CM: Unternehmenskommunikation –
Was war sie gestern, was ist sie heute?
Prof. Dr. Christof Ehrhart:
Traditionell sieht sich die Unternehmenskommunikation im Spannungsfeld zwischen innen (unternehmens-intern) und außen (unternehmens-extern). Diese Logik nimmt ihren Ausgangspunkt bei zwei wesentlichen Exponenten der PR-Gründerzeit, Edward Bernays und Arthur Page. Zwar lassen sich leichte Differenzierungen in ihrer Argumentation erkennen: Wo Bernays als Ziel der internen und externen Kommunikationsarbeit engineering of consent (Bernays 1952) im Interesse des Unternehmens sah, stellte Page building good will for the company (Page 1932) in den Vordergrund. Man könnte auch von monologischer und dialogischer Schwerpunksetzungen in der Kommunikationsarbeit sprechen, die man noch heute im Kommunikationsmix von Unternehmens finden kann.
Im Zeitalter der ökonomischen Postmoderne sorgt die vom Nutzer geforderte und von den digitalen Medien vermittelte kommunikative Permeabilität der sozialen Systeme Gesellschaft und Unternehmen für eine weitgehende Überlappung zuvor getrennter Sphären. Kontrollierte Kommunikation von innen nach außen verliert damit ihr Alleinstellungsmerkmal. Unter diesen neuen Bedingungen müssen Unternehmen wechselseitige Informationsströme zulassen und hierfür auch geeignete Plattformen bereitstellen. Auf diesem Wege wird auch die Grenze zwischen klassischer Unternehmenskommunikation, die vor allem Meinungsführer und Meinungsvermittler anspricht, und der Marktkommunikation, die Nachfrageinteresse in der breiten Gesellschaft generieren will und konstruktiven Dialog mit Kunden und anderen Anspruchsgruppen organisiert, fließend.
CM: Welche Faktoren spielen im Bereich Unternehmenskommunikation zunehmend eine wichtige Rolle? Weshalb?
Prof. Dr. Christof Ehrhart:
Globalisierung, Digitalisierung und gestiegene Anforderungen an Nachhaltigkeit sind Megatrends, die neue Marktbedingungen schaffen, denen sich auch die Unternehmenskommunikation mit allen ihren Teildisziplinen stellen muss.
Dabei hat das Maß an Volatilität der ökonomischen und sozialen Verhältnisse, in denen Unternehmen sich das Ansehen ihrer Stakeholder verdienen und bewahren müssen, im letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen. In der Folge befinden sich Unternehmen mehr denn je im Zustand der latenten Krise. Wo in der Vergangenheit oftmals der Maßstab der Legalität zur Unterscheidung zwischen unternehmerisch “geboten” und “zu verwerfen” genügte, rückt heute der Aspekt der Legitimität – und damit die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz – in den Vordergrund.
CM: Welche neuen Instrumente werden wichtiger?
Welche verlieren an Bedeutung?
Prof. Dr. Christof Ehrhart:
Wenn Kommunikationskanäle angesichts der Digitalisierung nicht mehr knapp sind, sondern via Social Media aus passiven Zielgruppen jederzeit aktive Stakeholder werden können, und zugleich die Anforderungen an das Unternehmertum deutlich über den wirtschaftlichen Erfolg hinausgehen, dann ergeben sich offensichtlich auch fundamental neue Anforderungen an eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation.
So bewegt sich bei Deutsche Post DHL Group zum Beispiel die interne Kommunikation auf Augenhöhe mit anderen Disziplinen der Unternehmenskommunikation wie Media Relations oder Corporate Branding – im Falle wesentlicher Veränderungsprozesse und in Phasen der strategischen Neuausrichtung hat sie sogar eine Führungsrolle. Dabei hat sich in den vergangenen Jahren die Arbeitsweise von der monologischen Kaskade zur dialogischen Vernetzung fundamental gewandelt. Das betrifft die bereitgestellten Kanäle und Formate ebenso wie die strategische Gesamtausrichtung der internen Kommunikation, die heute im Wesentlichen eine Plattform für den permanenten Austausch zwischen den Mitarbeitern bereitstellt, zu dem sie selbst Beiträge leistet, den sie aber nicht dominiert.
