I. Aktuelle Rechtslage
I.A. Das Mediationsgesetz
Am 21.07.2012 wurde das Mediationsgesetz verabschiedet und am 26.07.2012 trat es in Kraft. Das Gesetz beschreibt in den §§ 1 bis 4 zunächst die Anforderungen an ein Mediationsverfahren, die Rechte der Medianten und die Pflichten der Mediatoren.
Erst in § 5 des insgesamt neun Paragraphen umfassenden Gesetzestextes äußert sich der Gesetzgeber zur Aus- und Fortbildung eines Mediators bzw. zum zertifizierten Mediator.
In § 5 Absatz 1 MediationsG wird klargestellt, dass der Mediator in eigener Verantwortung sicher stellen muss,
dass er eine geeignete Ausbildung erhält bzw. erhalten hat.
Die Themengebiete, die eine solche Ausbildung mindestens umfassen müssen, werden in § 5 Absatz 1 Ziffern 1 bis 5 MediationsG aufgezählt.
Eine staatliche Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung dieser Kriterien ist nicht vorgesehen. Der Staat vertraut in diesem Punkt auf die “Selbstkontrolle” des Marktes.
“Mediator” darf sich daher jeder nennen, der eine “geeignete” Ausbildung zu den im Gesetz genannten Themen durchlaufen hat – wie immer diese Ausbildung auch ausgesehen haben mag.
Erst in § 5 Absatz 2 MediationsG schreibt der Gesetzgeber vor, dass sich “zertifizierter Mediator” nur nennen darf, wer eine Ausbildung abgeschlossen hat, die den Anforderungen der – am 21.08.2016 erlassenen – Rechtsverordnung nach § 6 MediationsG entspricht.
Die Anforderungen an die Fortbildungsverpflichtung des zertifizierten Mediators soll sich ebenfalls nach §§ 5 Absatz 3, 6 MediationsG in Verbindung mit der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – ZMeditAusbVO) richten. Hierbei gibt § 6 des MediationsGes den Inhalt oder den Rahmen für die Verordnung vor. Die §§ 7 bis 9 des MediationsGes beschäftigen sich zum Abschluß mit der Forschung, der Evaluierung des Gesetzes und den Übergangsbestimmungen.
I.B. Die Rechtsverordnung
Die insgesamt acht Paragraphen umfassende Rechtsverordnung regelt in seinem § 1 zunächst drei Bereiche: die Ausbildung zum zertifizierten Mediator, dessen Fortbildung sowie die Anforderungen an die ausbildenden Stellen.
§ 2 Absatz 1 der ZMeditAusbVO weist ausdrücklich darauf hin, dass sich “zertifizierter Mediator” nur nennen darf, wer eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen hat. Damit ist der Titel – im Gegensatz zum zertifizierten Coach, für den es keine vergleichbare gesetzliche Regelung gibt – rechtlich geschützt.
Die Ausbildung zum zertifizierten Mediator setzt sich zusammen aus:
- einem 120 Präsenzzeitstunden (1 Zeitstunde = 60 Minuten) umfassenden Ausbildungs-Lehrgang zu bestimmten detailliert im Anhang der Rechtsverordnung vorgegebenen Themen mit praktischen Übungen und Rollenspielen und einer Einzelsupervision – während der Ausbildung oder innerhalb eines Jahres nach dessen erfolgreicher Beendigung – im Anschluss an eine als Mediator oder Co-Mediator durchgeführten Mediation.
Hierüber ist von der ausbildenden Stelle eine entsprechende Bescheinigung auszustellen. Nicht mehr und nicht weniger. Der zertifizierte Mediator entscheidet selber, ob er die Kriterien der Rechtsverordnung tatsächlich erfüllt.
Er zertifiziert sich quasi selber. Eine zentrale Prüfstelle gibt es nicht.
Die Fortbildungsverpflichtung des zertifizierten Mediators wird in den §§ 3 und 4 der Rechtsverordnung geregelt (Vertiefung und Aktualisierung der eigenen Kenntnisse 40 Zeitstunden in vier Jahren; 4 Einzelsupervisionen von selbst mediierten oder co-mediierten Fällen innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der Ausbildung).
§ 5 der Verordnung beschäftigt sich schließlich mit den Aus- und Fortbildungseinrichtungen. Danach müssen die Lehrkräfte neben einem berufsqualifizierenden Abschluß einer Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss auch über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügen.
