CM: Managing disruptive change – Wie ist die aktuelle Situation? Warum müssen sich Banken verändern?
Dr. Theodor Weimer:
Banken werden derzeit von vielen Seiten unter Druck gesetzt. Neben einem engeren Regulierungskorsett haben sie mit den Niedrigzinsen zu kämpfen. Zugleich verändert die Digitalisierung das Verhalten ihrer Kunden und beschert ihnen neue digitale Wettbewerber, die in immer mehr Teilbereiche des traditionellen Bankgeschäftes eindringen. Und das alles in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem das Verhalten der Banken sehr kritisch und misstrauisch beäugt wird. Auf Banken wirken derzeit also mehrere disruptive Herausforderungen gleichzeitig. Dies hinterlässt in den Ertragsrechnungen der europäischen Banken deutliche Spuren. Diese Ertragsschwäche der Banken ist strukturell, nicht temporär, und lässt sie gegenüber ihren internationalen Wettbewerbern schlecht aussehen.
CM: In welche Richtung müssen sich Banken neu entwickeln?
Dr. Theodor Weimer:
Es gilt, für die Bankenbranche die richtige Balance zwischen Stabilität und Sicherheit auf der einen Seite sowie Profitabilität und Leistungsfähigkeit auf der anderen Seite zu finden. Konkret bedeutet das: Zum einen müssen Banken ihre Geschäftsmodelle anpassen – in Hinblick auf die neue Regulierungswelt. Aber insbesondere in Hinblick auf den Megatrend Digitalisierung, der unsere Branche in den kommenden zwei Jahrzehnten umfassender und vor allen Dingen schneller verändern wird als jede andere Entwicklung. Zum anderen müssen Überkapazitäten abgebaut werden, da es in unserer Branche bezogen auf die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen zu viele Wettbewerber gibt. Das wird die Konsolidierung beschleunigen. Nicht lebensfähige Wettbewerber werden aus dem Markt ausscheiden.
CM: Wie tun sie es bereits? Ist dies positiv oder negativ zu werten?
Dr. Theodor Weimer:
Alle Banken reagieren auf die digitale Revolution: Alle Filialbanken schließen Filialen, weil die Kunden sie immer weniger nutzen. Das massive Filialsterben, das wir seit Jahren beobachten, ist noch lange nicht zu Ende. Im Gegenteil: Es hat gerade erst begonnen. 2000 entstanden rund 70% der Kundenkontakte in der Filiale, 2010 waren es 30% und für 2015 werden nur noch 5% prognostiziert. Alle Banken arbeiten daher daran, die Online-Angebote für ihre Kunden zu verbessern. Alle investieren in den Ausbau ihrer digitalen Angebote. Für Kunden ist das grundsätzlich positiv. Die Angebotsseite wandelt sich ihren Ansprüchen und den technischen Möglichkeiten entsprechend.
Große Unterschiede gibt es allerdings in der Intensität und der Konsequenz, mit der die Banken auf diese Entwicklungen und veränderten Kundenwünsche reagieren. HVB hat sich für Wahrheit und Klarheit entschieden, für Konsequenz und Schnelligkeit. Wir gelten inzwischen als Vorreiter für die gesamte Branche.
So haben wir im vergangenen Jahr als erste Bank in Deutschland eine umfassende Modernisierung des Privatkundengeschäftes gestartet und schließen diese auch in Rekordzeit bis Ende 2015 ab. In nur 18 Monaten investieren wir über € 300 Mio., um auf der einen Seite die digitalen Zugangswege zu unseren Produkt-, Service- und Beratungsangeboten massiv auszubauen und auf der anderen Seite unser Filialnetz zu straffen sowie alle verbleibenden Filialen komplett zu modernisieren und technisch auf den neusten Stand zu bringen.
Aber auch im Geschäft mit Unternehmenskunden ist ein immer größerer Anteil der Erträge durch die Digitalisierung unter Druck. Folgerichtig ist die Digitalisierung der Angebote auch bei Unternehmenskunden ein weiterer großer geschäftspolitischer Schwerpunkt der HVB.
CM: Was würde passieren, wenn Banken sich nicht ändern? Wer würde unter den Konsequenzen am meisten leiden?
Dr. Theodor Weimer:
Wer Digitalisierung als Gefahr begreift, hat verloren. Gewinnen werden die Banken, die Digitalisierung als Chance für Wachstum, Kundenloyalität und Profitabilitätstreiber begreifen. Alle anderen werden allmählich aus dem Markt scheiden. Die strategische Adaptionsgeschwindigkeit ist bei solch disruptiven Veränderungsprozessen ein zentraler Erfolgsfaktor. Es gilt, schnell und konsequent zu reagieren.
CM: Herr Dr. Weimer, vielen Dank für Ihre Zeit und die gewonnenen Einblicke.
Wir wünschen Ihren Kunden und Ihnen alles Gute und nachhaltigen Erfolg!
Zur Person:
Dr. Theodor Weimer, 55, ist Sprecher des Vorstands der HypoVereinsbank sowie Mitglied des Executive Management Committees der UniCredit.
Zum Unternehmen:
Die HypoVereinsbank ist Teil der UniCredit, einer der größten Bankengruppen Europas. Sie zählt mit rund 18.000 Mitarbeitern und über 700 Geschäftsstellen zu den größten Finanzinstituten in Deutschland. Für die UniCredit verantwortet sie das gesamte Deutschlandgeschäft und ist gleichzeitig das Kompetenzzentrum für das internationale Investment Banking der Gruppe. Wie keine andere deutsche Bank verbindet die HypoVereinsbank eine langjährige regionale Verwurzelung mit einem konzernweiten Banken-Netzwerk in 17 Ländern Mittel- und Osteuropas. Insgesamt ist die HypoVereinsbank über die UniCredit weltweit in rund 50 Staaten vertreten. Über das Bankgeschäft hinaus versteht sich die HypoVereinsbank als Corporate Citizen und pflegt ein intensives gesellschaftliches Engagement in den Regionen, in denen sie tätig ist.
(Quelle: Dr. Theodor Weimer)