CM: Die häufigsten Fehler in der Unternehmenskommunikation?
Prof. Dr. Christof Ehrhart:
Gelungene Unternehmenskommunikation muss sich der Aufgabe stellen, überzeugende Antworten auf von außen herangetragene Fragen zu geben und Plattformen für den Dialog (nach innen wie außen) bereitzustellen.
In diesem Sinne verstanden ist Kommunikationsmanagement dann auch nicht auf taktische Schönheitsreparaturen, sondern auf strategischen Vertrauensaufbau ausgerichtet. Das Verhältnis zwischen Unternehmen und sozialem Umfeld darf nicht mehr von einseitiger Beeinflussung oder Überzeugung geprägt sein.
Vielmehr müssen Unternehmen die Fähigkeit entwickeln, soziale Interessenlagen zu erkennen, zu verstehen und in ihre Positionen einzubinden: Corporate Empathy wird so zum wesentlichen Erfolgsfaktor.
CM: Ihre Vision 2025 – Wie sieht die Unternehmenskommunikation für die Postmoderne aus?
Prof. Dr. Christof Ehrhart:
Die “Meta-Diskurse” – wie der französische Philosoph Jean-Francois Lyotard die Grundfragen gesellschaftlichen Miteinanders nannte – sind im Falle der Wirtschaft im Wandel begriffen. War die ökonomische Moderne von Fragen nach Prosperität und Wachstum geprägt, so zeichnen sich für die Postmoderne Sinn und Verantwortung als Leitwährungen des Austauschs ab.
Vor diesem Hintergrund rückt die Frage nach dem Verhältnis zwischen PR und unternehmerischer Verantwortung – wie sie in CR- bzw. CSR-Funktionen organisatorisch verankert wird – in den Blickpunkt. Tatsächlich können beide Funktionen auf der Grundlage eines von Bereitschaft und Fähigkeit zur Empathie geprägten Selbstverständnisses massgeblich voneinander lernen und sich hilfreich ergänzen. Wo Kommunikatoren das Ziel verfolgen, mit dem Ziel des Reputationsaufbaus Wahrnehmungen durch Kommunikation zu beeinflussen, streben CR-Manager den Interessensausgleich mit Anspruchsgruppen auf dem Wege der Interaktion an. Während sich die Unternehmenskommunikation auf die Herstellung medialer Signifikanz durch die massenmediale Ansprache von “Vielen” versteht, konzentriert sich die CR auf die Behandlung thematischer Relevanz im dialogischen Austausch mit “Wenigen”. Vereinfacht gesagt: die PR kann besser senden und die CR besser empfangen. Im Kreislauf empathischer Kommunikation und Interaktion kann so die Grundlage für den Aufbau von langfristigem Beziehungskapital entstehen.
CM: Ihr Rat für angehende Führungskräfte im Bereich Corporate Communication?
Prof. Dr. Christof Ehrhart:
Big Data, Internet der Dinge, Industry 4.0 – diese Schlagworte stehen für einen tiefgreifenden Wandel wirtschaftlicher Wertschöpfungsprozesse, dessen umwälzende Kraft wohl lange unterschätzt wurde. Die Frage liegt auf der Hand, was dies für das Kommunikationsmanagement bedeutet. Stehen wir am Beginn eines Maschinenzeitalters der PR?
Es steht außer Frage, daß neue mediale Optionen wie zum Beispiel die elektronischen Medien und dann eben auch das Internet die Gestaltungsmöglichkeiten (wie natürlich auch die Herausforderungen) der Kommunikationsarbeit erweitert haben. Zugleich helfen neue Verfahren der Datenauswertung und -verknüpfung bei der Herstellung detaillierter und zeitnaher Lagebilder. Sicher werden sich in den genannten Bereichen auch neue datenbasierte, echtzeit-orientierte Instrumente etablieren, die Effizienz und Effektivität des Kommunikationsmanagements steigern. Der sogenannte Turing-Test soll ermitteln, ob eine Maschine für einen Probanden im kommunikativen Austausch menschlich erscheint. Für die Zukunft der PR im Zeitalter der 4. Revolution ist die Umkehrung wichtiger: die Kommunikatoren selbst müssen den Turing-Test bestehen, wenn sie nicht als Algorithmus enden wollen.