Eine Besonderheit beinhaltet § 6 der ZMeditAusbVO. Danach darf sich auch als zertifizierter Mediator bezeichnen, wer im Ausland eine Ausbildung zum Mediator im Umfang von mindestens 90 Zeitstunden abgeschlossen und anschließend als Mediator oder Co-Mediator vier Mediationen durchgeführt hat. Einzelsupervisionen sind nicht erforderlich. Für Mediatoren, die ihre Ausbildungslehrgänge vor dem Erlass des MediationsGes bzw. vor dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung bereits abgeschlossen haben, gelten Übergangs-reglungen nach § 7 der ZMeditAusbVO.
I.C. Fazit
“Mediator” darf sich schon heute jeder nennen, der eine geeignete, d.h. den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Ausbildung auf bestimmten Gebieten erhalten hat. Eine staatliche Überprüfung gibt es nicht. “Zertifizierter Mediator” darf sich nach dem Gesetz zur Zeit noch niemand nennen – auch diejenigen Mediatoren nicht, die die Ausbildungsanforderungen gemäß der §§ 5 Absatz 2, 6 MediationsG in Verbindung mit der ZMeditAusbVO erfüllen – da die Rechtsverordnung erst zum 01.09.2017 in Kraft tritt.
II. Kritische Würdigung
Der Markt hat sich anscheinende schneller entwickelt, als es dem Justizministerium möglich war, die Rechtverordnung zu erlassen. Voraussetzung für den zertifizierten Mediator ist nach der Verordnung die Einzelsupervision einer ‘Mediation’, die der Aspirant als Mediator oder Co-Mediator durchgeführt haben muss. Welche Art der ‘Mediation’ hat der Gesetzgeber bzw. haben sich die für den Erlass der Rechtsverordnung zuständigen Gremien vorgestellt?
Fällt hierunter auch schon die von den Rechtsschutzversicherungen forcierte Telefonmediation oder die von den angehenden Mediatoren im Rahmen der Ausbildung getätigten Mediationsrollenspiele, die sie als verantwortlicher Mediator geleitet haben?
Welchen Umfang soll die geforderte Einzelsupervision haben? Hierüber macht die Verordnung keine Angaben. Reicht da im Zweifel schon ein ausführlicheres Telefonat mit einem Kollegen?
Was folgt, wenn der Mediator innerhalb der vorgegebenen zwei Jahre anstatt der geforderten vier Mediationsfälle nur drei Fälle akquirieren kann? Verfällt dann auch der Ausbildungslehrgang? Muss er einen solchen Lehrgang ein weiteres Mal besuchen und dann nochmals versuchen, innerhalb von zwei weiteren Jahren die Mediationsfälle in der vorgeschrieben Anzahl zu akquirieren?
Eine ähnliche Problematik findet sich bei der 40stündigen Fortbildungsverpflichtung innerhalb von vier Jahren. Hat der zertifizierte Mediator, sofern er diese Stundenzahl nach den vier Jahren nicht erfüllt hat, den Titel in der Zeit davor damit dann zu Unrecht geführt? Macht er sich am Ende gar schadenersatzpflichtig, weil er als ‘zertifizierter Mediator’ Mediationen durchgeführt hat, ohne – rückblickend betrachtet – einer gewesen zu sein?
Hier hat der Verordnungsgeber meines Erachtens die Konsequenzen seiner Vorgaben nicht stringent bis zum Ende durchdacht.
Manche Verbände haben inzwischen eigene Kriterien für die Erlangung des “Titels” “zertifizierter Mediator” entwickelt. Auch hier darf der Titel “zertifizierter Mediator” aus meiner Sicht nicht geführt werden, da er durch die zur Zeit noch bestehende Rechtsverordnung geschützt ist.
Es gab den Versuch der Verbände, eine Stiftung unter Beteiligung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dem Deutschen Anwaltsverein (DAV), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesnotarkammer (BNotK), eine “Gemeinsame Anerkennungsstelle für Mediationsausbildungen” (GAMA) nach der Mediationsverordnung zu gründen. Mit der guten Absicht, mit einem einheitlichen Standard eine bessere Orientierung über Qualitätsstandards in der Mediation für Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten. Der Gedanke einer Stiftung wurde nicht weiterverfolgt, da u.a. BRAK und DAV rechtliche Bedenken hatten und DIHK und BNotK ihre Mitarbeit erst einmal nicht zusagen wollten.
Die Mediationsverbände BAFM, BM, BMWA, DFfM und DGM haben Anfang diesen Jahres 2017 verlauten lassen, nunmehr an gemeinsamen Standards zu arbeiten, die die Anforderungen der Mediationsverordnung berücksichtigen, aber an einigen Stellen darüber hinausgehen sollen.
