Deutschland verändert sich. Und das schnell. Der demographische Wandel lässt schon jetzt deutlich den Fachkräftemangel in Erscheinung treten und erste Konzernchefs fordern lautstark das, was bisher auszusprechen unmöglich war: Asylanten nicht abzuschieben wenn ihr Asylantrag negativ beschieden wurde, soweit sie denn über Fachkenntnisse verfügen, die die Wirtschaft braucht [1]. Diese sehr polarisierende Forderung macht zweierlei deutlich: einerseits scheint der Leidensdruck, qualifizierte Fachkräfte zu bekommen, in manchen Branchen schon recht groß zu sein, und andererseits scheint es Leute zu geben, die solche Forderungen nicht vollumfänglich hinterdacht haben.
Der demographische Wandel hat in Deutschland zwei Phasen, die, sich überlappend, wirksam werden. In der ersten Phase müssen, aus Gründen des sozialen Friedens, der Grundlage unseres Daseinsverständnisses für Rechtstaatlichkeit und Demokratie und zur Aufrechterhaltung der Sozialkassen, die geburtenstarken Jahrgänge bis ins hohe Alter hinein in sich selbsttragender Arbeit gehalten werden. Im Übergang zur zweiten Phase müssen dann qualifizierte Migranten gewonnen werden, in Gesellschaft, Kultur und (dann auch digitalisierte) Arbeitswelt integriert werden (!), damit in der späteren zweiten Phase der prognostizierte Gesamtbevölkerungsverlust von bis zu 15 Millionen Menschen im Jahre 2060 aufgefangen werden kann [2].
Dem Motto zu folgen, BILLIGE Fachkräfte ranzuschaffen um jeden Preis, mag wirtschaftlich verständlich sein, ist aber gesellschaftlich nicht opportun und politisch nicht durchsetzbar. Die Zeit der Überflussressource Mensch ist vorbei. Der Faktor Arbeit wird nicht mehr billiger, denn der Faktor Arbeit hat im Gegensatz zum Faktor Kapital Stimmrecht und will im Alter auskömmlich versorgt sein. Nur so ist das, was wir als soziale Marktwirtschaft bezeichnen, haltbar. Und so werden die Menschen das Geschehen betrachten und dann, ggf. bei Wahlen, sanktionieren. PEGIDA ist nicht nur ein Phänomen, wo die „ewig Gestrigen“ Parolen skandieren, und der Zulauf der AfD ist auch nicht durch einen Rechtsruck begründbar. Es geht (auch) um Umverteilungsängste, die zunehmend begründet, weil erlebbar sind [3].
Beide Beispiele zeigen, dass es für eine breite Einwanderungspolitik noch zu früh ist. Und letztlich wird diese nicht auf Integrationsebene im Bund stattfinden. Noch nicht einmal auf Länderebene. Sie wird in den Kommunen stattfinden. In unseren Straßen und in unserer Nachbarschaft. Bei uns! Egal was beschlossen wird, wir werden Face-to-Face diese Integration umsetzen müssen. Es mag sein, dass die Politik darüber redet, aber der Bürger wird sie zu stemmen haben. Daher hat die Kommune im demographischen Wandel einen besonderen Stellenwert. Das Miteinander dort wird die Lösung sein. Und damit es klappt, muss eine Kommune auch die Mittel haben, dass ihre Bürger diese gewaltige sozialpolitische Aufgabe gestalten können – verwirklichen können. Sie braucht ein gesundes wirtschaftliches Umfeld.
Die Umsetzungsschnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik einerseits und Politik und Gesellschaft andererseits ist die Stadtverwaltung, als öffentliches kommunales Verwaltungs- und damit auch Serviceinstrument [4].
Abb. 1: Zusammenhang Joint Future Work
Im Rahmen der Gesamtabstimmung, der Joint Future Work [5], ist sie das wesentliche und bestimmende Element auf der Mikroebene – also da, wo der Umsetzungserfolg hängt! Doch damit diese Kommune auch Mittel für sich und ihre “Kunden” aus dem Wirtschaftserfolg des Gemeinwesens generieren kann muss sie selbst Weichen stellen; zum Teil langfristig, proaktiv, antizyklisch (zum Teil gegen den Mainstream) und (weit) vorausschauend! Die gesellschaftlichen Forderungen wurden schon in anderen Artikeln hinreichen beleuchtet und sollen hier nicht weiter thematisiert werden [6].
Was braucht aber die Wirtschaft von der Stadtverwaltung? Was macht in ihren Augen die Stadtverwaltung zur Stadtverwaltung 4.0?
