Der 18. Hauptstadtkongress für Medizin und Gesundheit fand vom 10. bis 12. Juni 2015 in Berlin statt und ist seit langem fest etablierte Institution und Treffpunkt der deutschen Gesundheitsbranche. Gegliedert in “Hauptstadtforum Gesundheitspolitik”, den Managementkongress “Krankenhaus Klinik Rehabilitation”, den “Deutschen Pflegekongress” und das “Deutsche Ärzteforum”, sowie zahlreiche Subforen wie den “eHealth Summit Germany”, das “Apothekerforum” und mit seiner hohen Formats- und Themenvielfalt, sowie einer stetig wachsenden Ausstellermesse, ist der Kongress in knapp 20 Jahren auf ein beeindruckendes Ausmaß angewachsen. Der von der WISO S.E. Consulting GmbH veranstaltete HSK, der in früheren Jahren im ICC Berlin tagte und heute nach Veranstalterangabe über 8.150 Teilnehmer verbucht, tagt seit vergangenem Jahr im CityCube. Eröffnet wurde die diesjährige Veranstaltung von Dr. Ingrid Völker, Senator a.D. Ulf Fink, Prof. Dr. Gunther Duek und Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe.
Hauptstadtforum Gesundheitspolitik 2015
Dr. Ingrid Völker begrüßt zunächst das Plenum und ausgewählte Teilnehmer, darunter den Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, und betont, der CityCube Berlin sei als beliebtes Kongresszentrum mittlerweile sehr gefragt. Mit Spannung erwarte man, was Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zum aktuellen Stand der Krankenhausreform berichten werde und wie sich gesundheitspolitische Vorhaben wie das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das E-Health-Gesetz, das Präventionsgesetz und das Pflegestärkungsgesetz 2, welches den Wechsel von drei auf fünf Pflegestufen vorsehe, durchsetzen und auswirken würden.
“Deutschland hat (…) ohne Frage eines der besten Gesundheitssysteme der Welt – aber zweifelslos gibt es einen großen Modernisierungsbedarf.”
… so Ingrid Vöker. Veränderungs- und Modernisierungsbedarf gebe es beispiesweise im Bereich der strikten Trennung von Versorgungssystemen und bei Krankenhausprozessen. Die Arbeitsteilung müsse entlang der Qualifikationen optimiert werden. Oft scheitere es an der Umsetzung und Produktion im Inland – gute Ideen würden regelmäßig von den USA aufgekauft und dann dort produziert. Dr. Völker resümiert:
“Wir brauchen eine Exzellenz- und keine Eminenzorientierung.”
“Deutschland war immer sehr stolz auf seinen Erfindergeist – (…) aber (…) heute liegen diese guten alten Zeiten ganz schön weit zurück.”
Im Fokus des Hauptstadtkongresses 2015 stehe insbesondere auch das Thema “Digitalisierung”, so organisiere die himss Europe im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung ein E-Health-Forum. Der Gesundheitskongress biete eine große thematische Vielfalt, bilanziert Völker und benennt kurz eine Auswahl an Veranstaltungsschwerpunkten und neuen Formaten. Eine lange Tradition habe auch der “Tag der Versicherungen”.
Im Anschluss wird ein Video mit Statements der wissenschaftlichen Leiter des HSK 2015 eingespielt: mit Hedwig François-Kettner, wissenschaftliche Leiterin des Deutschen Pflegekongresses, Prof. Heinz Lohmann, wissenschaftlicher Leiter des Managementkongresses Krankenhaus Klinik Rehabilitation und Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, dem wissenschaftlichen Leiter des Deutschen Ärzteforums.
Implusvortrag: Gute Medizin in Zeiten der Digitalisierung
Ulf Fink, Senator a.D. und Präsident des Hauptstadtkongresses, begrüßt Prof. Dr. Gunter Dueck (www.omnisophie.com), ehemals Chief Technology Officer bei IBM, und dort auch verantwortlich für das Thema “Big Data”. Heute beschäftige sich Dueck damit, wie das Internet unsere Gesellschaft verändere. Dueck beginnt seinen Vortrag mit dem Titel: “Gute Medizin in Zeiten der Digitalisierung”.
Impulsvortrag Prof. Dr. Gunter Dueck: Video ansehen
Quelle: YouTube-Kanal von Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit
“Für Innovatoren so wie mich (…) das macht Spaß, alles mal so richtig umzugraben. – Ihnen nicht (…) das ist Ihnen zu radikal, irgendwie.”
“Packt doch endlich mal an!”
“Sie sehen alles richtig. Jede Branche. – Aber nicht, wenn Sie selber dran sind.”
…formuliert Prof. Dueck und spricht über Innovationsmöglichkeiten von verschiedenen Berufsgruppen, die häufig in Konflikt stünden – etwa der Ingenieur, der verbessern wolle und der BWLer, der sparen wolle. Man sei branchenübergreifend in langen Strategie- und Planungsprozessen verhaftet. IBM habe damals, völlig entgegen seiner Erwartung, ein Wissenschaftszentrum in Deutschland und alle europäischen Zentren geschlossen und zwei neue in Bangalore und Peking aufgemacht – auch mit dem Argument, dass man zukünftig ein Drittel der Belegschaft in China haben werde.
