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Joint Future Work und die Chance mit 50Plus-Beschäftigten für KMUs

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Beitrag von:

Sascha Rauschenberger

Joint Future Work und die Chance mit 50Plus-Beschäftigten für KMUs

Der demographische Wandel wird oft ausschließlich in seiner Dimension des Fachkräftemangels begriffen. Gern mit dem Beharren darauf, was man seit Jahrzehnten als richtig ansah. Dass je jünger desto besser ist und Arbeitskräfte eine „eh-da“-Ressource sind. Der Fachkräftemangel sich also auf den Aspekt beschränkt, dass es nicht genug junge und zum Teil auch billige Talente gibt. Man hier die Stellschraube ansetzen muss. Und hier alle Maßnahmen in Unternehmen personaltechnisch und organisatorisch zusammenzulaufen haben. Eben mehr Junge zu rekrutieren und diese dann zu halten. Dabei ist der zweite Teil dieser „Erfolgsgleichung“, Mitarbeiter auch halten zu müssen, für viel zu viele Unternehmen schon oder immer noch Neuland.

Dass das so alles nicht mehr funktionieren kann, haben inzwischen auch DAX-Unternehmen erkannt. Der VW-Konzern hat daher eine von der Presse viel beachtete STARK-Offensive gestartet und 300 Stellen für Mitargeiter geschaffen, die bisher aus dem Suchmuster der Personaler fielen: ältere und auch behinderte Menschen.

Besonders Behinderte waren schon immer eine am Arbeitsmarkt völlig ignorierte Größe. Das ist nicht neu. War aber auch so ein Thema, über das man bestenfalls mal leise nuschelte, wenn es um mögliche und unerschlossene Ressourcen am Arbeitsmarkt ging.[1]

Nur bedurfte es gerade auf Konzernebene erst des wirklichen und flächendeckenden Fachkräftemangels, damit sich die Einstellung ändern konnte. Sich aus der Not heraus ändern musste. Etwas, was bei KMUs schon lange gegeben war. Wenn auch von der (Fach)Presse gern ignoriert.

Das Bürgerzentrum in Köln-Deutz (HIER >>) ist so ein beispielgebendes Unternehmen, das bis auf eine Handvoll Mitarbeiter ausschließlich auf Behinderte setzt. Diese bewirtschaften das Bürgerzentrum und produzieren zusätzlich ein alltägliches Catering zur Mittagszeit für Gewerbekunden in Höhe von 6-7000 Mahlzeiten. Und das seit vielen Jahren und auch wirtschaftlich sehr erfolgreich. Wenn dort Reis als Beilage auf dem Speiseplan steht müssen bis zu 320 Kilogramm Reis bewegt, gekocht, portioniert und verteilt werden. Allein das zeigt die Dimension dessen auf, was Behinderten dort zu leisten vermögen.

Ein anderes Unternehmen, das beispielhaft und konsequent auf ältere Mitarbeiter setzt, ist die MIGO GmbH. Und hier endet der Gedanke nicht bei 50Plus, wie bei vielen anderen Unternehmen allein schon als verbales Statement. Bekanntlich sind 47 Beitragsjahre nur bei einer durchgängigen Erwerbsvita bis Mitte sechzig zu schaffen. Alle anderen müssen länger arbeiten. Der älteste Vertriebler der MIGO ist achtzig (80!) Jahre.

Der Geschäftsführer des Unternehmens, selbst aus einer „Vertrieblerfamilie“ in dritter Generation stammend, setzt nicht nur auf ältere Mitarbeiter, er hat sie zu einem wesentlichen Teil seines Geschäftskonzeptes gemacht.

Dass die MIGO GmbH Kanal- und Sanitärdienstleistungen vertreibt ist ein zusätzlicher Punkt, der den Direktvertrieb per Kaltakquise unumgänglich macht. Und dass hier Ältere durchaus bessere Chancen haben als junge Mitarbeiter ergibt sich aus dem Umstand auf Rohrsysteme vor 1973 spezialisiert und auf Privatkunden fokussiert zu sein. Das hat dann auch altersmäßig an der Tür bei der Kundenansprache Vorteile.

Nur da endet es nicht. Auch die Serviceteams sind gern 50Plus. Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und eine gute Arbeitseinstellung bei einer weitestgehendst eigenständigen Arbeitsplanung sind durchaus auch Marketingargumente. Da das Unternehmen 20% über Tarif zahlt und zusätzlich eine Umsatzbeteiligung gewährt beflügelt die Eigenverantwortung, den Service und die Verbundenheit mit dem Unternehmen.

