Die Abwicklung großer Vorhaben ist keine Errungenschaft unserer Tage und wurde schon vor der Prägung des Projektmanagementbegriffs durchgeführt. Man denke an den Bau der Pyramiden, den Turmbau zu Babel, die Errichtung der Chinesischen Mauer und der römischen Aquädukte, den Bau mittelalterlicher Kirchen und des Suezkanals, aber auch an logistisch aufwendige Feldzüge wie jener Alexanders des Großen. Alle diese Vorhaben weisen einen Einzel- bzw. Einmalcharakter auf. Die Koordination und Abläufe dieser Vorhaben sind uns meist nicht überliefert.
Die organisatorische Gestaltung repetitiver Prozesse dokumentierte man hingegen früher. Ein Beispiel sind die dokumentierten Rationalisierungsansätze für Manufakturen im 15.-16. Jahrhundert.[1] Nur ein früher Text Defoes (1697) über das Erfordernis von Projekten ist uns überliefert.[2] Seit Mitte des letzten Jahrhunderts schenkte man diesen “Vorhaben” jedoch in anwachsendem Maße und auf vielseitige Art und Weise eine besondere Aufmerksamkeit. Denn wirft man heute einen Blick in die Managementliteratur, ist von zunehmender “projectification”[3] oder bisweilen sogar von einer “projektorientierten Gesellschaft”[4] die Rede.
Tom Peters formuliert es überspitzt: “In the new economy, all work is project work.”[5]
System, Programm und Projekt
Die Projektontologie und der Projektmanagement-Kontext sind grundlegend für Entwicklung und Verständnis von Projektmanagement-Ansätzen. Das traditionelle Projekt- und Projektmanagement-Verständnis wurde durch einen Projektmanagement-Situationswandel um neue Perspektiven ergänzt. Projektmanagement wird somit zu einem Instrument zur Gestaltung produktiver sozialer Systeme (Projekte) und dient nicht nur der Aufgabenabwicklung. Projektmanagementelemente, als Gestaltungs- bereiche des Projektmanagements, werden im Projektmanagement-System zueinander in Relation gesetzt, das primär auf das temporäre Subsystem Projekt als Gestaltungsobjekt ausgerichtet ist. Das Projektmanagement-System steht aber auch in engem Bezug zum Managementsystem des Gesamtsystems.
“Im Grunde wird ein Projekt behandelt wie ein Mikro-Unternehmen, so dass gleich von Projektmanagement gesprochen werden kann.”[6] Diese Sichtweise ist insb. im innovativen Projektmanagementkonzept von zentraler Bedeutung.
Ausgehend von der Projektmanagement-Situation ergibt sich die Projektmanagement-Funktion. Adäquate Lehren sind ableitbar. Über den Konzeptgedanken wird eine Synopse von Managementproblemen und -lösungen möglich. Die prototypischen Managementkonzepte der klassischen Betriebsleitung, der neoklassischen Unternehmensführung und der modernen Systementwicklung bilden die Grundlage für die Entwicklung und Analyse von Projektmanagement-Konzepten. Dabei ist eine grobe Einteilung in traditionelle und innovative Projektmanagement-Konzepte möglich. Diese Untergliederung erlaubt eine differenzierte Betrachtung des (bis dato) primär neoklassischen Projektmanagement-Ansatzes. Die “spätklassischen” bis “frühneo- klassischen” Projektmanagement-Ansätze werden im Rahmen des traditionellen Projektmanagement-Konzeptes thematisiert, die “spätneoklassischen” bis zum Teil modernen Projektmanagement-Ansätze werden im innovativen Projektmanagement-Konzept analysiert.
