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Interview: Prof. Dr. Wolfgang Portisch “Insolvenz, Sanierung und Risikomanagement in Unternehmen”

CM: Prof. Portisch, Sie arbeiteten lange in der Kreditwirtschaft –

wie wird dort mit den Themen Insolvenz und Sanierung umgegangen?

Prof. Dr. Wolfgang Portisch:
Viele Banken haben im Nachgang der Börsenkrise und nach dem Platzen der Dot-Com-Blase Spezialabteilungen eingerichtet, um Sanierungsfälle aktiv zu betreuen, da seit dem Jahr 2000 die Insolvenzenzahlen und die Ausfallrisiken in den Banken stark angestiegen sind. Professionell wird in der Sanierung in allen Kreditinstituten spätestens seit der Umsetzung der Mindestanforderungen an das Kreditmanagement, beziehungsweise der Mindestanforderungen an das Risikomanagement in 2005, flächendeckend gearbeitet. Heutzutage ist die Unterstützung von Unternehmen in der Sanierung üblich und Kreditinstitute verstehen sich als verlässliche Partner in diesem schwierigen Prozess.

Die Begleitung von Konkursen und Insolvenzen wird schon seit längerer Zeit durchgeführt. Eine Professionalisierung der Tätigkeit in den Banken und Sparkassen fand hier mit der Einführung der Insolvenzordnung in 1999 statt. Seitdem sind auch die Optionen einer Sanierung in der Insolvenz mit dem Insolvenzplan oder der Eigenverwaltung beziehungsweise dem Schutzschirmverfahren möglich und werden vielfach realisiert.

CM: Welche Instrumente und Ansätze sollten Unternehmen nutzen, um Risiken frühzeitig zu identifizieren und eine Insolvenz ggf. durch rechtzeitige Maßnahmen bei Eintreten eines Risikos zu vermeiden? Welche Best-Practice Beispiele im Bereich Risk Management fallen Ihnen ad hoc vor diesem Hintergrund ein?

Prof. Dr. Wolfgang Portisch:
Grundsätzlich sollten Unternehmen jeglicher Größenordnung ein Risikomanagementsystem vorweisen, angepasst an die Größe der Firma, die Branche und das Geschäftsmodell. Dies ist auch aus der Gesetzgebung mit der Umsetzung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) für Unternehmen jeglicher Rechtsform verbindlich vorgeschrieben. Konkrete gesetzliche Vorschriften zur Einrichtung eines Überwachungssystems finden sich im AktG (§ 91 Abs. 2 AktG) beziehungsweise aus der Sorgfaltspflicht des ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns bei der GmbH (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Über wichtige Risikobereiche und die Ausprägung des Risikomanagementsystems haben mittelgroße und große Kapitalgesellschaften sowie Konzernmutterunternehmen zudem im (Konzern-)Lagerbericht Bericht zu erstatten.

Zunächst ist eine Organisationsstruktur für das Risikomanagement einzurichten. Diese umfasst die personelle Verantwortlichkeit und die Einführung von Prozessen zur Risikosteuerung. Die Geschäftsleitung sollte sich auch mit den Zielen und der Stoßrichtung des Risikomanagements beschäftigen. Festzulegen sind beispielsweise die Risikoneigung, die Risikotragfähigkeit und Wesentlichkeitsgrenzen bei der Risikoüberprüfung sowie Limits zur Risikobegrenzung. Der Risikomanagementprozess umfasst die Identifikation, die Analyse und Bewertung, die Steuerungsmaßnahmen sowie die Überwachung und das Reporting bedeutender Risikobereiche. Im Maßnahmenbereich ist unter anderem zu entscheiden, welche Finanzinstrumente eingesetzt werden, um bestimmte Risikobereiche auf andere Akteure zu transferieren.

Zur Insolvenzüberwachung ist der Fokus auf die Liquiditätsüberwachung und die Steuerung der Finanzen zu richten, denn die Zahlungsunfähigkeit ist der häufigste Insolvenzgrund. Anregungen zur Umsetzung finden sich in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur.