Wo andere viel in Employer Branding Kampagnen stecken und/oder Probleme durch Abwerbungen haben, herrscht hier eine sehr hohe und belastbare Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen.
Doch auch das kommt nicht von ungefähr. Geld alleine reicht nicht. Daher kümmert man sich als Unternehmensinhaber auch um seine Leute. Wo in Konzernen erst Programme entwickelt werden mussten, um kranke Mitarbeiter zu betreuen, ist das hier selbstverständlich. Ältere Mitarbeiter können schon mal ausfallen. So auch die „Starvertrieblerin“ des Unternehmens, die seit einem halben Jahr im Krankenhaus liegt. Sie arbeitete über zehn Jahre im Vertrieb. Als gelernte Tiefbauingenieurin hatte sie auch das Know-how. Doch nun, mit 78 scheint Schluss zu sein. Dennoch kümmert man sich um sie. Nicht weil es nett aussieht, sondern Teil dessen ist, was die Unternehmenskultur ist. Nicht nur sein soll. Als netter Anspruch. Sondern gelebte Realität aus der Selbstverständlichkeit heraus.
Und man expandiert. Und das stark. Nicht nur wegen der Preisstafflung der Leistungen, sondern gerade wegen der Kundenansprache und den dann erfahrenen Teams im Service.

Auf die Frage, ob man den Vertrieb nicht mit digitalen Möglichkeiten „optimieren“ könnte – beispielsweise über Klickkäufe und SEO via Google – kommt ein energisches Kopfschütteln. Nein, der Vertrieb wäre zwar etwas teurer als die digitalisierte Lösung, aber im Ergebnis wäre man mit den Mitarbeitern besser dran. Der Mitarbeiter könnte vor Ort gleich besser entscheiden, wie sich die Lage darstellt. So wären auch Stornierungen seltener, der bürokratische Aufwand zur Beantwortung weitere Kundenfragen geringer und der Zugang zum Kunden besser. Man hat es ausprobiert und dann gelassen.

Das Unternehmen spricht auch ganz bewusst und direkt Leute an, die als Rentner noch arbeiten wollen. Vielleicht auch aus finanziellen Gründen müssen. Die Versorgungssicherheit im Alter ist bekanntlich nicht mehr vollumfänglich gegeben.

Andere stoßen aus Langeweile zum Team. Wieder andere einfach nur, weil sie Spaß daran haben den Tag kommunikativ verbringen zu wollen. Vielleicht auch nicht fünf Tage die Woche und Monat für Monat. Vielleicht auch mal gesundheitlich aussetzen zu müssen oder zu wollen. Für all das gibt es Organisationselemente, die anderswo als „New Work“ vermarktet werden.

Dass diese Art der Flexibilität natürlich auch auf Kosten dessen geht, was Planbarkeit im klassischen Sinne ist, wird durch einen hohen Grad von selbstregelnder Pflichterfüllung kompensiert. Als exakt das, was viele neue und moderne Modelle gern als gegeben voraussetzen, und dann still und heimlich scheitern.

So gibt es im Unternehmen für die Serviceteams nur zwei feste Vor-Ort-Termine in der Woche. Der Rest erfolgt via direkter ortsungebundener Kommunikation mit viel persönlichem Freiraum zur Auftragserfüllung.

Auch die Kunden scheinen das so zu sehen, was der anhaltende Erfolg des Geschäftsprinzips eindrucksvoll belegt. Momentan will man expandieren stößt aber ebenfalls auf den Fachkräftemangel. Dieser ist aber nicht fachlicher, sondern eher persönlicher Natur. Die Vision von selbst bestimmter, zu weiten Teilen eigenverantwortlicher Arbeit im Rahmen eines Unternehmens mit „sozialem Touch auf Gegenseitigkeit“ lebt von den Softskills, die Visionäre der Beratungsbranche gern als gegeben ansehen. Sind sie aber nicht. Auch wenn sie bei den 50Plus eher zu finden sind, als bei jüngeren Kandidaten.

Wer irgendwie handwerklich begabt ist kann für die Serviceteams angelernt werden, sagte der Geschäftsführer mit der Inbrunst absoluter Überzeugung. Und der Vertrieb muss eigentlich nur kommunikativ und verlässlich sein. Dazu gehört für MIGO auch, dass man Kunden nichts „aufquatscht“, älteren Ansprechpartnern an der Tür nur die Visitenkarte hinterlässt und all das unterlässt, was sich andere Vertriebler so im Zeitungs- und Versicherungsgeschäft leisten.
Und eine fünfzehnjährige Garantie auf seine Leistungen unterstreicht den Anspruch aller, nur das Beste abliefern zu wollen. – Und auch zu können.