Bewertung des Status Quo von Projektmanagement und -forschung
Die Pioniere des PM in den USA und der BRD waren stark technokratisch, d.h. an Instrumenten und Methoden ausgerichtet.[7] Diese Sicht dominiert das PM in der Theorie und zum Teil der Praxis bis heute. Komplexe, neue PM-Situationen und -Anwendungsbereiche bedingen, dass Howell und Koskela die zugrunde liegende Theorie des PM in vielen Fällen für veraltet halten und eine parallele Entwicklung von Praxis und Theorie fordern.[8]
“The ‘project approach’ has also confused many project enactors … they have realized that traditional techniques, well adjusted to the progress of ‘rational’, technical concepts, do not always fit so well in more turbulent organizational structures and environments, and in situations where the human component is less ‘programmable’.”[9]
Manager hätten die Notwendigkeit erkannt, vorherrschende Normen und Ideologien der Organisation, ihres Wirtschaftssektors und der Gesellschaft generell zu reinterpretieren, um ihre Rolle wieder zu bekräftigen.[10] Dem PM fehlt eine starke theoretische Basis. Zwar existiert ein extensiver Wissenskörper, der viele Werkzeuge und Techniken beinhaltet, er basiert aber nicht auf überprüften Hypothesen, sondern auf Vermutung und theoretisch unfundierter Empirie.[11] Maylor vermutet, dass wohl diese mangelnde theoretische Fundiertheit zu dem wenig erfolgreichen Versuch führte, PM als eigene Domäne in der Managementarena zu etablieren. Alle gut entwickelten Managementtheorien befänden sich im Rahmen einer oder mehrerer über Jahre erforschter und entwickelter Fachgebiete. Der akademischen PM-Disziplin fehle bisher ein starkes Argument für ihre Existenz.
“It should not strive to become a specialism that develops its own grand theories …, but echo the role that project managers take in practice and be integrators of knowledge and theory from all the other disciplines … focus on the task of making project management the point of integration.”[12] Dieser Satz beinhaltet ein wesentliches Charakteristikum des PM-Ansatzes – den Integrationsgedanken. In der Praxis erfolgt die Integration durch eine temporäre Durchbrechung permanenter Strukturen, Kulturen, etc. In der Theorie stehen derzeit zahlreiche Publikationen zusammenhangslos nebeneinander, und isolierte Projektbetrachtungen ohne die Beachtung des Projektkontextes sind die Regel. Bisher existieren nur wenige Integrationsversuche für Theorien im Bereich des Mehr- projektmanagements, auch wenn eine Integration zum Beispiel von Aspekten wie Strategien, Humanressourcen und Organisationsverhalten im PM generell wichtig wäre.[13] Einen Lösungsansatz würde die Entwicklung von PM-Konzepten darstellen, die verschiedene PM-Lösungen situationsspezifisch zu PM-Problemen zuordnen. Dieser Ansatz wurde von mir 2007 erstmals verfolgt (Diplomarbeit, siehe unten).
Formalisierte PMBOK (Project Management Bodies of Knowledge) erreichen eine Integration verschiedener Wissensgebiete nur begrenzt, und es besteht ein großes Potential für die Entwicklung der Schnittstellen für die Arbeit von Spezialisten. Der Nutzen einer Entwicklung eines formalisierten “Global BOK” ist fragwürdig.[14] Derartige Standards stehen nicht im Einklang mit der meist dynamischen, diversifizierten und komplexen Natur der Projektarbeit, die situationsadäquate Lösungen erfordert. Terminologie sollte der Alternativengenerierung dienen, den Diskurs steigern und nicht statischen Präskriptionen gleichen. Erweiterungen der Projekt- und PM-Ontologie und Reflexionen, wie sie die Skandinavische Schule anregt, sind zu befürworten, um dem engen, traditionell mechanistischen Instrumentalismus durch einen gesteigerten Diskurs zu überwinden. Cicmil und Hodgson halten die Skandinavier dabei für nach wie vor zu konservativ und nicht konsequent in ihren logischen Schlüssen.[15] Mit der Forschung zur Projektaktualität wird die Notwendigkeit der Untersuchung der tatsächlichen sozialen Prozesse, Denkprozesse und Verhaltensmuster in Projekten betont.[16]
