Touristikunternehmen verkennen ihren Beratungsbedarf oftmals oder (re)agieren zu spät
Die Reiseindustrie ist eine sehr spezielle und facettenreiche Branche, die vor allem für Branchenfremde nur schwer zu fassen ist. Touristische Unternehmen profitieren nach wie vor von zahlreichen strategischen Optionen und branchentypischen Wachstumsraten, obgleich sich die Querschnittsbranche im Wandel befindet und vor großen Herausforderungen steht. Einerseits eröffnen Deregulierung, Konsolidierung und Privatisierung neue Möglichkeiten für Wachstum und Kooperationen mit anderen Marktteilnehmern, andererseits steigt zeitgleich der Anspruch an operative Qualität und Rentabilität der Unternehmen. Um in einem solch wettbewerbsintensiven Umfeld Vorteile gegenüber der Konkurrenz erzielen zu können, müssen vielfältige Herausforderungen gemeistert werden.
Unternehmenslenker müssen sich heutzutage mehr denn je mit einem Spannungsfeld zwischen Wachstum, Kostendruck, Innovationen und einer abnehmenden Kundenloyalität auseinandersetzen. Neben der Entstehung neuer Absatzmärkte, beeinflusst durch die fortschreitende Globalisierung im Sinne freien Handels und der Entwicklung einstiger Schwellenländer zu mitunter hoch entwickelten Industrie- und Dienstleistungsstandorten, haben sich auch Wettbewerber aus neuen Märkten entwickelt, die vergleichbare Produkte und Dienstleistungen mit einem geringeren Kapitaleinsatz oder einer geringeren Kostenbasis produzieren und vermarkten. Als Beispiel können die Fluggesellschaften der Vereinigten Arabischen Emirate (Emirates, Etihad, Qatar) gelten.
Zeitgleich wirken neue Technologien wie Big Data, Analytics, Mobile oder Cloud Computing in Zusammenhang mit der rasant fortschreitenden Digitalisierung auf die Unternehmen und Organisationen der Reiseindustrie ein. Prozesse von Produktion über Marketing und Vertrieb bis hin zu Human Resources werden dadurch, ebenso wie Geschäftsmodelle als auch Produkte und Services, verändert.
Der spezifische Beratungsbedarf der Unternehmen in der Reiseindustrie ergibt sich sowohl aus allgemeinen gesellschaftlichen Trends (Globalisierung, Kostendruck, Spezialisierung, demographischer Wandel, Ubiquitous Internet, Mobilität, Virtualisierung, Nachhaltigkeit) als auch brancheninternen Veränderungen. In den nächsten fünf Jahren wird die Reisebranche vor allem durch sieben strukturelle, gesellschaftliche und technologische Veränderungen vor große Herausforderungen gestellt: (1) Individualisierung, (2) Fragmentierung, (3) Wisdom of Crowds, (4) Cross Channel/Omni Channel, (5) Leitveranstalterintegration, (6) Wertschöpfungsverlagerung und (7) Dezentralisierung.
Diese Meta-Changes müssen frühzeitig erkannt und im Rahmen der eigenen Unternehmensentwicklung antizipiert werden. Die steigende Volatilität der Kundenwünsche geht hier mit schnellen Veränderungen und einer steigenden Komplexität der Produkt- und Serviceangebote einher. In der Reisebranche spielt außerdem das Thema Nachhaltigkeit respektive das Stichwort “ökologischer Fußabdruck” eine besonders wichtige Rolle, konstatiert Jürgen Büchy, Gründer und Geschäftsführer der The Travel Consulting Group.
Aktuell bedarf es in der Reiseindustrie einer generellen Beratung bei neuen Medien, Produktionsformen und -typen, Vertriebskanälen sowie Produkten, um sich bestmöglich an die neuen Käufermärkte anpassen zu können. Der Ursprung der Touristikbranche liegt in den 1970er Jahren, viele Geschäftsmodelle sind mittlerweile am Ende ihrer Laufzeit oder haben den Zenit bereits überschritten. Die Selektion der Kunden und das Scoring der vorhandenen Kundendaten wird zukünftig immer wichtiger.
Im Rahmen der Individualisierung geht es speziell darum, die Ansprüche der vielschichtigen und zugleich hybriden Kundengruppen zu verstehen und dementsprechend individuelle Reiseangebote zu kreieren, die wiederum mit den Gegebenheiten vor Ort harmonieren.
