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Die Vertriebskunst in der Beratung – Wie gelingt der Verkauf komplexer Dienstleistungen auch in Krisenzeiten?

Experteninterview „Vertriebskunst in der Beratung“ empfehlen!

Beitrag von:

Melanie Rohmann

EXPERTENINTERVIEW

Die Vertriebskunst in der Beratung – Wie gelingt der Verkauf komplexer Dienstleistungen auch in Krisenzeiten?

 

Conplore: Hallo Frau Rohmann, die Worte Vertrieb und Kunst wurden schon häufiger miteinander in Verbindung gebracht. Sie sind die erste, die den Begriff Vertriebskunst nun mit einer Beratung in Verbindung bringt und damit inhaltlich auch definiert? Was meinen Sie damit?

Melanie Rohmann:

Ich bin seit 20 Jahren im Vertrieb und vertriebsnahen Umfeld tätig, davon mehr als 10 Jahre als Führungskraft. Mich prägen dabei Erfahrungen in IT-Services, Managementberatung und weiteren Dienstleistungsbranchen.

In dieser Zeit habe ich an Führungskräfte-, Rhetorik- und Vertriebstrainings teilgenommen, die für mich zweifelsohne eine Bereicherung waren.
Was mir in diesem Zusammenhang aufgefallen ist und mich verwundert hat: am Ende geht es im Vertrieb wie in der Führung immer darum, andere Menschen von den eigenen Zielen und den dazu nötigen Schritten zu überzeugen.

Am Ende geht es im Vertrieb wie in der Führung immer darum, andere Menschen von den eigenen Zielen und den dazu nötigen Schritten zu überzeugen.

Die hier wirkenden Mechanismen sind in beiden Situationen identisch.
Immer geht es darum, sich und sein repräsentiertes Produkt / Dienstleistung oder in seiner Funktion in der Interaktion so zu präsentieren, dass Kunde, Mitarbeiter oder andere Stakeholder sagen: Das überzeugt mich, das nehme ich an, das „kaufe ich dem ab“.

Vertriebskunst ist daher das Kennen und Anwenden von Mechanismen, andere Menschen für sich einzunehmen, zu gewinnen und Ziel orientiert mitzunehmen.
Hierbei handelt es sich um einen eklektischen Ansatz aus den Disziplinen Verkaufspsychologie, Gesprächstechnik, Verhandlungs- und Abschlusstechnik, systemisches Verkaufen, Menschenkenntnis und emotionaler Intelligenz.

Vertriebskunst ist besonders dann gefragt, wenn es um den Verkauf von Dienstleistungen geht, die hohe monetäre Investitionsvolumina aufrufen.
Hierzu gehören Professional Services wie zum Beispiel Unternehmensberatungen im weiteren Sinne. Ich nutze in diesem Zusammenhang gern den Begriff der „hochkarätigen Dienstleistungen“.

 

Conplore: Was genau ist das Besondere am Verkauf „hochkarätiger Dienstleistungen“?

Melanie Rohmann:

Beim Verkauf „hochkarätiger Dienstleistungen“ ist das Know-How des Beraters / des Beraterteams ein notwendiger, aber kein hinreichender Bestandteil einer gelungenen Vertriebsperformance. Entscheidend ist, dass es dem Menschen hinter dem Berater gelingt, das Vertrauen des potentiellen Kunden zu gewinnen.

Wenn der Auftraggeber – insofern es sich um einen Neukunden handelt – noch keine eigenen Erfahrungen sammeln konnte und er nichts zum „Anfassen“ hat, kann er seine Beauftragung ausschließlich von den Personen, den wahrnehmbaren Kompetenzen, Sympathie und schließlich hergestelltem Vertrauen abhängig machen.

Die Verkaufsperformance bei hochkarätigen Dienstleistungen muss folglich perfekt, präzise und passend zum potentiellen Auftraggeber sein.

Passend heißt an dieser Stelle, den Entscheider nicht nur fachlich, sondern vor allem menschlich auf allen Kanälen mit den entsprechenden Facetten zu erreichen und zu überzeugen.

 

Conplore: Eignet sich Ihre Beratung für (Senior) Manager auf dem Sprung zur Partnerschaft oder bereits für Consultants auf „niedrigeren“ Hierarchiestufen?