Im aktuellen Trend des “Lean-Managements” und der dabei diskutierten Abflachung von Hierarchien wird trotz aller Kritik der Einrichtung projektorientierter Strukturen ein relativ hoher Stellenwert eingeräumt.[17] Starre Linienstrukturen (allein) sind einem marktlichen, wettbewerblichen Umfeld nicht gewachsen. Dem Zeit-, Kosten-, Qualitäts- und Innovationsdruck und dem Bedarf an Flexibilität und Reaktionsfähigkeit zur Abwendung von Bedrohungen bzw. zur Nutzung von Chancen des Marktes, werden Linienstrukturen allein nicht gerecht. Eine integrierende Nutzung des dezentral verteilten Wissens wird erforderlich, um z.B. die im System “schlummernden” Planungskapazitäten ausschöpfen zu können. Um Zeit (und somit Kosten) zu sparen, werden horizontale (Kommunikations-) Strukturen zumindest temporär unerlässlich. “The temporary-permanent dilemma, or the relation between the projects on the one hand and the permanent functionally organized units on the other hand, are always subject of importance.”[18]
Die zunehmende Orientierung an Geschäftsprozessen erfordert die Überwindung der Bereichsgrenzen durch Teams und Projektgruppen, d.h. eine Überlagerung der abteilungsbezogenen Primärorganisation durch projektbezogene Sekundär- strukturen.[19] Eine bereichsübergreifende Kooperation in Projektteams soll die sukzessive Vorgehensweise traditioneller funktionsorientierter Strukturen (throwing it over the wall) zugunsten einer stärkeren Parallelisierung und Integration projektbezogener Aktivitäten ablösen, um über verbesserte Informationsprozesse ein qualifiziertes Handeln zu gewährleisten.[20] Mit Projektgruppen wird häufig darauf abgezielt, die Systemkapazität bei Bedarf auf neue Problemstellungen zu fokussieren, ohne dabei die Standardorganisation aufzugeben. Diese Gruppenorganisation geht über Kollegienmodelle hinaus, weist aber “als Sicherungsprinzip eine zeitliche Befristung auf,”[21] da grundsätzlich jederzeit zu den alten Strukturen zurückgekehrt werden kann. Die hohe Eigendynamik und der verhältnismäßig hohe Aufwand bedingen, dass die Projektarbeit nur unter gewissen Voraussetzungen angewandt werden sollte. Es muss faktisch ein gegenseitiger Abstimmungsbedarf zur Problemlösung bestehen (simultaner Optimierung), und das Personal muss die Fähigkeit besitzen oder befähigt werden, die Projektarbeit durchzuführen.[22]
“Die Notwendigkeit, anerkanntermaßen die Mutter der Erfindungen, (…) regt gegen- wärtig die Verstandeskräfte der Menschen so lebhaft an, dass es durchaus nicht unpassend scheint, unsere Zeit (…) das Zeitalter des Projektmachens (…) zu nennen.”
Defoe, D., Ein Essay über Projekte (London 1697), 2006, S. 97.
Traditionelles Projektmanagement
Die traditionelle PM-Situation und -Funktion bilden die Basis für die Gestaltung der PM-Lehre, womit die Eignung des traditionellen PM auf bestimmte Anwendungsbereiche beschränkt ist. Alle Bausteine des Konzepts tragen klassische bis neoklassische Züge. Die Wissenschaften erleichtern das Verständnis der PM-Probleme und bieten Anregungen für ihre Lösung. Sie offenbaren den interdisziplinären Charakter der PM-Disziplin.
Traditionelle PM-Situationen und -Funktionen
Typisch sind im traditionellen Ansatz externe Projekte, die ein inhärentes Optimierungsstreben auf übergeordnete Zwecke hin charakterisiert. Die PM-Elemente des PM-Systems sind hierarchisch angeordnet (Projektpolitik à -planung à -organisation à -potential). Jedes Element dient zunächst allein dazu, die im Rahmen übergeordneter Elemente / Systemebenen entwickelten Ideen (Zwecke, Ziele, Vorgaben) in Realitäten (Mittel) ihres Gestaltungsbereiches umzusetzen. Alle Elemente sind somit nur Mittel zum Zweck. Im Vordergrund stehen bei Politik, Planung und Organisation vor allem strukturelle Fragen (Zielstruktur, PSP, etc.) und weniger die Prozesse zur Gewinnung dieser Strukturen.