Die größte Herausforderung im IT-Bereich besteht für die bisher eher nicht sehr technikaffine Reiseindustrie nun darin, mit den technologischen Entwicklungen aus anderen Industrien Schritt zu halten und eventuell auch eigene innovative Konzepte zu entwickeln. Das Internet hat die (Preis-)Transparenz im Markt bereits deutlich erhöht, der Wettbewerb findet häufig fast ausschließlich über den Preis statt. Die Unternehmen stehen dadurch vor der Herausforderung, eine Kundenbindung über andere (qualitative) Kriterien zu erreichen.
Die Reiseindustrie ist eine Wachstumsbranche, die in den nächsten Jahren in vielen Segmenten – derzeit vor allem im Kreuzfahrtbereich – erheblich an Bedeutung gewinnen wird, da sich der Trend zu einer “Mobilitäts- und Freizeitgesellschaft” zukünftig noch weiter fortsetzt. Die zunehmende Komplexität einzelner Wirtschaftszweige und Fachgebiete wird die Tendenz zur Konsultierung von Spezialisten noch weiter verstärken. Der spezifische Beratungsbedarf der Reiseindustrie muss dazu, auch bedingt durch einige Veränderungsprozesse innerhalb der Branche, permanent neu analysiert und festgestellt werden. Nach den Erkenntnissen dieser Untersuchung ist die Branchenspezialisierung in der Reiseindustrie deutlich verbreiteter als eine funktionale Spezialisierung.
Letztendlich scheint eine Kombination aus Generalisten und Spezialisten für die Bewältigung der diversen Herausforderungen (Meta-Changes) die beste Lösung zu sein, stellen auch Experten mit langjähriger Beratungserfahrung in der Reiseindustrie als zutreffend heraus.
Generell sollten Beratungsunternehmen, die in der Reiseindustrie tätig werden möchten, eine tiefe Kenntnis des Marktes des Auftrag gebenden Klienten aufweisen, eine klare Abgrenzung (USP) und gute Vernetzung in der jeweiligen Branche / am jeweiligen Markt aufweisen und vor allem die gleiche (Fach-) Sprache des Klienten sprechen. Ebenso sind ein Angebot nachhaltiger Lösungen, die persönlichen Kompetenzen des Consultants (Glaubwürdigkeit, Ausstrahlung et cetera) sowie ein respektvoller Umgang mit dem Klienten als Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von essenzieller Bedeutung. Summa summarum ist es für die Beratungsunternehmen, unabhängig von der Ausrichtung der Beratungsleistung, erfolgsentscheidend, ein Verständnis für die Unternehmen und spezifischen Prozesse der Reiseindustrie zu entwickeln, auf dessen Basis dann ein individuelles und pragmatisches Erfolgskonzept erstellt werden sollte.
Nach den Erkenntnissen der Studie “Erfolgsfaktoren des Consulting für Unternehmen der Reiseindustrie – Generalisten versus Spezialisten” zeichnet sich die Reiseindustrie – im Vergleich zu anderen Branchen – durch eine äußerst geringe Beratungsaffinität aus. Der Bedarf an (externer) Beratung in der Reiseindustrie kann, auch unter Berücksichtigung der Aussagen aus diversen Gesprächen mit Top-Führungskräften und Experten aus der Reiseindustrie sowie aus der Beratungsbranche, als sehr hoch eingeschätzt werden – die Erkenntnis darüber scheint bei vielen Akteuren in der Branche allerdings eher gering.
Der Großteil der Unternehmen der Reisebranche kann bisher augenscheinlich keine oder nur wenig Erfahrung mit externen Unternehmensberatungen aufweisen. Gegenwärtig ist gleichwohl aber eine leichte Zunahme bei der Konsultierung externer Beratungen zu beobachten. Die Beraterauswahl ist dabei vor allem auch ein “Value-for-money”-Thema, da manche Fragestellungen theoretisch für beide Ausrichtungen der Beratungsleistung infrage kommen. Die kritische Erfolgsfrage bei der Auswahl der Berater betrifft letztendlich primär die Umsetzbarkeit der Ergebnisse, so Jürgen Büchy, Gründer und Geschäftsführer der The Travel Consulting Group. Die Ergebnisse und ausführliche Informationen zu dieser Studie sind als Buch oder eBook erhältlich.