1.) Infrastruktur
Die Wirtschaft muss vor Ort das vorfinden, was sie braucht, um erfolgreich am globalisierten Wettbewerb teilnehmen zu können. Der Tellerrand der Stadtverwaltung mit ihren Behörden darf daher nicht am Ortsschild enden, sondern muss im Blick haben, wie eben diese Infrastruktur anderorts aussieht. Als Infrastruktur sieht man gemeinhin alles, was den Standort fördert, ausmacht und definiert. Daher soll der Begriff hier nur dafür stehen, dass er ganzheitlich geplant, gestaltet und weiterentwickelt werden muss: Als ein kommunales / regionales Planungsinstrument, dass, ganzheitlich und aufeinander abgestimmt, flexibel und bedarfsgerecht evolutionär weiterentwickelt wird, um auch zukünftigen Bedarfen gerecht zu werden
2.) Verkehrswege
In globalisierten und vernetzten Wirtschaftsfeldern, die zur Reduzierung von Lagerhaltung und Lagerhaltungskosten auf gute und verlässliche Verkehrsverbindungen angewiesen sind, müssen eben diese Lebensadern für ein wirtschaftliches Handeln geeignet sein, die Wirtschaft vor Ort zu unterstützen. Langfristig.
“Just-in-Time” ist kein nettes Ziel, sondern Alltag. Die Supertanker vom persischen Golf nach Rotterdam und die 10.000er-Containerschiffe von Shanghai nach Hamburg fahren nach Fahrplänen, die bei den Reisen rund um den Globus bis auf 15 Minuten genau eingehalten werden! Sie dann zu entladen setzt voraus, dass genügend Transportraum vor Ort da ist (ankommen konnte) und dann auch zügig abfließen kann, damit die Waren, Rohstoffe, Zwischenprodukte, Bauteile, ebenfalls getaktet, rechtzeitig ihr Ziel erreichen können. Das setzt geeignete Verkehrsanbindungen neben tragfähigen Autobahnen voraus. Aber dann auch städtische Ausfallstraßen, die geeignet sind, 18m-Lastzüge (und später auch Mega-Lastzüge) durchzulassen, ohne dass zu enge Kreisel (nett begrünt) alles ins Stocken bringen. Die Straßen sind die Lebensadern unserer globalisierten Wirtschaft. Sie bedarfsgerecht auszubauen und zu erhalten, ist aus der Sicht der Wirtschaft – neben dem bürokratischen Gebaren samt Vorschriften – der größte Hemmschuh von Wachstum und Erfolg.
Dass der Ausbau der Bundesautobahnen an Fröschen und Molchen, die nie einer gesehen, zwischen Reiskirchen-Marburg-Kassel seit 20 Jahren scheitert, mag lustig klingen, lässt aber seither Millionen LKWs 150 Kilometer Umweg fahren und dann beim Kirchheimer Dreieck neue Probleme auftreten. Die Autobahnen um Köln sehen auf der Karte nett aus, sind aber dem Verkehr nicht mehr gewachsen.
Köln ist die Staustadt Nummer eins in Deutschland. Doch was für Autobahnen gilt, setzt sich in aller Regel ab der Abfahrt dann kommunal fort. Und hier dann mit Auswirkungen auf Wachstum, Prosperität und Steuereinnahmen. Steuereinnahmen, die dann auch zum Straßenbau und -erhalt fehlen. Auch wenn es manche Stadtverwaltungen noch nicht begriffen haben: Wer nicht “Just-in-Time” liefern kann ist raus. Und Kommunen, die nicht zeitgerecht Verkehrswege bereitstellen sind dann auch raus…
3.) Bürokratie
Eine Stadtverwaltung ist eine Servicestelle. Verbal sieht man sich da ja schon. Man redet von Kunden. Auch die Wirtschaft ist hier Kunde. Anträge, Genehmigungen und Änderungswünsche sind nicht durch oder aus Langeweile geboren, sondern sind der Marktlage geschuldet. Oder auch nur, weil andere Vorschriften eben diese neuen oder geänderten Genehmigungen nötig machen. In aller Regel hängen da auch getaktete Zeitintervalle dran. Denn der Markt schläft nicht. Und er verändert sich – da globalisiert und bald auch noch digitalisiert – schneller, als es Behörden für möglich halten. Nachdrücklich vorgebrachte Wünsche der Wirtschaft nach beschleunigter Abwicklung, sind also nicht “wichtigtuerisch”, sondern existenziell.
Natürlich ist der Wirtschaft bewusst, dass technische Lösungen zur Effektivitätssteigerung in öffentlichen Verwaltungen langsamer eingeführt werden, als in der Wirtschaft. Das hängt mit Haushalt und (hier fehlenden) Abschreibungsmöglichkeiten zusammen. Dennoch sieht die Wirtschaf darin keinen hinreichenden Grund, dies mit einer dann auch organisatorisch schleppenden Arbeitsweise zu verstärken. Ein anderer Ausdruck wäre dazu auch: dem alimentierten Beamtentum zu frönen, hilft keinem.
