten Strukturen, die durch zyklische, prozessual falsch gesteuerte Tretmühlen entstehen. Nach Kommunikationsschnittstellen, wo Mitarbeiter rein virtuell, interkulturell und multilingual zusammenarbeiten müssen. Nach den Möglichkeiten, individuell Innovationen in die PM-Organisation einbringen zu können, auch ohne Rollenbeschränkungen. Oder nach der bloßen Frage, ob das alles gern gesehen ist, gelebt und auch gefördert wird.

In den nächsten Jahren kommen zahllose Veränderungen auf die Unternehmen zu. Zwei der größten sind mit Sicherheit einerseits das zunehmende Lebensalter der Mitarbeiter in den Wertschöpfungsketten, die andere ist der schrumpfende Personalmarkt andererseits. Auf Zuwanderung qualifizierter Experten ist nur begrenz zu hoffen, da es staatlicherseits mit Sicherheit Bestrebungen geben wird mit gesetzlichen Normen aus Finanzierungsgründen zunächst einmal ältere Mitarbeiter real weiter zu beschäftigen. Das allein wird zu völlig anderen Rollen- und Karrieremodellen führen müssen, die dem Lebensalter angepasst sind. Andererseits ist es notwendig, auch genau das Expertenwissen der älteren im Unternehmen verfügbar zu halten. Oder an die jüngeren Kollegen, ggf. mit Migrationshintergrund, angemessen weiter zu geben. Doch vordergründig wird es jetzt schon entscheidend sein, die momentanen Lücken und Fehler in der Projektprozessorganisation zu beheben. Hier lauern zunehmend Risikofaktoren für den Unternehmenserfolg.

 

Fazit:

Wenn es nicht wieder gelingt, große, komplexe und global/nicht regional dislozierte Projekte oder Projektportfolios ganzheitlich über das gesamte Unternehmen auch querschnittlich (Matrix) steuern zu können – und Schwierigkeiten sind schon jetzt erkennbar – dann werden wir zunehmend Wettbewerbsnachteile zu denen haben, die die Projektorganisation schneller auf ihre Ursprünge zurückführen können. Und diese sind nach wie vor die menschliche Flexibilität, die menschliche Kreativität, das menschliche Zusammenarbeiten, die menschliche direkte Kommunikation und Interaktion sowie die menschliche Innovationskraft von Gruppen (Teams).

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