CM: Herr Prof. Kempf, was verstehen Sie unter “d!conomy”?
Prof. Dieter Kempf:
Der Begriff d!conomy beschreibt die umfassende digitale Transformation des Wirtschaftslebens. Getragen wird dieser Fortschritt durch vier grundlegende Faktoren. Da sind als Basis zunächst Technologien wie Cloud Computing, Big Data Analytics, Cognitive Computing und Intelligente Netze zu nennen, die inzwischen den nötigen Reifegrad erreicht haben. Auf der anderen Seite werden auch die Endgeräte immer vielfältiger, kompakter und leistungsfähiger: Smartphones, Tablets, Ultrabooks und Wearables sorgen dafür, dass dem permanenten Informationsaustausch kaum noch geographische Grenzen gesetzt sind. Parallel werden die Datennetze immer schneller. Steigende Bandbreiten im Festnetz und im Mobilfunk verteilen stetig steigende Datenvolumina. Dies alles ist die Grundlage für eine zunehmende Vernetzung von Geräten, Maschinen, Bauteilen etc. im Internet der Dinge, sodass eine Reihe von Prozessen inzwischen ohne aktives Zutun von Menschen automatisiert ablaufen können.
CM: Warum reicht die Automatisierung von Verwaltungs- und Produktionsprozessen nicht aus?
Prof. Dieter Kempf:
Bei der flächendeckenden Automatisierung dieser Prozesse stehen wir noch ziemlich am Anfang, die digitale Transformation hat erst begonnen. Die beschriebenen Entwicklungen bieten noch viel Spielraum zur Effizienzsteigerung, aber sie liefern auch völlig neue Möglichkeiten und Geschäftsmodelle. Insbesondere, weil digitale Verarbeitung und Automatisierung eine enorme Masse an zusätzlichen Daten produzieren, die sich wiederum automatisiert analysieren lässt. Dadurch gelangen wir an Kenntnisse, die zuvor nicht mit vertretbarem Aufwand erworben werden konnten und die wiederum die Basis für neue Entwicklungen bilden. Das reicht quer durch die Gesellschaft – von Produkten, die zielgenau auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden können, über die medizinische Forschung bis hin zur intelligenten Verteilung der vorhandenen Energie oder zur Revolutionierung des Transportwesens durch autonom agierende Fahrzeuge. Derart disruptive technologische Entwicklungen zählen zu den größten unternehmerischen Herausforderungen. Wer mit dem Fortschritt nicht mithalten kann, wird mittelfristig seine Geschäftsgrundlage verlieren. Als Beispiel führen Sie sich nur die Umwälzung in der Fotografie vor Augen: Für Produkte der klassischen Film-Fotographie gibt es heute kaum noch einen Markt.
CM: Inwieweit agiert DATEV als Trendsetter der Digitalwirtschaft?
Prof. Dieter Kempf:
DATEV hat sich die Digitalisierung im Mittelstand auf die Fahnen geschrieben und konzentriert sich dabei auf den Aspekt der Unternehmensprozesse. Entsprechende Entwicklungen treiben wir maßgeblich mit voran. Aktuelle Beispiele sind etwa die Prozesse rund um die Rechnungsbearbeitung wie z.B. mit dem elektronischen Rechnungsstandard ZUGFeRD und das Ersetzende Scannen. Als Enabler für solche digitalen Abläufe unterstützen wir mit unseren Lösungen kaufmännische Prozesse vom Rechnungseingang bis über die Zahlung und den Buchungssatz zum rechtssicheren Archivieren. Cloud-Komponenten sorgen für jederzeitigen Zugriff und standortunabhängige Zusammenarbeit. Die Abläufe können auch über das Unternehmen hinaus verlängert werden, insbesondere indem der Steuerberater eingebunden wird. Für den digitalen Datenaustausch auch mit den Mitarbeitern gibt es ein Arbeitnehmer-Portal. Es liefert Beschäftigten Daten zu ihrem Arbeitsverhältnis wie die Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die Lohnsteuerbescheinigung unkompliziert, aber sicher via Internet. Darüber hinaus fungiert unser Rechenzentrum als Datendrehscheibe bei der Verteilung elektronischer Informationen in Deutschland. Es bindet neben Unternehmen und ihren Steuerberatern auch Kunden und Lieferanten, Behörden und Institutionen, Sozialversicherungsträger, Banken und Logistikdienstleister in den Informationsfluss ein. In einem durchgängig digitalen Prozess werden Daten weitgehend automatisiert und fristgerecht verteilt. So unterstützt es beispielsweise dabei, den statistischen Meldepflichten unkompliziert nachzukommen. Die Daten sind in diesem Prozess stets durch Sicherungssysteme wie Verschlüsselung, Authentifizierung und Rechtemanagement geschützt.
CM: Herr Prof. Kempf, vielen Dank für Ihre Zeit und die gewonnenen Einsichten.
Wir wünschen Ihren Klienten und Ihnen alles Gute und nachhaltigen Erfolg!
Zur Person:
Prof. Dieter Kempf, Jahrgang 1953, ist seit 1996 Vorstandsvorsitzender der DATEV eG. Zuvor war der studierte Diplom-Kaufmann als Steuerberater und als Wirtschaftsprüfer tätig. Seit dem Jahr 2000 nimmt er einen Lehrauftrag an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg im Fach betriebliche Steuerlehre wahr, von der er 2005 zum Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre ernannt wurde. 2011 wurde Kempf zudem zum Präsidenten des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) gewählt sowie als Vize-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) berufen.
Zum Unternehmen:
Die DATEV eG ist das Softwarehaus und der IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren zumeist mittelständische Mandanten. Mit über 40.000 Mitgliedern, nahezu 6.800 Mitarbeitern und einem Umsatz von 844 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2014) zählt die DATEV zu den größten Softwarehäusern in Europa. Mit ihren Lösungen verbessert die 1966 gegründete Genossenschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedern die betriebswirtschaftlichen Prozesse von 2,5 Millionen Unternehmen, Kommunen, Vereinen und Institutionen.
(Quelle: Prof. Dieter Kempf)