CM: „Der Verbraucher als Massenmedium“ – Was meinen Sie damit?
Prof. Dr. Raimund Wildner:
Nun, in der Vergangenheit war Kommunikation eher eine Einbahnstraße: Die Firmen haben über ihre Marken kommuniziert, die Verbraucher haben rezipiert. Word of Mouth gab es zwar schon immer, war aber kaum erforscht und wohl auch quantitativ wenig bedeutsam. Heute kann jeder Verbraucher sich über Facebook, Youtube, Twitter und sonstige Soziale Medien zu Marken äußern und kann damit ein Massenpublikum erreichen. Der Klassiker „United breaks Guitars“ auf Youtube kommt mittlerweile auf fast 16 Mio. Clicks.
CM: Wie gläsern ist der Verbraucher von heute? Welche Chancen und Risiken birgt dies?
Prof. Dr. Raimund Wildner:
Grundsätzlich entscheidet ja jeder Verbraucher selbst, wie gläsern er sein will.
So will es zumindest das Datenschutzgesetz. Allerdings ist es so, dass es mittlerweile sehr viele verlockende Möglichkeiten gibt, seine Daten herauszugeben und dafür beispielsweise Boni und Rabatte zu erhalten. Es gibt ja große Firmen, die davon leben.
Das ist grundsätzlich ja auch nichts Schlechtes. Man sollte sich der Tatsache, dass die Daten woanders landen und da auch entsprechend ausgewertet werden, aber bewusst sein und sich vorher immer ausführlich informieren.
CM: Was verraten Social Media Texte, Postings und Bilder über Marken?
Prof. Dr. Raimund Wildner:
Eine ganze Menge. Zunächst sagt die Zahl der Postings etwas darüber, wie intensiv sich vor allem die Nutzer einer Marke mit ihr beschäftigen. So lässt sich zeigen, dass die Zahl der geposteten positiven Bilder sehr stark mit der Liebe korreliert, die einer Marke entgegengebracht wird. Wichtig sind dann noch außer der Tendenz (positiv vs. negativ) die angesprochenen bzw. gezeigten Themen. So kann man den Bildern entnehmen, in welchem Umfeld die Marke gezeigt wird. Ob z.B. ein Getränk eher in einer Kneipe, einem vornehmen Restaurant, zuhause oder unter freiem Himmel gepostet wird – das gibt deutliche Hinweise darauf, wie die Marke gesehen und wo sie genutzt wird.
CM: Welche Startups im Bereich Marktforschung finden Sie spannend?
Prof. Dr. Raimund Wildner:
Alle, die es schaffen mit neuen und kreativen Ideen für das Marketing relevante Informationen zu erstellen. Dabei kann es um neue Herangehensweisen gehen, wie Interviews erstellt und distribuiert werden, wie es beispielsweise Survey Monkey tut; oder um kreative Wege, Menschen dazu zu bewegen, relevante Informationen zu sammeln und weiterzugeben – wie z.B. bei premise.com.
CM: Ihr Ratschlag für angehende Marktforscher?
Prof. Dr. Raimund Wildner:
Marktforschung ist ein Bereich, in dem vieles möglich ist und der sich rasant weiterentwickelt. Weiter spielen eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Disziplinen eine Rolle: Psychologie, Soziologie, Betriebswirtschaft, Informatik, Statistik, um nur einige zu nennen. Das bedeutet, dass man als Marktforscher/in bereit sein muss, sich in viele Gebiete einzuarbeiten, dass man sehr flexibel und ein Leben lang neugierig sein muss.
CM: Ihre Vision für eine Marktforschung 2025?
Prof. Dr. Raimund Wildner:
Marktforschung ist die Disziplin, welche die relevanten Datenbestände kennt. Aufgrund ihres verantwortungsbewussten und ehrlichen Umgangs mit Daten besitzt sie das Vertrauen, das notwendig ist, um zu diesen Daten Zugang zu bekommen. Sind Daten nicht vorhanden, so kann sie diese so gut wie keine Branche sonst erheben. Sind sehr viele Daten vorhanden, so ist sie die Spezialdisziplin, die die Daten intelligent verknüpft und aufbereitet, so dass sie optimal dazu geeignet sind, Managemententscheidungen zu unterstützen.
CM: Herr Wildner, vielen Dank für die spannenden Ausführungen!