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Joint Future Work – Ein Tsunami verändert die Arbeitswelt der Zukunft

Beitrag von: Sascha Rauschenberger

Future Work ist keine Hexerei.

Man könnte sagen leider keine Hexerei. Wenn dem so wäre, könnte man sie mit einem Fingerschnippen umsetzen. Das wäre die positive Sicht. Die andere Seite dieses Gedankens zeigt aber, dass es nicht mit Zaubersprüchen geht und harte langwierige Arbeit ansteht, die zunehmend von Konflikten überschattet sein wird. Und die zu betrachtenden Dimensionen sind vielschichtig, mitunter zusammenhängend und sich gegenseitig bedingend. Sogar zyklische Abhängigkeiten lassen sich wahrnehmen. Und ausgerechnet so etwas trifft einen Unternehmensbereich, der bisher als daueroptimierbar galt. Optimierbar hinsichtlich der Kosten: das HRM.

Schwindende Umsatzerlöse wurden gerne mit pauschalen Personalstreichungen konterkariert. 10, 15 oder 20 % waren Zahlen, die die Börsen positiv zur Kenntnis nahmen. Gerade in der IT, bei den Serviceprovidern, war das in den letzten Jahren gut zu beobachten. HP, T-Systems und andere entließen mal eben Tausende von Fachkräften. Ganze Standorte wurden per Federstrich aufgelöst. Services dazu ausgelagert. Zusammen mit den Prozessen, die zu verstehen die gefeuerte Belegschaft Jahre gebraucht hatte. Diese zum Teil unternehmensspezifischen Prozesshürden zu beherrschen und zu meistern, wie den Kunden versprochen, war die tägliche Herausforderung eben dieses Personals. Jetzt sollen das andere machen. Billiger. Im Ausland. Das übliche Thema [1].

In ein paar Jahren wird sich das wieder ändern. Und dann brauchen exakt diese Unternehmen wieder vor Ort ansässige und kundennahe Mitarbeiter. In einem ressourcentechnisch fallenden Markt. Und dann müssen sie wieder Fachkräfte finden. Und wer glaubt, dass das die sind, die jetzt auf der Straße stehen, der ist ein grenzenloser Optimist. Die sind verbrannt. Und ein „verbranntes Kind scheut Feuer“, so eine Volksweisheit [2] [3].

Jetzt betrachten wir das einmal auf der Kostenseite. Knapper werdende Ressourcen bei auch nur gleichbleibender Nachfrage bedeuten marktüblich höhere Kosten für eben diese Ressourcen. Dazu kommen die höheren Aufwände, Personal zu finden. Und dann kommt das Problem hinzu, dass das Image als Arbeitgeber eher schlecht ist. Und die Erkenntnis, dass sich ein Image nur sehr kostenintensiv ändern lassen wird [4]. Setzen wir diese Erkenntnis dann in Relation zu Verbesserungen der börsenumjubelten Umsatzrendite für ein oder zwei Jahre. War es das wert? Und wo sind jetzt die, die das gut fanden? Ausgestiegen. Mit all ihrem Kapital und nun auf der Suche nach neuen Chancen, Märkten, Opfern.

Die zwei Phasen des demographischen Wandels

Der demographische Wandel bewirkt in Mitteleuropa eine andere Future Work als in Asien, Afrika oder Amerika. Er wirkt in zwei Phasen, wie ein Tsunami.

In der ersten Phase überflutet er das Land. Das heißt: Es werden viele ältere Arbeitnehmer der geburtenstarken Jahrgänge in Arbeit gehalten werden müssen, damit die Sozialsysteme nicht kollabieren. Es ist exakt die Welle von billigen, hochverfügbaren Arbeitskräften, die in den letzten 30 Jahren der Spielball der Optimierungen war. Billiger geht immer. Und jünger geht immer. Beides Theoreme, die bald wirklich nur noch theoretisch sein werden. Denn diese Masse läuft aus. Wie der Tsunami, der sich irgendwann totläuft. Und dann schwappt er zurück …

Das ist der Beginn der zweiten Phase, über die noch niemand spricht, die aber auch absehbar ist. Irgendwann werden selbst diese älteren Arbeitskräfte nicht mehr arbeiten können. Im realen Sinn aussterben… Und sie werden eben nicht einfach ihre Rente genießen können und dann sterben. Sie werden fast wie in den 60ern und 70ern noch üblich sehr zeitnah mit/nach dem Erreichen der Rente sterben. Sie werden verschlissen sein. Und das wird ihnen deutlich bewusst sein [5]. Und mit ihnen verschwindet das Problem der Beschäftigung im Alter. Wie das Wasser des Tsunami, das nun zurückfließt. Aber damit endet nicht das Problem. In tieferen Lagen bilden die zurückfließenden Wasser wieder eine Welle. Diesmal kommt sie vom Landesinneren und strebt dem Meer zu. Wohin sollte auch all das Wasser?