4.) Innovationsförderung durch Bildung
Innovation, Kreativität und Dynamik sind nicht voneinander losgelöst, wenn es darum geht, Zukunftsgerichtete Ideen auf den Markt zu bringen. Meist finden sie auch nicht im luftleeren Raum statt, sondern da, wo geforscht wird. Wo Wissen miteinander – auch interdisziplinär – verknüpft und dann, aus ggf. zwei (sinnlosen) Dingen etwas zusammengefügt wird, was dann Marktchancen eröffnet, Arbeitsplätze schafft und letztlich auch Gewerbesteuereinnahmen begründet.
Nähe zu Universitäten, Akademien und Fachhochschulen zahlt sich für die Wirtschaft aus und ist ein Standortvorteil. Der Zugriff und der Austausch von Praktikanten im Unternehmen, aber auch in Joint-Projekten mit Lehrstühlen und Arbeitsgruppen, ermöglicht einen beidseitigen Wissens- und Erfahrungstransfer. Spin-Offs aus Uni- oder Forschungsprojekten heraus haben schon viele Unternehmen ermöglicht und Produkte geschaffen, die heute Weltmarken sind (Facebook), oder es auch zu Standardprodukten auf dem Markt gebracht (IDS SCHEER mit ARIS).
Eine Kommune mit eigenen Bildungsträgern und -instituten hat Vorteile. Sie zieht junge Menschen an, die dann auch oft nach Ihrer Ausbildung vor Ort bleiben und der Wirtschaft als Fachkräfte zur Verfügung stehen und / oder eigene Unternehmen gründen, die dann ggf. auch neue Branchen anziehen. Silicon Valley war erst Hardware-, dann auch schnell ein Software-Zentrum. Mittlerweile auch ein Wohnort. Und diese Bildungseinrichtungen fangen nicht an der Uni an, sondern sie hören da auf. Denn maßgeblich für die Wirtschaft ist auch, dass die Familien der Belegschaften vor Ort für ihre Kinder adäquate Bildungseinrichtungen finden. Denn Standorte, die das nicht bieten, sind nicht geeignet, große Belegschaften zu halten und auch nicht neue Mitarbeiter anzuwerben. Standorte, die wenig familienfreundlich sind, und Bildung gehört fest dazu, sind Standorte, die Abwanderung erfahren. Weil Eltern das Beste für ihre Kinder wollen und bereit sind andere Angebote anzunehmen, die das als Rahmenbedingung besser erfüllen.
5.) Familienfreundlichkeit und Lebensqualität
Der Zugang zu Bildungseinrichtungen ist hier nur ein Element. Einkaufs- und Freizeitangebote, Kultureinrichtungen, der Zugang zu Kindergärten und das Gesundheitswesen mit Fachärzten vor Ort, setzten diese Gedanken fort [7]. Die Arbeit im Alter und das im Alter (weiter) arbeiten zu MÜSSEN, legen neue Maßstäbe daran an, was eine Kommune bereitzustellen hat – denn der altersbedingte Verschleiß wird wieder zunehmen. Die rüstige “Golde Generation” wird bald ihr weniger rüstiges und arbeitsbedingtes Ende erfahren. Manche werden auch als Rentner noch dazuverdienen müssen [8].
Kommunen werden in erheblichen Umfang in etwas investieren müssen, was dann auch als Werbefaktor der Wirtschaft im “War for Talents” zum Tragen kommen wird: die Altersgerechtigkeit des Standortes für ihre älteren Arbeitnehmer, aber auch für den sich anschließenden Ruhestand. Dieser Gedanke fängt bei Barrierefreiheit an und hört bei kommunalen Services vor Ort (beim Bürger) auf. Letzteres kann die Digitalisierung ermöglichen. Die Wirtschaft hat daher ein Interesse daran, weil sie um die Bedeutung der Wegezeit weiß, die mit Arztbesuchen und Behördengängen verbunden ist. Gerade in Ballungszentren wie Köln, Berlin und München (hier Wartezeiten und Staus) oder auch in Randlagen, durch das schlichte Nicht-Vorhandensein von Fachärzten, selbst auf Kreisebene, und damit verbundener stundenlanger Anfahrtswege (Niederlausitz). Daher hat eine Stadtverwaltung durch gezielte Maßnahmen dafür zu sorgen, dass eben solch wichtige Einrichtungen da sind. Und das nicht irgendwo, sondern vor Ort. Auch das ist ein Teil der umfassenden Stadtentwicklung.