“Typisch deutsch” sei es, dass man das Eigene immer als “das Beste” auszeichne. Dueck benennt hier u.a. das deutsche Bildungssystem und die deutsche Medizin als Beispiele. Er unterstreicht, dass man die eigene Branche nur begrenzt wahrnehme, da man selbst Teil davon sei und führt Beispiele aus der Automobilindustrie ins Feld, wobei er dem Gedanken nachgeht, wie es wohl sei, wenn der Staat den privaten Besitz von Automobilen verbieten würde und sich nur noch einfach designte Google Cars auf den Straßen bewegten. Man ordere ein Auto per App, brauche keinen Parkplatz, Staus gäbe es nicht. Dies würde zu hoher Effizienzsteigerung und Kostenreduktion führen, aber auch zu dann überflüssigen Berufsfeldern wie des Taxifahrens. Man bräuchte auch kaum noch eine Automobilindustrie. Viele müssten sich einen neuen Job suchen, skizziert Prof. Dueck das Gedankenspiel weiter und führt nachfolgend weitere Beispiele an, wie den Postversand via Drohne – dann gäbe es auch keine Poststreiks mehr… Schmunzelnd formuliert er:
“Da gehen ganze Generationen von Ingenieuren trauern.”
“Da muss man ein Gesetz haben, das davor steht.”
“Personalisierte Medikamente – das ist total schwierig für Gesetzgeber und Krankenkassen. (…) Da braucht man dann wahrscheinlich wieder Formulare oder Gesetze dafür. (…) In Amerika geht das, weil die ja nicht versichert sind: Wenn der Arzt sagt “nimm dies”, nimmt er’s – ohne Gesetz.”
Gunter Dueck richtet den Blick auf die Medizinbranche und listet zahlreiche Beispiele auf, was Digitalität in Zukunft an Veränderungen bringen könne: rein digital arbeitende Ärztesprechstunden, große Call-Center mit Speech-to-Text, die medizinische Fragen und Symptomberichte datenbankbasiert deutlich genauer und schneller beantworten könnten, als ein “einfacher Mediziner”. Gleiches könne für cloudbasiertes Gesundheitsmonitoring und Diabetes-Typ-Einordnung per Apple Watch gelten. Abermals schmunzelnd berichtet Prof. Dueck, eine Krankenkasse habe ihn gefragt: “Aber.. wie rechnet man das ab?”. IBM habe auch die “Gesundheitskarte” mitgemacht, deren Datenvolumen enorm gestiegen sei. In Amerika sei vieles einfacher, weil die Menschen nicht versichert sein.
“Impfzentrum (…) – das ist so wie bei Rewe, so ein Flaschenautomat zum Zurückgeben. (…) Da ist so ne Röhre. (…) ‘Wohin willst Du reisen?’ – ‘Sri Lanka.’ “
Weitere mögliche Innovationsvorschläge folgen. Ärzte, Krankenkassen und Minister seien allerdings nicht sehr offen für solche Innovationen. Big Data im Krankenversicherungsbereich sei oft gar nicht zwingend erforderlich – Versicherungen sollten “einfach mal ihre Versicherten direkt befragen”, so Dueck, zum Beispiel um präventive Maßnahmen durchzuführen. Je länger Patienten auf einen Termin warten müssten, desto aufgeklärter und hinterfragender treten sie heute im Arzttermin auf. Überspitzt: oft wüssten sie bereits mehr als der Arzt – durch intensive Vorrecherche im Internet.
“Der erste hervorragende Grundsatz der Innovation ist: work underground as long as you can.”
“Das Problem ist gar nicht der gläserne Patient, sondern der gläserne Arzt. (…) Da kommt ne Transparenz rein.”
Mit Big Data seien viele Daten über Ärzte transparenter: Behandlungsfehler, Verschreibungszahlen, etc. Der enge gesetzliche Rahmen in Deutschland erschwere und verlangsame Innovationen, insbesondere auch im medizinischen Bereich, da man viele Dinge nicht einfach probieren könne.
Impulsvortrag: Der Patient als Maßstab – Qualität in der Versorgung stärken
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, MdB. Redeausschnitt: VIDEO ansehen
Quelle: YouTube-Kanal von phoenix
Anschließend besuchte Conplore noch zwei Panels. Ersteres diente dem internationalem Dialog zwischen Deutschland und China, sowie dem Austausch über Kooperationen mit besonderem Bezug zum demographischen Wandel, Zweiteres war ein Panel des Klinikmanagementkongresses, das sich cross-medialen Instrumenten im Healthcare-Bereich widmete.
Die Veranstaltung wurde bis Freitag Nachmittag fortgesetzt.
Social Media-Kanäle des HSK 2015:
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Sponsoren und Partner des HSK 2015
Zu den Sponsoren des diesjährigen Hauptstadtkongresses zählten die deutsche apotheker- und ärztebank, abbvie, Knappschaft, Philips, Pfizer, Sanofi, Siemens und sodexho. Partner waren Bethel, himss Europe, Vamed, Vanguard, AOK-Bundesverband, Arvato Distribution, AstraZeneca, B. Braun Melsungen, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, bpa – Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, Bundesärztekammer, Bundesverband Medizintechnologie, DAK-Gesundheit/ HanseMerkur Versicherungsgruppe, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Deutsche Hochschulmedizin, Deutsche Rentenversicherung Bund, Ecclesia Gruppe, GEHE Pharma Handel, awinta, Hochschule Fresenius, ID Information und Dokumentation im Gesundheitswesen, Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg, Labor Berlin, McKinsey, Molecular Health, Paracelsus-Kliniken, P.E.G. Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft, SAP SE, Spitzenverband Fachärzte Deutschlands, Verband der Ersatzkassen.