Der Begriff “Megatrend” wurde 1982 vom US-amerikanischen Futurologen John Naisbitt geprägt. Der studierte Politologe John Naisbitt, der auch den Begriff “Globalisierung” bekannt machte, ist einer der bekanntesten Trend- und Zukunftsforscher, beriet die US-Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson, ist Professor an diversen Universitäten. Naisbitt wurde in Mitteleuropa durch seine Bücher Megatrends (1982), Megatrends 2000 (1990) und Megatrend Asia (1996) bekannt.
Naisbitt: “Megatrends (… are) large social, economic, political, and technological changes (…), they influence us for some time – between seven and ten years, or longer.”
Der Begriff “Megatrend” ist heute bei Experten, Politikern und in den Medien weit verbreitet und genießt eine wachsende Popularität. Megatrends sind langfristig, nicht kurzfristig beendete Entwicklungen. Sie können über Jahrzehnte Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Ein Megatrend beeinflusst unser gesellschaftliches Weltbild, er beeinflusst unsere Werte und unser Denken. Dabei ist es eine spannende und nicht endgültig diskutierte Fragestellung, ob ein Megatrend einen Wert verändern kann, oder ob ein Wertewandel einen Megatrend initiiert. Eine Fragestellung, die für strategische Unternehmensplanungen entscheidend sein kann, obwohl sie in aller Regel offen bleiben wird. Und allein das macht schon die Problematik des Handlings mit Megatrends deutlich. Ein Megatrend kann (daher) fundamental und grundlegend das Angebot und die Nachfrage einer Ware oder Dienstleistung beeinflussen. Sogar ihre Bedeutung für die Gesellschaft oder ihre Wahrnehmung im sozialen, ökologischen, ökonomischen Kontext. Meistens beeinflusst er die politische und wirtschaftliche Stellung ganzer Branchen, Organisationen und Länder.
Früher wäre wohl der Begriff einer “Epoche” verwendet worden (Louis XV., Viktorianisches Zeitalter,…), heute zeigt sich aber, dass sich unterschiedliche, teils sogar widersprüchliche Megatrends überlagern können und dass sie in verschiedenen Regionen der Welt und in verschiedenen sozialen Milieus unterschiedlich und parallel wirken können und sich unterschiedlich ausprägen und entwickeln.
Der Begriff des “Megatrends” hebt sich insbesondere von Modetrends deutlich ab, die keinen tiefergehenden gesellschaftlichen Einfluss haben und kurzfristig wirken. Diese sind im Gegensatz zum Megatrend primär im Kleidungs-, Konsum-, Musik- und Freizeitbereich zu suchen. Eigentlich sind sie Produkt- oder Branchentrends, die häufig bereits wieder in der nächsten Saison verschwinden und vergessen werden. Dies ist bei einem Megatrend anders. Er ist langfristig wahrnehmbar und verändert die Gesellschaft nachhaltig und umfassend. Und das mitunter sehr dynamisch.
Warum sind Megatrends für die Arbeitswelt der Zukunft wichtig?
Weil sie schon jetzt erkennbare Fingerzeige geben, was, wann, wo und mit welchen weiteren langfristigen Einflussgrößen wirken wird. Nur auf eine Frage werden sie keine Antwort geben: Was man denn machen soll. Die Antwort auf diese Frage erschließt sich erst durch eine konkrete Analyse des Status Quo, seiner unternehmerischen Langfristziele, seiner Work Force-Zusammensetzung vor Ort und der branchenspezifischen Marktsituation. Da das wie das Jonglieren mit unterschiedlich schweren Bällen ist, deren Anzahl zwar bekannt, aber deren Gewicht unterschiedliche Kraftaufwände nötig macht, ist die mögliche Wahrscheinlichkeit zu scheitern gross. Es gilt also die SOLL-Wirkung auf ganz bestimmte Fragestellungen einzugrenzen und die zugehörigen IST-Perimeter exakt zu erfassen.[1]
Doch welche Megatrends gibt es?