Ebenso muss eine Stadtverwaltung den Belegschaften einen Erholungs- und Freizeitwert bieten. Nicht nur als Werbefaktor für das Recruiting und als Anker für das Employer Branding, sondern auch, damit sich die Mitarbeiter tatsächlich nach der Arbeit und in der Freizeit wohnungsnah erholen können. Natürlich setzt das Radwege, verkehrsberuhigte Zonen und Naherholungsgebiete mit Naturschutzcharakter voraus. Diese sind aber im Rahmen von zukunftsgerichteten und daher vorausschauenden Planungen im Rahmen der Stadt- und Standortentwicklung so zu realisieren, dass nicht irgendein Singvogel eine höhere Bedeutung hat, als die wirtschaftliche Existenz des Standortes an sich. Vögelchen, so nett sie auch piepen, schaffen weder Gewerbesteuer ran, noch Arbeitsplätze und unterhalten auch kein Gemeinwesen. Zumindest nicht finanziell. Hier ist Augenmaß, soziale Verantwortung und Perspektiventwicklung gefragt. Für die Menschen vor Ort, aber auch für die Tier- und Pflanzenwelt. In dieser Reihenfolge.
6.) Stadtentwicklung
An diesem Begriff hängt viel. Hier soll er nur zu einem einzigen Zweck betrachtet werden: der Planung der Stadt im demographischen Wandel an sich. Und da gibt es zwei Möglichkeiten: die Stadt profitiert vom Wandel, dann wächst sie (boomt) oder sie ist ein Verlierer der Entwicklung, dann schrumpft sie oder stagniert, was letztlich auch Verluste bedeutet. Köln, Hamburg, Frankfurt, München und Hannover werden wachsen. Städte wie Gelsenkirchen, Bochum und Emden werden schrumpfen. Einwohner verlieren, Kaufkraft verlieren, Einnahmequellen verlieren und dann erneut Einwohner verlieren. Eine Spirale nach unten. Boomende Städte werden andere Probleme haben. In aller Regel eines, dass sich dann aber wie ein roter Faden durch alles zieht, alles beeinflusst und dann auch politisch brisant wird: der Städtebau!
Die Wirtschaft braucht Wohnungen für ihre Mitarbeiter. Arbeitsplätze bereitzustellen, ohne finanzierbaren Wohnraum vor Ort (oder auch nur in der Nähe), ist für zukünftige Mitarbeiter nicht werthaltig. Es ist ein Wettbewerbsnachteil, unter dem schon jetzt Boomtowns leiden. Was nutzt ein tolles Gehalt, aber dafür eine tägliche Wegezeit von drei bis vier Stunden? Und dann noch ggf. in einem Alter, wo dieser zusätzliche Stress zunehmend aufzehrend ist – oder wird [9].
Köln wird bis 2025, 2030 um bis zu 20 Prozent wachsen. Das sind fast 300.000 Einwohner. Da wird schnell deutlich, dass eine Stadtverwaltung mit klein-Klein-Lösungen nicht mehr weiterkommt. Es sind andere Lösungen gefragt als Einfamilienhaussiedlungen, die die Landschaft bis Aachen schnell zubetonieren würden, zumal die Zeit drängt. Eine dieser visionären Lösungen, die allerdings Mut erfordern, wäre die Entwicklung eines neuen Stadtteils. In Hamburg konnte man das Gelände der Speicherstadt dazu nutzen. Doch das zu planen und umzusetzen dauerte fast 20 Jahre und schuf auch nur Wohnraum für 50-80.000 Menschen. Das macht die Dimension für Köln deutlich, wo noch gar nichts in der Pipeline ist. Wo noch nicht einmal zu erkennen ist, dass das Problem, abseits der zwei- bis dreigeschossigen Kleinsiedlungen, erkannt wäre. Wo man gern über soziale Probleme anderer Größenordnungen redet, als darüber, dass diese Probleme ohne Wohnungen exponentiell größer werden.
Der demographische Wandel wird für ältere Menschen, wie auch für junge Familien und Studenten, fast identische Wohnraumgrößen nötig machen. Diese werden sich zwischen 30 und 50 Quadratmeter einpendeln. Und dieser – dann auch finanzierbare – Wohnraumbedarf ist quasi in allen Boomtowns gleich. Die Wirtschaft fordert nun die Stadtverwaltungen dazu auf, eben dafür Flächen bereitzustellen und den Sprung dahin zu wagen, neue Stadtteile mit optimalen Gebäudestrukturen (6-8 Stockwerke) zu schaffen, die dann auch noch zeitnah gebaut werden können, um zumindest den kommenden, absehbaren und auch schon statistisch untermauerten Peak abzufedern.