Erst wenn die PM-Realitäten problematischer werden, gewisse Eigengesetzlichkeiten seitens der Mittel auftreten (z.B. durch die Entwicklung von Märkten) und sich Projektzwecke entsprechend wandeln, kommt es zu Rückkopplungen in der PM-Konfiguration und zwischen den Systemebenen. Das PM-Problem verschiebt sich vom zweckmäßigen Apparatebau hin zur Schaffung zweckmäßigen Verhaltens. Diese traditionelle Ausgestaltung ruft bis heute viel Kritik hervor. “Rather than moving away from rigid hierarchical controls by adopting project structures, we move towards loose agglomerations of Weberian ideal-type organisation.”[23] Die PM-Praxis trägt so zum Teil klassisch, bürokratische Züge im Sinne Webers.[24] Die Bildung separierter, gut kontrollierbarer Projekteinheiten diene der Schaffung von Macht und Unterdrückung.[25] “The paradox of PM is that it both simplifies and increases control, and creates rigidities and blinders. Much of this paradox arises from the relationship of PM practice to the institutionalization of instrumental rational action.”[26] Der traditionelle Projektansatz stellt einen Lösungsansatz für das Dilemma der konfligierenden, neoklassischen Managementprobleme dar, da er Effektivität durch die Integration spezialisierter Strukturen erreicht und durch die temporäre Begrenzung und hierarchische Binnenorganisation die Verhaltenskonformität sichert. Projektarbeit wird als Vermächtnis von Zeiten bürokratischer Kontrolle in post-bürokratischen Zeiten gesehen.[27] “Ironically, projects and project management are currently touted as a means to avoid the problems of large-scale bureaucratic organisations.”[28]
Innovatives Projektmanagement
Die Betrachtung des Projektes als temporäres Unternehmen führt dazu, dass Projekte, das PM und die PM-Elemente nicht mehr nur Mittel zum Zweck sind. Im PM-System wird die strenge Hierarchie zwischen den Elementen in Frage gestellt, da die strukturellen Elemente wesentlich zur Bestandserhaltung beitragen (Struktur = Strategie). Häufig definiert man vor der Planung Akteure und Rollen, die dann die Pläne erstellen (Organisation / Potential à Planung).[29]
Eine Trennung der Elemente und von Idee und Realität ist durch zahlreiche Integrationen zum Teil nicht mehr vorhanden bzw. sinnvoll. Auch das Wechselverhältnis zwischen Projekt (PM-System) und Gesamtsystem (Managementsystem) wird durch Rückkopplungen geprägt, das heißt, Projektstrategien können auch die Systemstrategien maßgeblich beeinflussen.[30] Die PM-Situation bedingt, dass viele Strukturen (Ziel-, Organisations-) zur Lösung der PM-Probleme geeignet sind.
Somit ist es sinnvoll, die PM-Lehre primär auf die Problemlösungsprozesse zu ver- lagern (z.B. politischen Prozess). Durch den unternehmerischen Charakter des Projekts und PM werden Selbstmanagementansätze (Selbstorganisation, -beurteilung, etc.) zentral. Konnte man im traditionellen PM das Dilemma zwischen Integration und Spezialisierung noch ausbalancieren, in dem man bei der Projekteinbettung die Linie nicht durchbrach und nur projektintern entdifferenzierte, erfolgt nun eine integrierende doppelte Durchbrechung der Linie bzw. eine Projektautonomie.
Innovative PM-Situationen und -Funktionen
Quelle: Eigene Darstellung.
Conclusio: Projektmanagementkonzepte haben “Modernisierungsbedarf”
Die scheinbare Omnipräsenz und die Signifikanz der Projektarbeit, sowie des Projektmanagements in sozialen Systemen resultiert aus der Fähigkeit des Ansatzes, die gegenüber klassischen Zuständen gesteigerte Komplexität und Dynamik der Systemumwelt bis zu einem gewissen Grad bewältigen zu können. Der Projektmanagement-Experte Frame stellte dazu fest: “Interestingly, project management is ideally matched to the new business environment. Project managers are experienced in ‘thriving on chaos’ (Peters, 1987), ‘managing in turbulent times’ (Drucker, 1980), ‘white water rafting’ (Vaill, 1989), ‘upside-down thinking’ (Handy, 1989), and ‘influence without authority’ (Cohen and Bradford, 1990).”[31]
Projektmanagement-Konzepte bieten einen Rahmen für die Integration der vielfältigen, unverbundenen, konkurrierenden PM-Ansätze und -theorien vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Grundlagen. Ein Großteil der bisher entwickelten Ansätze für die Projektarbeit und das Projektmanagement sind im Kern neoklassischer Natur, womit ihre Nutzung v.a. zur Lösung von neoklassischen Managementproblemen beitragen kann (Konsequenz). Derzeit gilt: “The project approach perhaps fits best in an unstable but centralized environment.”[32]