Melanie Rohmann:

In meiner Beratung arbeite ich auf allen Hierarchie-Ebenen.
Basis für eine erfolgsversprechende Zusammenarbeit ist dabei immer der Wunsch meiner Klienten, die eigene Vertriebsperformance zu challengen und zu verfeinern.

Es ist vollkommen klar, dass jede Beraterpersönlichkeit bereits ihren individuellen Stil in der Interaktion mit (Neu-) oder Bestandskunden entwickelt und etabliert hat.

Das Gespür für die eigene Wirkung (beabsichtigt und unbeabsichtigt), deren Spiegelung und anschließender Schärfung für noch mehr Überzeugungskraft, Vertriebsleichtigkeit und -souveränität ist das Ergebnis meiner Beratung.

Auf der Ebene von Senior Consultants ist Vertriebsleichtigkeit hilfreich, um im Projektkontext Kontakte auf- und auszubauen, um diese dann bei entsprechender Relevanz auch nach Projektende pflegen zu können.

Auf höheren Ebenen gilt es, neue Geschäftsopportunitäten bei Bestands- oder Neukunden zu identifizieren. Bevor hier ein passendes Slidedeck entwickelt werden kann, steht an erster Stelle immer der Aufbau menschlicher Beziehungen – sei es nun zum Sponsor oder Power Sponsor / Entscheider.

Und erst, wenn die Dringlichkeit auf Kundenseite hoch ist, wird ein Projekt daraus – auch das gilt es, zu erkennen und ohne Aufdringlichkeit dranzubleiben, falls die Zeit noch nicht reif ist.

Damit erfolgreiche Akquise kein Zufall bleibt, sondern zum Können wird, ist es klug, so früh wie möglich die Basis zu legen.

 

Conplore: Projektakquise ist typischerweise erst auf dem Weg zur Partnerschaft ein Thema. Weshalb beginnen Beratungen bereits auf jüngeren / früheren Hierarchiestufen mit dieser Kompetenzentwicklung?

Melanie Rohmann:

Projektakquise und Kundenverantwortung liegen nach wie vor in den Händen der Partner.
Ich stelle jedoch fest, dass jüngeren Consultants mittlerweile deutlich früher mit den Themen Networking, Bestandskundenmanagement, Kontaktaufbau etc. vertraut gemacht werden. Hemmnisse sollen erst gar nicht entstehen.

Je früher „kontakten und netzwerken“ als typische Beraterskills etabliert werden, desto früher können die damit einhergehenden Ergebnisse genutzt werden.

So können die durch die jüngeren Berater hergestellten Kontakte und Netzwerke für cleveres Bestandskundenmanagement genutzt werden. Ein stärkeres vertriebliches Mindset auf früherer Ebene hilft dabei

  • Folgegeschäft nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch Entscheider orientierter zu identifizieren, verifizieren und mit einer größeren Chance durchzuholen
  • gesammelte Informationen zu Geschäftsopportunitäten im eigenen Projektkontext als auch mandatsübergreifend in anderen Beratungsschwerpunkten und Themenfeldern leichter zusammenzuführen und im Bestfall durchzuholen (Steigerung des Monthly Recurring Revenue)
  • die Zuarbeit in Pitch-Situationen – sei es in der Entwicklung der Story und Erstellung der Slides, sei es in der tatsächlichen Präsentation beim Kunden – zu erleichtern. Das spart Zeit und Nerven im Tender Management.

Nicht zuletzt wird durch eine ausgeprägtere Vertriebsorientierung bereits die Basis für eine mögliche Akquisearbeit als angehender Partner gelegt: Viele Beratungen arbeiten auf Partnereben mit der Miller-Heiman-Methode. Bestandteil dieser strategischen Vertriebstechnik ist es u.a., die Perspektiven aller relevanten Stakeholder und Entscheider zu kennen und in die Lösung und deren Präsentation zu integrieren. Ziel ist es, den Entscheidungsprozess auf diese Art zu verkürzen.

Hier ist die Fähigkeit des Kontaktens, Netzwerkens und Perspektivübernahme unerlässlich. Je früher diese gefördert werden, desto besser.

 

Conplore: Als ehemalige Führungskraft im Sales und Customer Service haben Sie viele Erfahrungen zur Salesperformance von Männern und Frauen machen können. Viele halten Frauen aufgrund ihrer emotionalen Intelligenz und sozialen Kompetenz für sehr geeignet, aber häufig noch unterrepräsentiert im Vertrieb. Was denken Sie dazu?