Ohne Wohnraum hat die regionale wirtschaftliche Entwicklung deutlichste Wettbewerbsnachteile vor Regionen, die dort schneller und lösungsorientierter gearbeitet haben. Die Angst vor neuen sozialen Brennpunkten wie in München Neu-Perlach, Köln-Chorweiler oder Hamburg-Billstedt sind nur dann begründet, wenn man, wieder blauäugig, nicht oder falsch plant. Meist dann, wenn die ideologische Brille, Marke „Rosarot“, nicht die notwendige Dioptrinzahl hat. Wenn gewünschte Optik vor Alltagstauglichkeit geht. Dann – und nur dann – scheitert so eine Planung. Das notwendige Kapital steht in Niedrigzinszeiten bereit. Wartet eigentlich auf sinnvolle, weil gewinnbringende Investition. Nur fehlen Flächen und der politische Wille loszulegen. Dafür gibt es aber meist bürokratische Hemmnisse, zyklische Entscheidungswege und im Nichts endende Prozesse, die des Anschubs bedürfen.
7.) Korruptionsbekämpfung
Ist ein böses Wort, das es in den 70er-Jahren kaum in Deutschland gab. Daher war unser Land auch auf der Korruptionsskala das einsame Schlusslicht. Inzwischen schaffen wir Jahr für Jahr eine bessere Platzierung. Besser für die, die gegen „Schmiermittel, Anregungen und Aufwandsentschädigungen“ gerne Prozesse schlanker gestalten, Entscheidungen herbeiführen können und Hemmnisse abbauen helfen. Diese besonderen Zuwendungen kosten 5-10% vom Investitionsvolumen. Die Stadt Köln hat zum Beispiel zwei Milliarden investiert, Berlin ein paar Euros mehr und andere Städte weniger… Korruption in der Verwaltung ist mitunter ein Grund, warum es schleppend geht, obwohl Prozesse eigentlich stringent erscheinen. Auf dem Papier.
Die Wirtschaft hat erkannt, dass Korruption, Vorteilnahme und “kleine, die Freundschaft erhaltende Geschenke” allesamt in dieselbe Kategorie gehören und entsprechend gehandhabt. Offensiv. Für passive Fälle sowieso und selbst in aktiven Fällen und auch dann, wenn man davon gewusst und sie nicht gemeldet hat. Dass haben deutsche Vorstände erfahren müssen, und diesen Erfahrungshorizont sollte eine zukünftige Stadtverwaltung auch bekommen. Daher ist die Digitalisierung mit ihren automatisch vernetzten Prozessen auch ein Mittel, mutwillige Nebengeschäfte auszubremsen, die sonst prozesshemmend Einfluss genommen haben. Man sagt, dass das im Bau besonders schlimm sei. Also genau da, wo jetzt ein Engpass herrscht, was gesellschaftspolitisch sehr und mehrfach kontraproduktiv wäre.
Die Wirtschaft will, braucht und fördert einen “schmierfreien” Wettbewerb. Und nein, das ist kein moralischer Ansatz und auch kein Kostenfaktor, denn Letzterer kommt nur allzu oft wieder rein. Es ist ein Zeitfaktor. Und der kostet inzwischen wesentlich mehr, als er durch “Beschleunigungsmaßnahmen” einbringt. Vom zunehmend desolatem Image einmal abgesehen, denn das WWW fördert Heimlichtuerei nicht gerade.
Also schlachtet die schwarzen Schafe – Hammelfleischgerichte sind im Trend!
8.) Netzwerkverfügbarkeit und Netzwerksicherheit
Die vielfach zitierte Digitalisierung, Industrie 4.0, 3D-Druck, Big-Data und mit ihr auch die Stadtverwaltung 4.0 setzen eines voraus: Ein performantes und überall verfügbares Netzwerk mit hohen Querschnitten – als LAN wie auch als WLAN. Es wird zur entscheidenden Größe für die Digitalisierung der Wirtschaft und die freie Verfügbarkeit wird eine (mögliche und denkbare) Dienstleistung der Kommune an die Bürger sein (müssen). Ohne diese ist Servicenähe, wie in Teil 1 der Reihe beschrieben, kaum mehr vorstellbar. Digitalisierung heißt auch, dass Steuerung, Koordination und Kommunikation von überall aus möglich sein kann, sollte und wird. Das, was heute schon in sog. virtuellen Projekten Standard ist, wird bald auch als mobile Officelösungen via Smartphone und Tablet möglich sein. Irgendwann – aber eher am kurzen Ende – weltweit. Somit positionieren sich Städte auch hier als Servicegeber für Wirtschaft und Bürgerschaft in Konkurrenz zu anderen Standorten. Dass diese Möglichkeiten auch wieder andere Gestalten auf den Plan rufen werden, macht auch ein kommunales Umdenken in der Verwaltung hinsichtlich der Daten- und IT-Sicherheit erforderlich [10].