Für den Arbeitsmarkt heißt das, dass die nun verrenteten geburtenstarken Jahrgänge viel weniger Kinder gezeugt haben als vor ihnen üblich. Und diese Kinder zum Teil völlig kinderlos sind. Es werden Millionen von Arbeitskräften fehlen. Viel schlimmer als in den 60ern, als kriegsbedingte Verluste und deren fehlende Kinder die Gastarbeitersuche notwendig machten. Nur diesmal werden hochqualifizierte Gastarbeiter – Einwanderer – nötig sein. Und das beschreibt die zweite Phase: Deutschland wird in 15 bis 20 Jahren anfangen müssen, weniger qualifizierte, dafür aber hochmotivierte Einwanderer im Arbeitsmarkt unterzubringen. Zu integrieren. Gesellschaftlich und innerbetrieblich! Und das mit stetig ansteigendem Bevölkerungsanteil der zu Integrierenden. Das wird das Land zwangsläufig verändern.

Doch diese zweite Phase braucht uns jetzt nicht zu belasten. Wir müssen uns nur bewusst sein, dass sie existiert. Kommen wird. Und unsere Planungen dahingehend „offen halten“.

In der Phase eins müssen schon genug Punkte berücksichtigt werden und u. a. das Schaubild zeigt drei Schalen/Schichten von Herausforderungen des HRM in der ganzheitlichen Future Work. Der Joint Future Work. Die äußeren zwei Schalen kann man gegeneinander verschieben, sodass es immer neue Gedanken hinsichtlich der Wirkung von Maßnahmen und Ideen zur Arbeitswelt der Zukunft generiert.

Joint Future Work - Grafik 1 - Sascha Rauschenberger
Abb. 1: Spielkasten: HRM und Joint Future Work

Während die grüne Schale noch sehr einfach unternehmensintern zu gestalten ist, wird es mit den anderen beiden Schalen zunehmend schwieriger. Gestaltungsspielräume werden hier durch externe Faktoren begrenzt, reglementiert und verursacht werden. Dieser „Spielkasten“ bietet nun Möglichkeiten, Argumentations- und/oder Problemketten oder auch nur Ideen zu produzieren. Dimensionen aufzuzeigen. Handlungsfelder zu generieren. Und letztlich geht es genau darum: sich individuell Gedanken darüber zu machen, wo man zurzeit steht, wohin sich die eigene Workforce in 7-10 Jahren demographisch entwickelt und wie ich dann personaltechnisch aufgestellt sein will. Und hier sind alle Gedanken, Ideen und Ansätze erlaubt. Denn es gibt keine dummen Ideen, solange sie nicht wirklich mit dem Kerngeschäft kollidieren.

Als Bauunternehmen seine Workforce auf den Ü60-jährigen aufbauen zu wollen, wäre sehr mutig; als Reiseverkehrsunternehmen klingt das zunächst einmal nicht unbedingt schlecht. Nur eines wird klar sein: Wir werden uns von vielen liebgewonnenen Herangehensweisen verabschieden müssen, wenn wir die Herausforderungen stemmen wollen. Denn das Wollen wird uns nicht abverlangt – das diktieren der demographische Wandel und der gesellschaftliche Druck -, es ist vielmehr ein Müssen.

Es ist auch mit dem Aufkommen des Internets zu vergleichen. Die damals einzuführende neue Technik führte erst zu Kopfschütteln, dann zu Argwohn darüber, wie das geschäftsentscheidend werden könnte – abgesehen von den Kommunikationsvorteilen. Die damit ausgelöste Globalisierung, die IT-technische Verknüpfung von Unternehmen weltweit, der Beginn der Informationsgesellschaft und die sozialen Veränderungen, die wir täglich erleben, waren SciFi. Auch die Gastarbeiterwelle der 60er, ihre Familiennachführungen und ihre inzwischen selbstverständliche – auch kulturelle – Präsenz in unseren Städten waren damals noch nicht im Fokus, obwohl das eigentlich vorhersehbar war.

Oft sind es unscheinbare Kleinigkeiten, die viel bewirken. Die Besiedlung des Westens der USA mit der Eisenbahn, der Bau von Hochhauslandschaften durch die Erfindung des absturzgesicherten Aufzugs und die Klimatechnik zur Besiedlung von Wüstengegenden der USA. Andere Veränderungen waren nicht so positiv. Die klimatisch hervorgerufene Völkerwanderung um 400 führte zum Zusammenbruch des 1200 Jahre alten römischen Reiches in nur 60 Jahren. Die globale Wetterveränderung 1848 zu europaweiten Hungeraufständen und Auswanderungswellen.

