CM: Herr Gross, welche Rolle spielt die zunehmende Digitalisierung für die Allianz SE?
In welchen Feldern investiert man aktiv?
Joseph K. Gross:
Die Digitalisierung stellt die Versicherungsindustrie vor klare Herausforderungen in den nächsten Jahren, bietet zugleich aber auch eine große Chance für uns. Digitale Technologien haben die Art und Weise, wie Verbraucher sich informieren und ihre Kaufentscheidungen auch bei Versicherungs- oder Anlage-produkten treffen, grundlegend verändert und die Informations- sowie Interaktionsmöglichkeiten revolutioniert.
Unsere Kunden erwarten heutzutage, dass sie jederzeit den für sie bequemsten Kommunikationskanal mit ihrer Versicherung wählen können, sei es per Smartphone, Brief oder persönlich über ihren Allianz Berater in der Agentur. Der Wechsel zwischen den Vertriebswegen muss dabei so nahtlos wie möglich gestaltet sein. Das bietet uns als Finanzdienstleister wiederum die Chance, mit unseren Kunden in einen viel engeren Dialog zu treten. Daher investieren wir in die benötigte Technologie, um mit unseren Kunden in Echtzeit zu kommunizieren und einfach sowie effizient personalisierte Lösungen anbieten zu können. Abhängig von den Wünschen des Kunden begleiten wir ihn nicht nur im konkreten Schadenfall, sondern bieten auch ergänzende Assistenz- und Service-Leistungen an.
Einige unserer technologie-basierten Entwicklungen konnten wir bereits zur Marktreife bringen; so zum Beispiel unsere Telematik-Lösungen oder unsere Fast-Quote-Technologie, die es unseren Kunden ermöglicht, mit sehr wenigen Schritten online ein Versicherungsangebot abzurufen.
CM: Welche Auswirkungen sehen Sie auf die Versicherungs- und Finanzdienstleistungswirtschaft insgesamt? Auf welche Trends stellt man sich ein?
Joseph K. Gross:
Die Digitalisierung hat unsere Welt von Grund auf verändert. Das gilt für alle Industriezweige und ermöglicht auch unserer Branche, schneller, zielgerichteter und effizienter zu agieren: wir können unsere Kunden noch besser betreuen, ihnen modulare, flexibel anpassbare Produkte und frei wählbare Zugangskanäle anbieten. Gleichzeitig eröffnen sich ganz neue Märkte, die wir mit den entsprechenden Produkten und Serviceleistungen erschließen wollen.
In der digitalen Welt werden die Verbraucher autonomer: sie bestimmen selbst, wie sie informiert werden wollen, an wen sie sich wenden und wem sie vertrauen. Sie entscheiden, wo sie sich umsehen, wo sie Vergleichsangebote einholen, wo und wie sie letztendlich zugreifen. Unser Ziel ist es dort präsent sein, wo Kunden Vergleiche anstellen und entscheiden, was für sie von Bedeutung ist. Die Erfahrung zeigt, dass die Kunden zwar zunehmend online recherchieren, aber für viele Produkte dann doch auch den persönlichen Kontakt suchen. Deshalb werden Vertriebspartner, wie Vertreter und Makler, auch weiterhin eine sehr aktive und essentiell wichtige Rolle einnehmen.
CM: Bewerten Sie die Interessen der Digitalwirtschaft eher als Risiko oder als Chance für die Generation Y? Gesundheitsrisiken, finanzielle Risiken, Suchtrisiken versus internationale Kooperation, Homeoffice, Wissensmanagement – halten Sie die Generation Y für ausreichend aufgeklärt?
Joseph K. Gross:
Für die Generation Y ist der Umgang mit digitalen Medien und Technologien selbstverständlicher Bestandteil ihres Alltags. Sie ist damit ganz natürlich aufgewachsen, insbesondere mit dem uneingeschränkten Zugang zu einem kollektiven Wissen. Einzelne Informationen sind für sie nicht mehr so wertvoll wie für ältere Generationen. Und angesichts von zunehmend kürzeren Innovationszyklen wird jede Form von “Wissensvorsprung” schnell eingeholt.
Gleichzeitig sehen sie das Internet nicht als Einbahnstraße zur reinen Informationsbeschaffung. Die Digital Natives füllen das Internet auch aktiv mit eigenem Content und posten ihre Meinungen und ihr Feedback regelmäßig in ihren sozialen Netzwerken. Das Austauschen von Daten und Informationen ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens.
Die Generation Y ist in ihrem Selbstverständnis und Handeln weitaus selbstständiger und unabhängiger. Sie treten den Unternehmen selbstbewusst als Kunden gegenüber und legen Wert auf Individualisierung und eine hohe Personalisierung von Angeboten. Im Gegenzug sind die jungen Menschen bereit, persönliche Daten zu teilen.
Weder Unternehmen noch die Kunden von heute können wohl abschätzen, welche Möglichkeiten und Ausgestaltungen sich in der Zukunft noch entwickeln werden. Aus meiner Sicht ist es unsere Aufgabe, dies als gemeinsamen Lernprozess zu verstehen und ihn mit der Sicherheit und Sorgfalt zu begleiten, für die wir stehen.
CM: Herr Gross, vielen Dank für Ihre Zeit und die gewonnenen Einsichten.
Wir wünschen Ihren Klienten und Ihnen alles Gute und nachhaltigen Erfolg!
Zur Person:
Joseph Gross ist Leiter von Group Market Management der Allianz SE. Zusammen mit seinem Team unterstützt er die regionalen Allianz Einheiten beim Markenmanagement und der Ausgestaltung des Kunden- und Vertriebsmanagement. Joseph Gross studierte Betriebswirtschaftslehre in Frankfurt und Berkeley und ist seit 2002 bei der Allianz beschäftigt.
Zum Unternehmen:
Die Allianz ist ein global aufgestellter Finanzdienstleister mit Tochtergesellschaften in großen Teilen der Welt. Rund 85 Millionen Privat- und Unternehmenskunden setzen auf Wissen, globale Reichweite, Kapitalkraft und Solidität der Allianz, um finanzielle Chancen zu nutzen, Risiken zu vermeiden und sich abzusichern. 2014 erwirtschafteten über 147.000 Mitarbeiter in über 70 Ländern einen Gesamtumsatz von 122,3 Milliarden Euro und erzielten ein operatives Ergebnis von 10,4 Milliarden Euro. Die Allianz SE ist die Holdinggesellschaft mit Sitz in München.
(Quelle: Joseph K. Gross)