“Billiger geht immer” wird so nicht mehr machbar sein, wenn Antrags- und Genehmigungsverfahren digital abgewickelt werden. Hier sind Standards zu halten, die schon jetzt vom neuen IT-Sicherheitsgesetz fokussiert werden. Die solide Netzwerkverfügbarkeit kann auch Wettbewerbsvorteile da generieren, wo sonst bisher nie Wirtschaft hingefunden hat. Viele Unternehmen und Branchen brauchen keine Produktionsflächen, Maschinenparks und Werkhallen. Im Gegenteil. Zur Kernleistungserstellung brauchen sie nur Mitarbeiter und IT-Ausstattung. Im Rahmen der Mobile Office Lösungen, der Digitalisierung von kognitiven Berufsbildern im Backoffice (z.B.: Buchhaltung) und virtuellen Teammeetings, können Unternehmen zunehmend da ihren Firmensitz haben, wo sie finanzielle Vorteile vorfinden. Niedrige Gewerbesteuerhebesätze zum Beispiel. Diese können von Gemeinden in Randlage angeboten werden, solange sie netztechnisch gut ausgebaut sind. Ähnlich den Steueroasen in der Karibik, nur dass der Briefkasten dort dann ein Eintrag im Gewerberegister wäre, mit einem (digitalisierten) Postkasten als Firmensitz.
9.) Gewerbesteuerhebesätze
Eine Stadtverwaltung der Zukunft muss sich Gedanken darüber machen, wie sie für sich und ihre Kommune die Digitalisierung zu nutzen versteht. Für einen wettbewerbsfreundlichen Standort oder eben nur als Verbalakrobatik. Das o.g. Beispiel zeigt deutlich, wohin die Reise gehen kann [11].
Die Meyer-Werft in Papenburg hat ihren Firmensitz nach Luxemburg verlegt. Umsatzsteuersatz ist 15% und Gewerbesteuer gibt es auch, nur ist diese zu vernachlässigen. Und wieviel 4% Unterschied bei einem Schiffsbau von 350 Millionen Wert ausmacht, ist schnell errechnet. Besonders dann, wenn man sowieso Wettbewerbsnachteile hatte, wie die Werft, die ihre Produkte erst umständlich die Ems runterschaffen musste. Zum Schluss durfte das auslaufende Schiff nicht mehr die hunderttausenden Schaulustigen mit dem Schiffshorn grüßen, damit Vögelchen nicht gestört werden. Alles wichtig. Doch komischerweise herrscht jetzt Ruhe im Landkreis, zumal die Werft auch ein Werftgelände in Rostock besitzt. Und da gibt es keine Ems, zwar auch Vögel aber einen Stadtrat, der verwaltungstechnisch alles tut, um Unternehmer anzuziehen. Und im Schiffbau kennt man sich auch aus… Die Botschaft der Wirtschaft ist:
Der Baum biegt sich so lange, bis er bricht. Wenn er denken könnte und Beine hätte, würde er sich aber einen anderen Platz zum Leben suchen…
Gewerbesteuer anzuheben, damit die Aufgaben einer Stadtverwaltung finanzierbar werden ist schlichtweg falsch. Die Höhe des Gewerbesteuersatzes ist für jeden Investor ein Indikator dafür, wie gut oder wie schlecht eine Kommune im Vergleich zu anderen wirtschaftet, sich aufgestellt hat und bereit ist, sich zu verändern. Denn die zugrunde liegenden Gesetzte, Verordnungen und Vorschriften sind für alle gleich.
10.) Integrationspolitik
Die Wirtschaft ist schon jetzt zunehmend auf Migranten angewiesen, die ihre Fachkenntnisse einbringen können. Vornehmlich in Berufen, die hochqualifiziertes Personal erfordern, aber auch für Tätigkeiten, die nicht hoch bezahlt werden, aber hierzulande wenig Zuspruch erfahren, wie Pflegeberufe. Diese Migranten müssen sich integrieren können. dazu bedarf es eines migrationsfreundlichen Umfeldes, das besser aus Schlagzeilen herausbleibt. Hoyerswerda und andere Schauplätze weniger kosmopolitischer Einstellung sind weltweit bekannt, aber als Unternehmensstandort für das Image weniger zuträglich…
Eine Stadtverwaltung hat alles zu tun, damit uns allen dieses Potential nicht nur offen steht, sondern auch darum, weil es in der zweiten Phase des demographischen Wandels ohne Migration nicht gehen wird. Es werden zu viele Menschen fehlen, die dann auch zur Aufrechterhaltung von Gemeinwesen fehlen werden. Aus diesem Grund muss sich die Stadtverwaltung der Zukunft darauf einstellen, ihre Leistungen auch mehrsprachig anzubieten. Auch dabei kann die Digitalisierung helfen. Dabei helfen, dass Migranten hier schneller Fuß fassen (können), weil erst einmal die Sprachhürde zum “Ankommen” niedriger ist [12].