Melanie Rohmann:

Als Frau im Vertrieb habe ich für mich dahingehend gute Erfahrungen gemacht, dass ich mit meiner Offenheit, ehrlichem Interesse und hoher Empathie in kurzer Zeit – unabhängig der Position und Funktion meines Gegenübers – eine angenehme Gesprächsatmosphäre herstellen kann. Diese Fähigkeit führt dazu, dass mir (potentielle) Kunden oftmals mehr erzählen, als ursprünglich beabsichtigt. Das dadurch transportierte Vertrauen ermutigt mich, Fragen zu stellen, die auch als „zu pushy“ bewertet werden können. Ich jedoch bekomme auf meine Fragen Antworten, mit denen ich weiterarbeiten kann. Weiblicher Charme ist an dieser Stelle vermutlich auch hilfreich.

Und ja, wenn Charme in Kombination mit hoher emotionaler Intelligenz im Vertrieb hilfreich ist, dann sollte diese Kombination unbedingt mehr im Vertrieb eingesetzt werden! Und ja, ich sehe Frauen im Vertrieb ausgewählter Branchen wie Logistik oder technischem Vertrieb noch als unterrepräsentiert.

Ich habe aber den Eindruck, dass ein Umdenken in der nachfolgenden Generation stattfindet.

Das Bild des „Klinken Putzens“ weicht und das weibliche Selbstbewusstsein für die eigenen verkäuferischen Stärken findet seinen Weg.

 

Conplore: Die derzeitige wirtschaftliche Situation ist aufgrund des Corona-Virus angespannt und die Unternehmen verunsichert. Beratungsunternehmen spüren das früh, weil sie ihre Mitarbeiter nicht mehr reisen lassen können und Projekte restriktiver vergeben werden. Neue Projekte in unsicheren Zeiten durchzuholen, ist eine Herausforderung. Haben Sie einen Tipp, was in einer solchen Situation sinnvoll ist, um die Vertriebsmotivation trotzdem hoch zu halten?

Melanie Rohmann:

Vor rund 10 Jahren während der globalen Finanzkrise habe ich selber als Vertriebsleiterin nicht nur meine eigene, sondern auch die Motivation meiner Mitarbeiter hochhalten müssen. In einer solchen Zeit sind Kompetenzen gefragt, die noch mehr die zwischenmenschliche Ebene berühren.

Wenn sämtliche Geschäftsanbahnungen auf Eis gelegt sind und kein Gesprächsbedarf mehr zu konkreten Opportunitäten besteht, ist es die Kunst, einen so guten Kontakt zu seinen Gesprächspartnern aufzubauen oder gebaut zu haben, dass auch ohne konkreten Anlass ein gutes Telefonat geführt werden kann – von Mensch zu Mensch. Die Chance in dieser Zeit liegt genau darin, die Menschen hinter ihren Funktionen und Positionen zu entdecken und auf der Beziehungsebene eine neue Qualität herzustellen.

Die Voraussetzung hierfür ist, ehrliches und ernst gemeintes Interesse am Gesprächspartner fernab von ausschließlich monetären Interessen zu haben.

In diesem Zusammenhang spielt die Ausprägung der Emotionalen Intelligenz nicht nur eine entscheidende Rolle. In Zeiten wie diesen wird sie aus meiner Sicht zum strategischen Erfolgsfaktor für zukünftiges Geschäft.

In Zeiten wie diesen wird emotionale Intelligenz … zum strategischen Erfolgsfaktor für zukünftiges Geschäft.

Um einen Zugang für dieses Entwicklungsfeld zu bekommen, arbeite ich gern mit der EQ-Analyse von TTI Success Insights. Diese misst den individuellen Emotionalen Intelligenzquotienten und leitet sehr konkret Handlungsfelder ab.

Wenn dann eines Tages Projekte und Aufträge wieder zu vergeben sind und man selber in der Zwischenzeit in sich und/oder seine Beziehungen investiert hat, sitzt man in der Poleposition.

Und ehrlich gestanden wünschen wir uns das doch alle.

 

Conplore: Liebe Frau Rohmann, herzlichen Dank für die spannenden Ausführungen und Informationen!

 

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Titelbild: nastya_gepp [pixabay.com]

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