Die Einteilung in traditionelle und innovative PM-Konzepte erlaubt eine differenzierte, vom PM-Kontext abhängige Projektmanagement-Lehre – also keine Einheitslösung. Das ermöglicht die Darstellung der klassischen Projektmanagement-Anfänge und der modernen Weiterentwicklungsansätze. Die essentielle Bedeutung einer, bisher in der Literatur sträflich vernachlässigten Kontextualisierung der Projektmanagement-Lehren wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass verschiedene Projektmanagement-Situationen mit anderen Projektmanagement-Problemen verbunden sind, die maßgeschneiderte Lösungsansätze erfordern. Die Notwendigkeit der Weiterentwick- lung des Projektmanagement begründet dabei folgende Aussage Jaafaris: “Project management is supposedly a systemic approach to management of change, but its foundation lies in the traditional rational managerialism, thus facing an increasing threat of irrelevance unless newer models are developed to respond to change and complexity.” [33]
Führten die zentralen Entwicklungstreiber Komplexität und Dynamik einst zum Bedeutungswachstum des Projektmanagement, so weihen sie das traditionelle Projektmanagement heute einem entropischen Untergang. Die traditionellen Projektmanagement-Ansätze verlieren zunehmend an Bedeutung, weil sie nicht systematisch weiterentwickelt werden. Da die modernen Einzelbeiträge verstreut und unsystematisch sind, ist ihr Wert für die Weiterentwicklung der Projektmanagementansätze hinterfragbar. Wenn das Projektmanagement und seine Konzepte zukünftig nicht an den modernen Realitäten scheitern sollen, besteht ein hoher Modernisierungs- und Forschungsbedarf, wobei systematisch auf die in der Praxis vorherrschenden komplexen und dynamischen Gestaltungsbedingungen eingegangen werden muss. Das heißt, dass neben geschlossenen, harten, auf strikten Rationalitätsannahmen basierenden Modellen zunehmend offenen, weichen, auf begrenzter Rationalität fußenden Systemen des Projektmanagements Beachtung geschenkt werden sollte.
Parallel dazu erscheint es als sinnvoll, den Fokus von Forschung und Management im Projektbereich mehr auf die Prozesse als auf die aus ihnen resultierenden Strukturen zu verlagern, da Strukturen vergleichsweise stark kontextabhängig sind und schnell obsolet werden können. Wie es bei den innovativen PM-Konzepten dargestellt wurde, liegt im Projektmanagement ein potentieller Erfolgsschlüssel darin, das Projekt- management auf die Idee des Mitunternehmertums auszurichten, um den Bestand von Projekt und System zu sichern. Die Beschäftigten werden nach Ackermann nicht nur im Rahmen der Projektarbeit zukünftig immer mehr Verantwortung tragen. Wer in der fluiden Arbeitswelt von morgen erfolgreich sein will, muss gut vernetzt und bereit sein, immer dazuzulernen.[34] Vorteil sei, dass der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital obsolet werden könne. “Irgendwann ist nicht mehr klar, wer Arbeiter ist und wer Unternehmer,” [35] sagt Schneider vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit.
Diese Erkenntnisse spiegeln auch wider, dass moderne Projektmanagementsituatio- nen zu einer Egalisierung von den strategischen und strukturellen Projektmanagement-Elementen führen. Das bedeutet auch, dass PM-Idee und PM-Realität zum Teil integriert werden. Das Dilemma zwischen ihnen ist auf andere Art und Weise nicht mehr lösbar.[36] Der Status der Projektmanagementforschung liegt derzeit weit unter dem Niveau der allgemeinen Managementforschung. Neuere Ansätze beziehen sich hinzu weniger auf das “Managen”, sondern vielmehr auf das “Projekt”, weshalb nur wenige Fortschritte im Bereich der Theorie zur konkreten Gestaltung der Projektarbeit gemacht werden. Die Dominanz eines von ingenieurwissenschaftlichen, technischen Denkweisen geprägten Projektmanagement ist dadurch begründet, dass die traditionellen Anwendungsgebiete in technischen Bereichen liegen. Folglich besteht ein großes Weiterentwicklungspotential des Projektmanagements besonders aus managementtheoretischer Sicht, da sich das Anwendungsspektrum des Projekt- managements über technische Bereiche deutlich diversifiziert hat.[37]
So bleibt nach Goethe zu fragen: “Wie machen wir’s, daß [sic] alles frisch und neu Und [sic] mit Bedeutung auch gefällig sei?”[38]
[1] Vgl. Saynisch, M., Konfigurationsmanagement, 1984, S. 27f.
