Tourismus-Interview mit Monica Cebotari von Canado Club teilen!
„Touristen übernehmen die Aufgaben von Agenturen immer häufiger selbst“
Conplore-Interview mit Monica Cebotari vom Canado Club
Die Tourismusindustrie hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Neben der voranschreitenden Digitalisierung sind es vor allem sich wandelnde Ansprüche der Touristen, die die Branche vor immer neue Herausforderungen stellen. Wir haben uns mit Monica Cebotari von dem berühmten italienischen Familienhotel Canado Club in der Toskana über aktuelle Entwicklungen unterhalten.
„Tourismus ist analytisches People Business“
Hotel-Interview mit Monica Cebotari von Canado Club
Conplore: Guten Tag, Frau Cebotari! Sie leiten ein erfolgreiches Familienhotel in der Toskana und kennen die aktuellen Branchenentwicklungen aus erster Hand. Ehe wir etwas näher auf Ihre tägliche Arbeit eingehen, lassen Sie uns zunächst einen Blick auf Ihren Werdegang werfen. Wie sind Sie mit der Hotelbranche in Berührung gekommen?
Monica Cebotari:
Kein Problem! Ich wurde in Rumänien in der ehemaligen Sowjetunion geboren, in einem Gebiet, das vorher zu Ungarn gehörte. Meine Mutter ist Ungarin, mein Vater stammt aus Italien. Da ich außerdem als Kind eine Grundschule in deutscher Sprache besuchte, beherrschte ich bereits früh vier Sprachen. So hatte ich schon in jungen Jahren einen starken Bezug zu Interkulturalität, was auch einer der Grundsteine meiner späteren Tätigkeit werden sollte.
Den nächsten wichtigen Schritt machte ich nach meinem Jura-Studium. Ich fühlte mich in der damaligen Arbeitsumgebung und den damaligen politischen Zuständen in Ungarn nicht wohl, weshalb ich viel herumreiste und umfassende Erfahrungen als Rezeptionist sammelte.
Conplore: Wie stiegen Sie dann tiefer in die Hotelbranche ein und wie wurden Sie Geschäftsführerin eines Familienhotels in der Toskana?
Monica Cebotari:
Nachdem ich einige Zeit in Italien gearbeitet hatte, ging ich nach Spanien und Deutschland. Auf meinem Rückweg 2009 sammelte ich erste Erfahrungen als Empfangschefin und Leiterin des Innendienstes im Canado Club, wo ich auch drei Jahre lang blieb. Danach trat ich eine Stelle als kaufmännische Leiterin bei einer anderen bekannten Hotelkette an, in deren Diensten ich für acht Jahre stand. Danach nahm ich dann die Stelle der Geschäftsführerin im Canado Club an. In diese Zeit fällt auch mein Master-Abschluss im Bereich Hotelmanagement.
Conplore-Hotelinterview mit Monica Cebotari vom Familienresort Canado Club in Italien | Bild von Monica Cebotari – Alle Rechte vorbehalten
Conplore: Welchen besonderen Reiz übt die Tourismus-Industrie auf Sie aus?
Monica Cebotari:
Die besondere Faszination der Tourismusbranche ist für mich klar auf ihren Facettenreichtum zurückzuführen. Einerseits handelt es sich hier um ein klares People Business, bei dem es darum geht, die Bedürfnisse von Menschen zu verstehen und ihnen die bestmögliche Urlauserfahrung zu ermöglichen. Auf der anderen Seite spielen auch analytische Aspekte rund um die Themen Management und Budget-Kontrolle eine zentrale Rolle.
Conplore: Wie viele Mitarbeiter umfasst das Team Ihres Familienhotels?
Monica Cebotari:
Hier kommt es ganz auf die jeweilige Jahreszeit an. Im Winter, wenn unsere Anlage geschlossen ist, leite ich ein Sales- und ein Marketing-Team, das neben mir drei Leute umfasst. Darüber hinaus gibt es noch zwei Verwaltungsmitarbeiter und vier weitere Angestellte für alle übrigen Aufgaben. In der Sommerzeit, wenn unser Resort geöffnet ist, leite ich ein Team mit mehr als 120 Mitarbeitern.
Conplore: Auf welcher Zielgruppe liegt Ihr Fokus?
Monica Cebotari:
Wir vom Canado Club betrachten es als unsere Hauptaufgabe, Familien mit Kindern von 0 bis 6 Jahren eine tolle Urlaubserfahrung zu bieten. Und tatsächlich gehören wir zu den wenigen italienischen Resorts, die Bildungs- und Unterhaltungseinrichtungen für Kinder ab einem Jahr im Angebot haben.
Conplore: Was sind die Geheimnisse Ihres Erfolgs?