Je nachdem, wen man fragt, wo man sucht und welcher Intention die individuelle Wahrnehmung unterlag – und diese kann regional, sozialtypisch und kulturell zu ein und demselben Thema definitionsgemäß(!) völlig unterschiedlich sein – existieren verschiedene Zahlen.
Nehmen wir zum Beispiel diese Aufstellung von 20 Megatrends aus Deutschland:
- Demografischer Wandel[2]
- Neue Stufe der Individualisierung
- Soziale und kulturelle Disparitäten
- Umgestaltung der Gesundheitssysteme
- Wandel der Geschlechterrollen
- Neue Mobilitätsmuster
- Digitale Kultur
- Lernen von der Natur
- Ubiquitäre Intelligenz
- Konvergenz von Technologien
- Globalisierung 2.0
- Wissensbasierte Ökonomie
- Business-Ökosysteme
- Wandel der Arbeitswelt
- Neue Konsummuster
- Umbrüche bei Energie und Ressourcen
- Klimawandel und Umweltbelastung
- Urbanisierung
- Neue politische Weltordnung
- Globale Risikogesellschaft
Schnell wird offensichtlich, dass die Analyse für zwei parallele Fragestellungen noch machbar ist, dann aber ab der dritten Fragestellung schnell zu komplex wird. So kann man beispielsweise Future Work und den demographischen Wandel im Unternehmen optimal miteinander verbinden, doch wenn ich einen weiteren interdisziplinären Aspekt dazunehmen, z.B.: den Wohnort der Zukunft, habe ich schon das typische R3-Problem. Ergo muss ich mich auf Szenarios und Fragen beschränken, die dann, über die Vielzahl von Megatrends betrachtet, am Ende Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
Dennoch komme ich hier in Deutschland nicht umhin genau das versuchen zu müssen. Denn neben der Gestaltung der Arbeitswelt der Zukunft und dem oft thematisierten demographischen Wandel ist die Digitalisierung nicht auszuklammern.[3] Und spätestens jetzt wird deutlich, dass es ein Organisationsprojekt der höchsten Komplexitätsstufe werden wird, das querschnittlich das gesamte Unternehmen betreffen wird.
Was zeichnet Megatrends aus?
1.) Sie sind schon jetzt verifizierbar!
Es gibt schon jetzt empirisch eindeutige und quantitative Indikatoren, die über einen langen Zeitraum, mitunter von Jahrzehnten, existent und nachweisbar sind. Daher haben Projektionen in die Zukunft eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit für darauf basierende Planungen.
2.) Sie sind allumfassend!
Megatrends beschränken sich nicht auf Einzelgruppen oder Individuen, sie beeinflussen und verändern Gesellschaften und ihr (Konsum-)Verhalten, die Ökonomie wie auch die Politik.
3.) Sie sind wirkungsstark!
Megatrends wirken mehrdimensional und haben tiefgreifende Wirkungen auf das soziale, das politische und das ökonomische Umfeld. Dabei gibt es unterschiedliche Ausprägungen, die regional, kulturell und/oder religiös determiniert sind.
4.) Sie sind stabil!
Megatrends leben von der Massendynamik großer Populationen, die als Kollektiv stabile Verhaltensmuster prägen und dadurch berechenbar / stabil werden, weil Einzelphänomene, soweit sie nicht tiefgreifenste Einwirkungen auf die Gesamtheit haben (z.B.: allg. Kriegsausbruch in Mitteleuropa), statistisch untergehen. Sie sind damit also stabile Ausgangspunkte für weitergehende zukunftsgerichtete Planungen für oder von Entwicklungen.
Damit bilden Megatrends einerseits Validität und Entwicklungspotential für strategische, zukunftsfokussierte Planungen, zeigen verifizierbare Tendenzen für eben diese und sind ganzheitlich ausgerichtet.