Man darf gespannt sein, wie eine bessere Orientierung über Qualitätsstandards in der Mediation für Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen werden und welche eigenen Gütesiegel sich die Verbände in Zusammenhang der Mediationsverordnung zulegen. Die Verwendung der Qualifikation “zertifizierter Mediator” erscheint in diesem Zusammenhang rechtsmißbräuchlich. Unabhängig davon stellt aus meiner Sicht die in der Mediationsverordnung vorgesehene “Selbstzertifizierung”, keinen Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher dar.
Der erhebliche – auch finanzielle – Supervisions- und Fortbildungsaufwand wird unter Umständen dazu beitragen, dass durchaus ‘begabte’ Mediatoren auf eine Zertifizierung verzichten – müssen. Das wäre sehr schade. Steht doch zu befürchten, dass auch hier eine verzerrende Konzentration des Marktes auf die wirtschaftlich Stärkeren stattfinden wird.
Wirtschaftliche Stärke ist jedoch nicht immer ein Garant für Qualität, die gerade bei der Mediation auch in der Fähigkeit des Mediators zur Empathie besteht.
Es wird vermutlich auch nur eine Frage der Zeit sein, wann der erste Mediator, der seine Ausbildung in Deutschland absolviert hat, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung versuchen wird, die Rechtsverordnung wegen seines § 6 zu kippen. Werden hier doch ausländische Ausbildungen “bevorzugt”, weil sie bei geringerem Aufwand in Deutschland ohne weiteres anerkannt werden.
Zumindest wird hier einem sicher nicht gewollten “Ausbildungstourismus” Tür und Tor geöffnet.
Zu befürchten ist auch, dass die inländischen Ausbildungsstandards, um die seit vielen Monaten und Jahren gerungen wird, damit sich die Mediation auch in der Öffentlichkeit als verlässliches Instrument der außergerichtlichen Konfliktlösung etablieren lässt, dadurch unterlaufen werden.
In der Literatur werden bereits jetzt Stimmen laut, die sich für eine Verschiebung des Termins zum Inkrafttreten der Rechtsverordnung und für eine nochmalige Überarbeitung derselben nach der noch in 2017 anstehenden Evaluierung des Mediationsgesetzes einsetzen.
Nach alledem erscheint es doch recht fraglich, ob der ‘zertifizierte Mediator’ das erhoffte Gütesiegel ist, welches ursprünglich mal zum Ziel gemacht worden war. “Zertifizierungen” werden üblicher Weise von unabhängigen Stellen vergeben und richten sich nach festgelegten Standards. Von beidem ist sowohl die ZMeditAusbVO als auch das MediationsG weit entfernt. Der Mediator zertifiziert sich in diesem Falle nach eigener Einschätzung selber. Ein den Markt verwirrendes Marketinginstrument ist diese Bezeichnung aber allemal.
Dem werden die größeren Verbände voraussichtlich dadurch abhelfen, in dem sie ihrerseits privatrechtliche Zertifizierungsstellen schaffen, deren Anforderungen dann deutlich über denen der Rechtsverordnung liegen dürften. Inwieweit hier eine Einheitlichkeit und Überschaubarkeit für den potentiellen Kunden einer Mediation erreicht werden kann, bleibt vor dem Hintergrund fraglich, dass sich die betreffenden Institutionen und Verbände bisher nicht auf die Schaffung einer gemeinsamen Akkreditierungsstelle für die Ausbildung zum zertifizierten Mediator einigen konnten.
Zu unterschiedlich sind die verschiedenen Interessen der beteiligten Gruppen. Es reicht eben nicht, im gleichen Boot zu sitzen – man muss schon auch in die gleiche Richtung rudern, um zielorientiert vorwärts zu kommen. Der Rechtsausschuss wird daher jetzt die Erforderlichkeit einer Zertifizierung durch eine staatliche Stelle prüfen.
Damit ist die Frage nach dem “zertifizierten Mediator” noch lange nicht beantwortet und mit weiteren Änderungen sowohl der Gesetzes- wie auch der Verordnungslage wird zu rechnen sein. Damit wird voraussichtlich auch einhergehen, dass das Justizministerium die auf dem bisherigen Recht fußende ZMeditAusbVO, die am 01.09.2017 in Kraft treten soll, vorher zurückziehen wird.
Da es in der Mediation aber seit jeher in erster Linie auf das Vertrauen zwischen Mediator und Medianten ankommt, wird die persönliche Empfehlung und der Eindruck beim Erstkontakt auch weiterhin wichtiger bleiben als ein “Gütesiegel”.
Im Übrigen bleibt noch der Hinweis: Wer den Titel ‘zertifizierter Mediator’ schon jetzt führt, muss mit einer kostenintensiven Abmahnung durch entsprechend spezialisierte Anwälte oder Konkurrenten rechnen. Der Markt bereinigt sich von selber. Hierauf hat der Gesetzgeber von Anfang an spekuliert.