Monica Cebotari:
Hier kann man eigentlich nicht von Geheimnissen sprechen. Was wir erreichen, erreichen wir durch Leidenschaft, Hingabe und Aufopferungsbereitschaft.
„Reisende werden immer mehr zu ihren eigenen Agenturen“
Conplore: Welche Auswirkungen haben die aktuellen geopolitischen Entwicklungen, die unmittelbar im Anschluss an die Corona-Pandemie an Dynamik gewonnen haben?
Monica Cebotari:
Die aktuellen Krisen rund um Inflation, Rohstoffknappheit und Ukraine-Krieg haben sich gravierend auf die Tourismusbranche ausgewirkt. Eine wesentliche Auswirkung bestand darin, dass sich die Reisenden mehr Flexibilität wünschten, z. B. bei der Stornierung von Urlauben. Daran mussten wir unsere Geschäftspolitik ausrichten, z. B. in Form von individuellen Paketen.
Darüber hinaus hatten wir aber auch Glück. Schließlich unterliegt die Corona-Pandemie saisonalen Schwankungen und ihre Dynamik verringert sich während der Sommermonate. Dadurch hielten sich die Verluste in Grenzen. Tatsächlich trafen viele Italiener die Entscheidung, nicht ins Ausland zu verreisen, sondern stattdessen Urlaub in der Heimat zu machen. Entsprechend ausgelastet waren unsere Anlagen.
Conplore: Wie entwickelt sich die Tourismus- und vor allem die Hotelbranche aktuell?
Monica Cebotari:
Das Thema Familie wird immer wichtiger, wenn es um Hotels und alle anderen Arten von Unterkünften geht. Immer mehr Kunden legen Wert auf eine ganzheitliche Betreuung, die auch Kleinkindern alles bietet, was sie brauchen. Die Branche hat sich darauf eingestellt und mit den Jahren ist es immer leichter geworden, familienfreundliche Hotels zu finden, die ein umfassendes Angebot bereitstellen.
Reisende sollten hier aber genau hinsehen. Nicht selten wird auch nur mit dem Prädikat ‚Familienfreundlich‘ geworben, ohne dass der Service letztlich den damit verbundenen Anforderungen entspricht. Wir vom Canada Club legen großen Wert darauf, ein familienorientiertes Service-Angebot bereitzustellen, das seinen Namen auch zu Recht trägt.
Conplore: Vor welchen Herausforderungen steht Ihre Branche aktuell?
Monica Cebotari:
Als einer der größten Reiseveranstalter Insolvenz anmeldete, zeigte das deutlich die nachlassende Bedeutung klassischer Reisebüros. Heute legen Reisende Wert darauf, selbst die volle Kontrolle zu haben und sich ihren Urlaub ganz nach ihren individuellen Vorstellungen zusammenzustellen. Dafür nutzen sie immer häufiger spezialisierte Suchmaschinen.
Allerdings bietet die Buchung direkt beim Anbieter auch heute noch zahlreiche Vorteile wie eine größere Flexibilität und bessere Buchungsbedingungen. Die Tourismusbranche sollte deshalb Reisende wieder mehr ermuntern, selbst in Kontakt mit den Hotels zu treten.
Conplore: Wie ist der Stellenwert der Digitalisierung in der Tourismusbranche?
Monica Cebotari:
Unsere Kunden erwarten eine Urlaubsumgebung, die technologisch den aktuellen Stand widerspiegelt. Oft erreichen uns beispielsweise Anfragen, ob es möglich ist, im Urlaub remote zu arbeiten und entsprechend ausgestattete Unterkünfte bereitgestellt zu bekommen.
Doch wir haben auch Teile unseres Services digitalisiert. So bieten wir zum Beispiel eine App an, über die unsere Gäste Tische in Restaurants reservieren, Tennisplätze buchen oder Anweisungen an den Hausmeister, die Wäscherei oder die Rezeption schicken können.
Conplore: Welche Ziele haben Sie mit Ihrem Unternehmen in den kommenden Jahren?
Monica Cebotari:
Ich möchte meinen Beitrag leisten, Canado Club in den kommenden Monaten und Jahren zu den führenden Anbietern im Familienbereich zu machen. Im Moment führen wir weitreichende Renovierungsarbeiten durch, um unseren Kunden eine noch komfortablere Urlaubserfahrung bieten zu können. Dabei erneuern wir sowohl die Unterkünfte als auch die Gemeinschaftsanlagen.
Conplore: Dann wünschen wir für die Zukunft alles Gute und danken Ihnen für das informative Gespräch.
Titelbild: Toskana Italien – Bild von Hans Bischoff – Bischoff49 | pixabay.com