11.) Quersubventionierung für die Stadtkasse durch kommunalen Versorgungsleistungen
Dass Einnahmen aus Wasser, Energie, Abfallentsorgung, Abwasser und Gas kommunale Begehrlichkeiten wecken, hat in den letzten Jahren mehrfach Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen. Preistreiberei in monopolartigen Versorgungsunternehmen sind weder wirtschafts- noch bürgerfreundlich. Zum Teil aber dem Missmanagement der Kommune geschuldet. Auch diese Bepreisung von Versorgungsleistungen ist durch das Internet hochverfügbar vergleichbar geworden. Natürlich sagt so etwas nicht sofort etwas darüber aus, wieviel Aufwand notwendig ist, um die Leistung überhaupt erbringen zu können, sie ist aber ein Anhalt für Standortentscheidungen in produzierenden Branchen. Somit trägt eine Stadtverwaltung mit ihren angeschlossenen Betrieben Verantwortung für die Vermarktung des Standortes als Wirtschaftsstandort. Ihre Leistungen sind als Wettbewerbsfaktor für Auswahlentscheidungen zu sehen.
Ehrlichkeit bei der korrekten aufwandsgerechten Bepreisung von Leistungen ist in diesem Zusammenhang eigentlich selbstverständlich. Sollten Einzelunternehmen im kommunalen Verbund keine mindestoptimalen Größen aufweisen, müssen sie fusionieren, damit es keine Zuschussgeschäfte werden. Überhaupt sollte eine Stadtverwaltung sich um Verwaltung kümmern und nicht um das Beteiligungsmanagement zu stadteigenen Betrieben. Diese sollten als Profitcenter arbeiten, mit klarem kommunalem Auftrag und Zielen. Die Anzahl der in kommunalen Betrieben verfügbaren Aufsichtsratsposten für Kommunalpolitiker ist dabei keine Entscheidungsgröße. Wenn überhaupt, dann eine, deren Anzahl und Vergütung zu minimieren.
Fazit
Die Stadtverwaltung der Zukunft muss sich zunehmend selbst als Wirtschaftsbetrieb verstehen, der durch “Globalisierung” im Bundesgebiet vergleichbar mit anderen Stadtverwaltungen wird. Ihre Leistungen werden qualitativ und kostenmäßig genauso vergleichbar sein, wie jedes andere Produkt und / oder Unternehmen auch. Die Aufgabenfelder einer Stadtverwaltung sind vielfältig und zunehmend dadurch geprägt, dass eine zentrale Steuerung fehlt. Die Abschaffung des Oberstadtdirektors war ein Fehler, der jetzt zunehmend auffällt.
Erschwerend kommt hinzu, dass durch jahrzehntelange Fehlplanungen, falsche Schwerpunkte und geopolitische Veränderungen (z.B.: Deutsche Einheit) viele Entwicklungen zu spät oder in falsche Richtungen getrieben worden sind. Das hat Geld gekostet. Geld, das jetzt zunehmend fehlt für andere Aufgaben. Selbst kleine finanzielle Spielräume sind weitestgehend erschöpft, weil die jahrelange Fremdfinanzierung von Begehrlichkeiten schon jetzt die Schuldenobergrenze erreicht hat. Über allem schwebt zudem das Damoklesschwert der zum Teil völlig fehlenden Rückstellungen von Beamtenpensionen, die den Bürgen noch zu beichten wären. Bis 2020 fehlen bundesweit 250 Milliarden Euro an Rückstellungen für Beamtenpensionen – nach Rechnung Anfang 2008… Und das werden Kommunen auch zu stemmen haben.
Die Digitalisierung in der Stadtverwaltung muss kommen, da nur so dauerhaft signifikante Einsparungen im Personalbereich bei gleichzeitigem Leistungserhalt gewährleistet werden können. Dazu müssen im Vorfeld Organisationsmaßnahmen ergriffen werden (z.B.: zentrales Projektmanagement für Vorhaben [13]), aber auch grundlegende Sicherheitsrichtlinien für die bestehende IT umgesetzt werden. Denn alles was Digitalisierung ausmachen wird, wird auf dem aufbauen müssen, was schon jetzt da ist.