Future Work – die Arbeitswelt der Zukunft – ist so ein Thema, das, wenn ich es für mein Unternehmen realisierbar bzw. umsetzbar machen will, zunächst eine stabile, verlässliche und ganzheitliche Basis braucht. Wenn man nun Aspekte der Arbeitswelt der Zukunft, und diese sind, für Deutschland betrachtet, schon regional unterschiedlich (z.B.: Boomregion Rhein/Main und ostwärtiges Sachsen), mit den oben genannten Megatrends betrachtet, dann werden schon viele Einflussgrößen und Determinanten sichtbar. Angefangen vom demographischen Wandel, Wandel der Arbeitswelt, Umgestaltung der Gesundheitssysteme bis hin zur Individualisierung, zeigen schon viele Megatrend-Überschneidungen auf, die zum Teil der Lösung werden würden. Das heißt aber nicht, dass all die anderen Megatrends nicht Bestandteil des zu betrachtenden Gesamtrahmens sind, sondern vielmehr, dass sie sehr wahrscheinlich mehr oder minder großen Einfluss haben und hinsichtlich der Fragestellung mit zu überprüfen sind. Jede einzelne Ausprägung ist zu betrachten, zu bewerten und hinsichtlich ihrer zukünftigen Wirksamkeit für den zu erstellenden SOLL-Zustand heranzuziehen.
Die Megatrends geben in ihren Ausprägungen auch einen Fragenhilfskatalog vor, der nach der Definition des IST-Zustandes zum planerischen SOLL-Zustand führt, der dann meine zukünftige Arbeitswelt beleuchten hilft. Damit sind die Megatrends – oder könnten es sein – einerseits das inhaltliche Lineal zu einem Gestaltungsziel hin, wie auch andererseits der Makrorahmen für mein späteres Arbeitsergebnis. Die weitere planerische Ausgestaltung der Einzelmerkmale an sich, wäre dann die Mikroebene, die dann mehrdimensional ineinandergreifen würde und müsste.[4]
Somit bieten Megatrends Chance und Ziel zugleich. Einerseits ermöglichen sie strategische Planungen auf einer statistisch sicheren Ausgangsbasis mit eindeutiger Trenddefinition in die Zukunft hinein, doch andererseits ist die spezifische und für das Unternehmen richtige Auswahl der relevanten Megatrends, sowie deren Verpflechtungen, mitunter mit einem Risiko verbunden. Doch dieses Risiko tritt deutlich hinter der Chance zurück, eine sichere Grundlage zu haben, auf die ich aufbauen kann. Strategische Absatzprojekte sind da oft wesentlich schlechter hinsichtlich zukünftiger, erfolgskritischer Wirkung aufgestellt, während die Produktentwicklung Megatrends schon lange nutzt.
Für die Arbeitswelt der Zukunft sind Megatrends letztlich schon sehr spezifische Antworten auf wichtige Fragen rund um das Thema an sich. Sie bilden von sich aus noch keine Vorgehensmodelle, weisen aber eindeutige Zusammenhänge für die Planung, Konzeption und Umsetzung einer ganzheitlichen Strategie auf, die schon – oder gerade(!) – im Vorprojekt relevant sind.[5]
Ein Unternehmen auf die Erfordernisse von Future Work vorzubereiten ist kein Projekt, das man “zwischen Tür und Angel”, aber tatsächlich nebenher mal auch erledigt. Zu erledigen hat. Es ist das größte Organisationsprojekt, das auf viele Unternehmen zukommt. Es ist nicht wie SEPA, das in seiner organisatorischen Dimension auch fahrlässig unterschätzt wurde und sogar eine Stichtagsverlängerung (!) erfuhr, sondern eher epidemisch. Ein schleichender, sich punktuell (branchen- und regionaltypisch) eskalierender Verfall durch Überalterung, wegbrechende Fachkräfte, falsche, weil nicht altersgerechte Produktionsstrukturen, stetig zunehmenden Kapitalbedarf für Personal- und Produktivitätserhalt sowie ein gesellschaftlicher Wandel bis hin zu gravierenden volkswirtschaftlichen Veränderungen, unter enormem Konfliktpotential im gesamtgesellschaftlichem Umfeld.