Foto: Mitarbeiter des Teams Ruhrgebiet (Quelle: MIGO GmbH)
Foto: Mitarbeiter des Teams Ruhrgebiet (Quelle: MIGO GmbH)

Hier wird deutlich, dass die Sozialpolitik, die auf 47 Beitragsjahre abzielt, in unserem Land breitentechnisch noch in den Kinderschuhen steckt. Die o.g. Aspekte lesen sich fast schon befremdlich. Klingen fast wie ein Märchen, das ein Arbeits- und Unternehmensidyll beschreiben, wie in 1000 und einer Nacht.

Und eben WEIL es so klingt, zeigt es, wie tief wir insgesamt als Gesellschaft, als Wirtschaft wie auch als Industrienation (im Umbruch) auch in einem Dilemma stecken. Einerseits bis ins hohe Alter arbeiten zu müssen, um nicht in Altersarmut abzurutschen (HIER >>), und andererseits kaum Möglichkeiten zu haben dies produktiv und altersgerecht auch tun zu können!!

Momentan scheint es wieder so, dass die sich abzeichnende Rezession mit alten Mitteln bekämpft werden soll. Älter wieder zuerst entlassen werden (HIER >>).

Leider wird auch offensichtlich, dass durch die Niedrigzinspolitik der EZB zunehmend die private und betriebliche Altersvorsorge aufgefressen wird oder aber nicht in dem Umfang anwächst, wie es vorsorgetechnisch einmal vor 30 oder 40 Jahren geplant war. Lücken entstehen. Den abgesicherten Ruhestand zum Märchen macht (HIER >>).

Es werden auch zunehmend Berichte, Artikel und Kommentare publiziert, die das „selbstbestimmte Weiterarbeiten“ als Rentner zum Inhalt haben. Gern dann auch unterschwellig als Lösung des Fachkräfteproblems verklärt. Hier ist zu sehen, dass „selbstbestimmt“ inhaltlich und gesellschaftlich eben nicht deckungsgleich mit möglichen Versorgungslücken sind, die abgefedert werden müssen. Gemeinhin ein Unterschied, der gewissen politisch Verantwortlichen noch auf die trägen Füße fallen wird.

Dass es möglich ist, wertschöpfend und produktiv ältere Menschen in Arbeit zu halten ist mit o.g. Beispielen ersichtlich. Dass Visionen von „New Work“ durchaus umsetzbar, machbar und auch mit dem Alter vereinbar sind, sollte klar geworden sein. Und auch, dass gerade Konzerne hier gegenüber dem Mittelstand, der immerhin bis zu 75% aller Arbeitnehmer beschäftigt, deutlich ins Hintertreffen geraten sind, ist offensichtlich. 300 Mitarbeiter im STARK-Projekt sind für den Konzern Volkswagen eher eine Lachnummer. Selbst als Pilot für ein Folgeprojekt ein besserer Witz. So lässt sich das Fachkräfteproblem in Konzernen nicht beheben. Es erinnert ein wenig an das recht fotogene und medial gehypte SIEMENS-Projekt Migranten in eine Berufsausbildung zu bringen…

Dass Ältere und auch Behinderte produktiv arbeiten können sollte als bewiesen angesehen werden. Dass Digitalisierung hier unterstützen kann ist wahrscheinlich. Dass moderne Arbeitsorganisationsformen und -methoden auch notwendig werden, ist klar erkennbar. Immer unter der Prämisse, dass all das nicht in einem visionären Raum entsteht, der die Realität nicht mehr berührt. Alles hat seine Voraussetzungen. Und die müssen erfüllt sein. Immer (sic!).

So bleibt als abschließendes Urteil zu sagen, dass Arbeit 50Plus schön ist, aber auch mit 70Plus noch machbar ist. Werthaltigkeit letztlich durch die definiert werden, die Werte erst schaffen. Die, die es wollen, können und immer wieder machen! – Egal wie alt…

 

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Quellenverzeichnis:

[1] Vgl.: Sascha Rauschenberger: Future Work und die vernachlässigten Ressourcen im Arbeitsmarkt der Zukunft, Conplore Magazine (2014)

Fotoquelle: Yusuf Simsek: „Employer Branding“ https://simsek.ch/

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