Leistungen und Kosten von kommunalen Verwaltungsservices werden vergleichbarer. Hebesätze für Gewerbesteuer und andere Abgaben müssen zunehmend als Faktoren für oder gegen Standortentscheidungen herhalten, gerade auch dann, wenn Standorte zu schnell wachsen oder auch schrumpfen. Sprungkosten für Versorgungsleistungen bei Bevölkerungsfluktuationen unterliegen genau den Grundsätzen, die die Wirtschaft auch bei anderen Nachfrageleistungen kennt. Daher wird die demographische Veränderung in Standorten schon jetzt öfters betrachtet, als noch vor ein paar Jahren.
Standorte müssen der Wirtschaft einen Mehrwert bieten. Einen Mehrwert, mit dem sie Personal anwerben und halten können. Daher sind bürgernahe und serviceorientierte Stadtverwaltungen ein Plus im Kampf um Personalressourcen. Aber nur, wenn sie stadtplanerisch ihre Hausaufgaben zusätzlich gemacht haben. Finanzierbarer Wohnraum, guter öffentlicher Nahverkehr mit ausreichender kommunaler Infrastruktur und hohem Freizeitwert sind hier die Grundpfeiler. Dazu müssen höhere Bildungseinrichtungen verfügbar sein. Als Magnet für junge Leute, junge Familien und Gründertypen. Nur so lässt sich eine Vergreisung der Bevölkerung in der Stadt vermeiden. Auch hierzu bedarf es Konzepte in der Stadtentwicklung.
Der Ansatz von Joint Future Work zeigt hier sehr anschaulich auf, dass der Wandel durch den Bedarf der Wirtschaft angestoßen wird, werden muss, denn eine Initiative der Politik ist nicht zu sehen. Auch hat die Wirtschaft und das freie Unternehmertum schon jetzt erkannt, was auf ihre Belegschaften und Mitarbeiter individuell zukommen wird. Nicht nur als Risiko in der eigenen Personalfrage und damit des zukünftigen Erfolgs am Markt, sondern auch als gesellschaftliches Standortrisiko für ihre Mitarbeiter und deren Familien schlechthin [14].
Die Forderung an die Stadtverwaltung, dem demographischen Wandel und der Digitalisierung umfänglich Rechnung zu tragen, ist also mehr als nur Eigennutz. Sie ist eine gesellschaftliche Dimension mit direktem Bezug zum sozialen Frieden. Eher zum Erhalt des sozialen Friedens an sich und für alle!
Quellen:
[1] XING-Artikel Fachkräftemangel
[2] Sascha Rauschenberger (2015): “Joint Future Work – Ein Tsunami verändert die Arbeitswelt der Zukunft” (Conplore Magazine)
[3] Sascha Rauschenberger (2015): “Future Work und PEGIDA: Wenn der demographische Wandel zur Falle der Migrationsnotwendigkeit wird” (Conplore Magazine)
[4] Sascha Rauschenberger (2015): “Die Stadtverwaltung 4.0 – Teil 1: Konsequente Serviceorientierung für Bürger und Wirtschaft im demographischen Wandel durch Digitalisierung” (Conplore Magazine)
[5] Future Business Consulting: Definition Joint Future Work (2014)
[6] Sascha Rauschenberger (2014): “Future Work und Megatrends – Herausforderungen und Lösungsansätze für die Arbeitswelt der Zukunft: Ein Kompendium zum demographischen Wandel” (Windsor Verlag)
[7] Sascha Rauschenberger (2014): “Future Work: die Arbeitswelt der Zukunft und die Hürde Gesundheitsvorsorge” (Conplore Magazine)
[8] Sascha Rauschenberger (2014): “Future Work und Work Life Cycle: Der Zusammenhang von Arbeit und Altersvorsorge unter der Lupe” (Conplore Magazine)
[9] Sascha Rauschenberger (2015): “Future Work und Mobilität im demografischen Wandel: Mögliche Standortnachteile für die Wirtschaft” (Conplore Magazine)
[10] Prof. Dr. Hartmut Pohl, Sascha Rauschenberger (2015): “Future Work und mobile Arbeitsplattformen mit Apps: Risiken für die Wirtschaft” (Conplore Magazine)
[11] Sascha Rauschenberger: “Demografischer Wandel und Future Work: Kostendruck für die Wirtschaft” (Conplore Magazine)
[12] Patric C. Auner, Sascha Rauschenberger (2015): “Joint Future Work – Wettbewerbsvorsprung durch Internationalisierung” (Conplore Magazine)
[13] Sascha Rauschenberger (2015): “Die Stadtverwaltung 4.0 – Teil 1: Konsequente Serviceorientierung für Bürger und Wirtschaft im demographischen Wandel durch Digitalisierung” (Conplore Magazine)
[14] Sascha Rauschenberger (2014): “Demographischer Wandel und Future Work – Eine gesellschaftliche Herausforderung für den Arbeitsmarkt der Zukunft” (Future Business Consulting)