Jetzt ist es der demographische Wandel, der Veränderungen notwendig macht. Gut ist, diese kommen nicht schnell. Schlecht leider, dass in unserer schnelllebigen Zeit der Prozess zu langsam ist, um ihn schon jetzt vollumfänglich wahrnehmen zu können, da er durch viele andere, vordergründig erscheinende (Tages-)Tätigkeiten unterzugehen droht. Doch sind die notwendigen Maßnahmen nicht schnell zu erledigen. Auch nicht mit noch so viel Kapital schnell nachholbar. „Viel bringt dann also eben nicht viel.“

Die eigentliche Herausforderung besteht in der Multidimensionalität der interdisziplinären Herausforderung an sich, die in einem Bereich abgefordert wird, der bisher nie als Engpass angesehen wurde. Im Gegenteil: als Optimierungsgröße für Kosteneinsparungen ständig im Fokus stand, dass es schon fast selbstverständlich ist, im Rahmen von Restrukturierungen von Personalabbau zu reden.

Dieser Personalabbau findet nun statt. Nur ungewollt. Selbstreguliert. Nicht zu beeinflussen. Natürlich…

Und der bisher gern herangezogene Staat, als Finanzier volkswirtschaftlicher Veränderungen (Stahl-/Kohlekrise, Ölkrise, Energiewende, …) wird diesmal eben kein Geld dafür im notwendigen Umfang zur Verfügung stellen können. Denn er ist pleite. Auch das ist ein Paradigmenwandel, der ursächlich für das sein wird, was Unternehmen zu lösen haben werden.

Die Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass die geburtenstarken Jahrgänge bis ins hohe Alter sozialversicherungspflichtig weiterbeschäftigt werden, da sonst die von Norbert Blüm proklamierte „sichere Rente“ eben nicht mehr sicher sein wird. Ein Umstand, dessen gesellschaftsveränderndes Moment nicht hoch genug bewertet werden kann. Solche Momente waren historisch immer dann schicksalstreibend, wenn breite Teile des Mittelstandes zunehmend kleiner bzw. diese zunehmend belastet wurden. Dann gab es Veränderungen… 1776, 1789, 1848, 1917. Manchmal reichte es auch schon, wenn ein Volk für dumm verkauft wurde: 1989.

Das ist die politische Dimension, die über allem schwebt. Volkswirtschaftlich geht es um nichts weniger als das: den sozialen Frieden zu erhalten!

Joint Future Work - Grafik 2 - Sascha Rauschenberger
Abb. 2: Joint Future Work

Der Weg dahin ist verschlungen. Holprig. Unbekannt… Und es wird auch nicht um „blühende Landschaften“ gehen, die Helmut Kohl nach der Wende, wenn auch etwas zu optimistisch, was den zeitlichen und monetären Ansatz betraf, im Osten sah. Unbestritten sind die neuen Länder „blühender“ geworden. Nur hat das bisher fast zwei Billionen (zwei Millionen Millionen) Euro gekostet! Und es ist auch nach 25 Jahren noch kein Ende in Sicht. Weil es ein fortlaufender dynamischer Prozess ist.

Dieses Beispiel mag einerseits verdeutlichen, wie man sich irren kann, aber auch, dass es ein Erfolg werden kann. Europa hat uns belächelt, als wir es angingen – nicht ohne Angst, dass wir es tatsächlich schaffen könnten und zu „mächtig“ werden. Und wir schafften das zusätzlich zu allem anderen nahezu allein. Die deutsche Wirtschaft wie auch die Gesellschaft erwiesen sich wieder einmal als sehr anpassungsfähig. Darum ist es andererseits auch ein Beispiel dafür, dass der demographische Wandel gerade in Deutschland gestaltbar/machbar ist. Unsere Mentalität kennt keine Vogel-Strauß-Politik. Die Menschen sind hier anders als in Italien, Griechenland oder Portugal. Das ist wohl ein deutscher Megatrend.

Und das ist exakt der Wert, der Future Work machbar werden lässt. Die Mitarbeiter – die Menschen – werden ihn mittragen. Nicht ohne Murren und Stöhnen. Aber sie werden ihn mitgestalten. Aktiv. Jeder so viel er kann. Und dieses „Können“ für alle machbar zu machen ist Joint Future Work!

Joint Future Work Logo

Abb. 3: Joint Future Work – „Home sweet home!“

Aber es ist ein Langzeitprojekt. Und die Uhr tickt…


Quellen:

[1] Vgl. Rauschenberger, Sascha: „Future Work und IT-Personalkosten: „Die Lösung liegt in konsequenter Beschränkung auf das Wesentliche““ (Future Business Consulting)
[2] Vgl.: Rauschenberger, Sascha (2014): „Unternehmenskultur: Chance und Risiko der Corporate Culture für das HRM in der Arbeitswelt der Zukunft“ (Conplore)
[3] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2014): „CI: der Schlüssel für die Mitarbeiterbindung an die Unternehmensgemeinschaft“ (Conplore)
[4] Vgl. Rauschenberger, Sascha: „Demografischer Wandel und Future Work: Kostendruck für die Wirtschaft“ (Future Business Consulting)
[5] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2014): „Future Work und Work Life Cycle: Der Zusammenhang von Arbeit und Altersvorsorge unter der Lupe“ (Conplore)

Buchcover - Future Work und Megatrends - von Sascha Rauschenberger

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