Meist finden sich Best-Practice Beispiele der Insolvenzvermeidung und der Risikoüberwachung bei Unternehmen, die einen Sanierungsprozess erfolgreich durchlaufen haben. Diese Firmen haben in der Folge der Sanierung meist professionelle Risikomanagementsysteme installiert. Hervorzuheben ist im Rahmen der Insolvenzüberwachung die Einrichtung eines integrierten Planungssystems mit einer Bilanz-, GuV- und Finanzplanung auf der Basis eines leistungsfähigen Softwarepakets. Dieses hilft Zahlungsrisiken frühzeitig zu erkennen und zugleich die interne und die externe Finanzkommunikation zu verbessern.

CM: Welche Trends sehen Sie im Bereich Unternehmensfinanzierung? Worauf müssen sich deutsche Unternehmen einstellen?

Prof. Dr. Wolfgang Portisch:
Diese Frage ist sehr vielfältig und lässt sich nicht in ein paar Sätzen beantworten. Ich möchte es daher sehr allgemein formulieren:

Unternehmen sollten sich um den strategischen Fokus der Finanzierung kümmern und diesen in ihr Zielsystem mit aufnehmen. Die interne Steuerung der Finanzen ist vielfach im Mittelstand nicht optimal. Die Finanzierung ist unstrukturiert auf zu viele oder zu wenige Partner aufgeteilt und damit unausgewogen. Hier sehe ich deutlichen Handlungsbedarf. In der Krise kann allein die finanzwirtschaftliche Lage deutliche Probleme erzeugen und eine Sanierung erschweren. Daher sollten Unternehmen sich frühzeitig mit der eigenen Unternehmensfinanzierung beschäftigen.

Die Konkurrenzsituation wird schwieriger. Da kann die geeignete Finanzstruktur und Finanzkommunikation ein echter erfolgreicher Wettbewerbsfaktor für Unternehmen werden.

CM: Prof. Portisch, vielen Dank für Ihre Zeit und die gewonnenen Einsichten.

Wir wünschen Ihren Kunden und Ihnen alles Gute und nachhaltigen Erfolg!

 


 

Zur Person
Wolfgang Portisch ist seit 2003 Professor für Bank- und Finanzwesen an der Hochschule in Emden. Er ist seit 2009 Leiter des Forschungsbereiches sowie seit 2014 Studiendekan am Fachbereich Wirtschaft. Neben seinem Studium mit dem Abschluss zum Diplomkaufmann und seiner Promotion zum Dr. rer. pol. am Bankenlehrstuhl der Universität Lüneburg, arbeitete er sieben Jahre in der Kreditwirtschaft. Dort trug er unter anderem mit Kreditkompetenz die Verantwortung für zahlreiche Kreditengagements und Sanierungsfälle.

Wolfgang Portisch verfügt über Lehrerfahrung an der Hochschule und hält Vorträge in der Praxis., z.B. für PricewaterhouseCoopers und Euroforum. Zudem ist er für die Frankfurt School of Finance & Management und das Finanz Colloquium Heidelberg in der nebenberuflichen Ausbildung von Bankangestellten und in der Fortbildung von Insolvenzverwaltern und Führungskräften aktiv. Des Weiteren ist er Autor von Fachbüchern, Mitherausgeber einer Zeitschrift und Verfasser von Artikeln in den Forschungsgebieten: Unternehmensfinanzierung, Risikomanagement und Finanzierung.

Zur Institution:
Die Hochschule Emden/Leer ist mit über 4.600 Studierenden eine feste Größe in der nordwestdeutschen Hochschullandschaft und fest verankert in der Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft. Es existieren zahlreiche Kooperationen mit inländischen sowie ausländischen Universitäten und Hochschulen. Beispielsweise bietet der Fachbereich Wirtschaft einen gemeinsamen Masterstudiengang Management Consulting mit der Universität Oldenburg an. Studierende dieses Masters organisieren jährlich das Oldenburger Beratersymposium, das mittlerweile mit der 6. Ausrichtung einen festen Platz im Austausch zwischen der Wissenschaft und der unternehmerischen Praxis hat.

(Quelle: Prof. Dr. Wolfgang Portisch)

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