“Junge Branchen” wie die Agenturbranche an sich, mit dynamischen und zum Teil auch gewollten Fluktuationen, haben schon jetzt erkennbare Herausforderungen, ihre Personaldecke zu halten, während viele KMU das frühere Ausscheiden ihrer älteren Mitarbeiter befürchten und schon in der Rente mit 63 einen Fachkräftemangel erkennen. Fachkräfte in einer Altersklasse, über die Agenturen eher lachen. Noch…[6]
Doch die eigentliche Dimension ist viel gravierender. Und bisher habe ich keinen Megatrend gesehen, der das umfänglich abbildet, weil er in seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung eigentlich 1932 untergegangen ist. Die keynsianische Volkswirtschaftstheorie (durch Staatsverschuldung die Wirtschaft anzukurbeln) hatte damals die klassische Wirtschaftstheorie (Staatsausgaben nur in Höhe der Staatseinnahmen) abgelöst. Der moderne Staat wird aber wie anno 1929 wieder nur das ausgeben können (nicht wollen), was er einnimmt, da die Staatsverschuldung die Obergrenze erreicht und vielerorts schon überschritten hat und (!) die globale Finanzverpflechtung ohnehin nationalstaatliches regulierendes Handeln ad absurdum führt.
Mit der Finanzkrise 2008 ff. wurde die Grenze des Machbaren deutlich. Und diese Wirkungszusammenhänge, volkswirtschaftlichen Veränderungen, ordnungspolitischen Veränderungen im staatlichen Handeln sowie deren Zusammenhänge in Zeiten absolut leerer Kassen, ist ein Megatrend, der noch nicht begründet ist, der aber alles jetzt schon erkennbar überschattet und sich daher abzeichnet. Der letzte Aspekt wird die strategische Planung für die Arbeitswelt der Zukunft eines jeden Unternehmens mit Sicherheit berühren, wenn nicht sogar stark beeinflussen. Und weil es keinen Stichtag gibt, sondern eine fortschreitende Entwicklung auf der Zeitachse, ist ein weiterer Megatrend betroffen, den es aber schon seit Anbeginn der Zeit gibt: die Tendenz, erstmal abzuwarten, nichts zu tun und zu sehen was kommt. Auch dazu gibt es eine Erkenntnis: Zeit, die verstrichen ist, bekommt man nicht wieder…[7]
Und das ist die erste Herausforderung an die Arbeitswelt der Zukunft:
Rechtzeitig anfangen sie zu gestalten!
Quellen:
[1] Vgl.: Rauschenberger, Sascha (2014): “Future Work und Megatrends – Herausforderungen und Lösungsansätze für die Arbeitswelt der Zukunft: Ein Kompendium zum demographischen Wandel” (Windsor Verlag)
[2] Vgl.: Rauschenberger, Sascha (2015): “Joint Future Work – Ein Tsunami verändert die Arbeitswelt der Zukunft” (Conplore Magazine)
[3] Vgl.: Rauschenberger, Sascha (2014): “Joint Future Work und Digitalisierung: Chance für den demographischen Wandel – Gedanken zur Umsetzung” (Conplore Magazine)
[4] Vgl.: Rauschenberger, Sascha (2014): “Future Work ist Organisationsentwicklung – mit Hindernissen” (Conplore Magazine)
[5] Vgl.: Future Business Consulting (2014): “Umsetzungsplan Future Workforce : 12 Schritte in die Arbeitswelt der Zukunft – Steps 1 bis 5: Die erfolgskritische Vorbereitung des Projektes ”
[6] Vgl.: Rauschenberger, Sascha: “Demografischer Wandel und Future Work: Kostendruck für die Wirtschaft” (Future Business Consulting)
[7] Vgl.: Rauschenberger, Sascha (2015): “Joint Future Work – Ein strategisches Gesamtkonzept für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im demographischen Wandel ” (Conplore Magazine)