[2] Vgl. Defoe, D., Ein Essay über Projekte (London 1697), 2006.
[3] Midler, C., “Projectification”, 1995, S. 363.
[4] Gareis, R., Happy Projects!, 2004, S. 613.
[5] Peters, T., The Wow Project, 1999, S. 116.
[6] Remer, A., Management, 2004, S. 245.
[7] Vgl. Saynisch, M., Konfigurationsmanagement, 1984, S. 27-34.
[8] Vgl. Howell, G. / Koskela, L., The underlying theory of PM is obsolete, 2002, S. 293-302.
[9] Jessen, S.A., The Nature of Project Leadership, 1992, S. 34.
[10] Vgl. Lord, A.M., An Investigation into the Role of the Project Manager, 1989.
[11] Vgl. Turner, J.R., PM: A Profession based on Knowledge or Faith?, 1999, S. 329.
[12] Maylor, H., Beyond the Gantt Chart, 2001, S. 97.
[13] Vgl. Maylor, H., Beyond the Gantt Chart, 2001, S. 98.
[14] Vgl. Morris, P.W.G., Updating the PM Bodies of Knowledge, 2001, S. 28f.
[15] Vgl. Cicmil, S. / Hodgson, D., New Possibilities for Project Management Theory, 2006, S. 117.
[16] Vgl. Cicimil, S. et al., Actuality of Projects, 2006, S. 675.
[17] Vgl. Frese, E., Aktuelle Organisationskonzepte, 1994, S. 129ff.; Frese, E. / Werder, A., von, Organisation als strategischer Wettbewerbsfaktor, 1994, S. 1-27.
[18] Söderholm, A., Management Challenges in Project-Intensive Companies, 2002, S. 109.
[19] Vgl. Frese, E. / Werder, A., von, Organisation als strategischer Wettbewerbsfaktor, 1994, S. 15f.; Frese, E., Dimension, 1994, S.63ff., Krüger, W., Organisation der Unternehmung, 1994, S. 373ff.
[20] Vgl. dazu auch Wildemann, H., Organisation und Projektabwicklung, 1994, S. 27ff., S. 128ff.
[21] Hucke, P. / Remer, A., Grundlagen der Organisation, 2007, S. 160.
[22] Vgl. Hucke, P. / Remer, A., Grundlagen der Organisation, 2007, S. 161.
[23] Thomas, J., Problematising Project Management, 2006, S. 103.
[24] Vgl. detaillierte Ausführungen in Mayntz, R. (Hrsg.), Bürokratische Organisation, 1971.
[25] Vgl. Foucault, M., Discipline and Punish, 1977, S. 135ff. zu ähnlichen Prinzipien für Gefängnisarbeit.
[26] Thomas, J., Problematising Project Management, 2006, S. 102.
[27] Vgl. Hodgson, D., Project Work: Legacy of Bureaucratic Control, 2004, S. 81-100.
[28] Thomas, J., Problematising Project Management, 2006, S. 103.
[29] Vgl. Gropp, M., Projektmanagement im Dienstleistungsbereich (Vortrag arvato direct services), 2007.
[30] Vgl. Maylor, H., Beyond the Gantt Chart, 2001, S. 94.
[31] Frame, J.D., The New Project Management, 1994, S. 4f.
[32] Jessen, S.A., The Nature of Project Leadership, 1992, S. 70.
[33] Jaafari, A., Project Management in the Age of Complexity and Change, 2003, S. 56.
[34] Vgl. Ackermann, R., Blick in die Zukunft, 2007, S. 38.
[35] Schneider, H., Megatrend Arbeitswelt, 2007, S. 39.
[36] Vgl. für vertiefende und detaillierte Ausführungen zum Management von Dilemmata am Beispiel des modernen Managementsystems Remer, A., Management, 2004, S. 447-457.
[37] Vgl. Gropp, M., Projektmanagement im Dienstleistungsbereich (Vortrag arvato direct services), 2007. Deshalb sucht arvato Projektmanager mit einem Management- und weniger technischem Hintergrund.
[38] Goethe, J.W., von, Faust, 1930, S. 10.
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