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Interview: Dr. Andreas Neus “Unternehmerische Innovationsblindheit – was bedeutet diese für Unternehmen?”

Beitrag von: Dr. Andreas Neus

Unternehmen: GfK Verein

CM: Herr Dr. Neus, Sie sprechen von “unternehmerischer Innovationsblindheit”. Was verstehen Sie darunter?

Andreas Neus:
Als Marktforscher beobachten wir immer wieder erfolgreiche Unternehmen – oft sogar Marktführer – die zu zögerlich auf disruptive Innovationen reagieren, die ihren Markt verändern und den Kern ihres Geschäftsmodells in Frage stellen. Beispiele sind der Wandel von der Analog- zur Digitalfotografie, vom klassischen Mobiltelefon zum “Smartphone” oder vom klassischen Versandhandel zum Internet: Bei jedem dieser Transformationsprozesse gab es große Anbieter, die nicht rechtzeitig reagiert haben und Insolvenz anmelden mussten. Dieses Symptom nennen wir “Innovationsblindheit”, denn diese vormals sehr erfolgreichen Unternehmen verhalten sich weiter so, als würden sie die Innovation in ihrem Markt nicht ausreichend zur Kenntnis nehmen.

CM: Was bedeutet diese Innovationsblindheit für Unternehmen? Was sollten sie tun?

Andreas Neus:
Innovationsblindheit kann verschiedene Ursachen haben: eine schlechte Marktsensorik, ein schwaches Verständnis, was die Kunden an den eigenen Angeboten genau schätzen, oder mentale Modelle der Entscheider, die zu sehr von der Lösungsperspektive eines Anbieters geprägt sind, anstatt sich an den Problemen ihrer Kunden zu orientieren. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass Marktumwälzungen heute deutlich schneller ablaufen können, als noch vor 20 Jahren. Dazu tragen u.a. die Transparenz durch das Internet und neue mobile Endgeräte bei. Für viele Menschen, gerade in schnell wachsenden Ökonomien, ist das Smartphone zur wichtigsten Schnittstelle zum Internet geworden und eröffnet Kunden eine neue Qualität der Markt- und Preistransparenz.

CM: Welche Rolle spielt die Entscheidungsqualität?

Andreas Neus:
Viele Unternehmen beschäftigen sich schon länger mit dem Thema “Datenqualität”. Dies ist wichtig, aber nur der erste Schritt. Denn es geht ja nicht um die Daten selbst, sondern um neue Erkenntnisse zu Chancen und Handlungsoptionen im Markt. Hier gibt es bei vielen Unternehmen aber einen Engpass: Der Bestand an verfügbaren Daten und Informationen wächst schneller als die nötige Zeit und das Know-How, um diese sinnvoll zu nutzen. Es geht darum, adäquate Analyse-, Modellierungs- und Visualisierungsmethoden auf empirische Daten anzuwenden, um Manager dabei zu unterstützen, gute Marktentscheidungen zu treffen. Dazu gehört auch die Überwindung typischer Entscheidungsfehler, die gerade bei wichtigen Entscheidungen unter hoher Unsicherheit auftreten.

CM: Worauf kommt es folglich im Gestaltungsbereich “Digitales Management” zukünftig an?

Andreas Neus:
Digitales Management muss sich der Herausforderung stellen, Wertangebote und Geschäftsmodelle zu designen und zu managen, die in einem globalen Wettbewerb um Kunden, Partner und Talent bestehen können. Und dies in Märkten mit sinkenden Eintrittsbarrieren und steigender Transparenz und Veränderungsgeschwindigkeit. Das Risiko von Fehlentscheidungen am Markt kann auf Basis empirischer Daten und einem soliden Methodenfundament verringert werden. Die Geschwindigkeit der Analyse von Handlungsoptionen wird ähnlich wichtig werden wie ihre Qualität – und damit zu einer neuen Qualitätsdimension. Außerdem kann viel schnelleres Feedback vom Markt eingeholt werden, z.B. durch A/B Tests.

CM: Wie sieht die Marktforschung der Zukunft aus?

Andreas Neus:
Ich glaube, die Kernaufgabe der Marktforschung wird bleiben: Unternehmen zu helfen, ihren Markt, ihre Kunden und Trends zu verstehen, um bessere Entscheidungen zu treffen. Allerdings ändern sich die Methoden. Ein guter Fragebogen war lange Zeit das zentrale Paradigma der Marktforschung und ist auch heute in vielen Fällen noch die Methode der Wahl. Doch als Denkmodell aus der analogen Welt setzt der Fragebogen auch unnötig enge Grenzen.

Neuere digitale Werkzeuge erlauben einen ganz neuen Methodenmix. Dabei verschmelzen quantitative und qualitative Marktforschung und die Entwicklung neuer Methoden ist nötig. Hier wird die Kunst darin bestehen, die neuen Möglichkeiten der digitalen Welt sinnvoll zu nutzen, ohne sich aber von der Datenflut in ein Korsett zwängen zu lassen, das den unternehmerischen kreativen Geist ersticken kann.

CM: Herr Dr. Neus, vielen Dank für Ihre Zeit und die gewonnenen Einsichten.

Wir wünschen Ihren Klienten und Ihnen alles Gute und nachhaltigen Erfolg!

 


Zur Person:
Dr. Andreas Neus, Leiter Hochschulkooperationen und stellvertretender Geschäftsführer, GfK Verein. Dr. Andreas Neus ist seit 2013 beim GfK Verein für die Programme zur Ausbildung der nächsten Generation von Marktforschern verantwortlich. Dazu zählt sowohl das Verständnis der sich wandelnden Anforderungen an unternehmerische Entscheidungen und Entscheidungsstrukturen als auch der Ausbau universitärer Programme für Marktforscher in schnell wachsenden Märkten in Asien und Afrika. Ziel ist es, den Informationsbedarf einer neuen Generation digitaler Entscheider in zunehmend beschleunigten Märkten zu verstehen, um Herausforderungen wie Komplexität und Innovationsgeschwindigkeit sinnvoll zu bewältigen. Vor seiner Tätigkeit beim GfK Verein leitete Dr. Neus das Service Innovation Lab am Karlsruhe Service Research Institute des KIT und war in Amsterdam beim IBM Think-Tank “Institute for Business Value” für Media & Entertainment in EMEA verantwortlich. In der IBM Strategy & Change Practice leitete er seit 1999 Innovations- und Digitalisierungsprojekte für Medienunternehmen in Europa und Nordamerika.

Zum Unternehmen:
Der GfK Verein ist eine 1934 gegründete Non-Profit-Organisation zur Förderung der Marktforschung. Er setzt sich aus 550 Unternehmen und Einzelpersonen zusammen. Zweck des Vereins ist es, innovative Forschungsmethoden in enger Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen zu entwickeln, die Aus- und Weiterbildung von Marktforschern zu fördern und die für den privaten Konsum grundlegenden Strukturen und Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu verfolgen sowie deren Auswirkungen auf die Verbraucher zu erforschen. Der GfK Verein ist Gesellschafter der GfK SE. Weitere Informationen unter www.gfk-verein.org.

(Quelle: Dr. Andreas Neus)


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