A n z e i g e n

abschalten

Beitrag von: Prof. Jan-Erik Baars

Unternehmen: Hochschule Luzern

Bildquelle: iStock.com/designfokus

Das Design hat einen weiten Weg zurückgelegt: Wo zuerst Artefakte, Objekte und Kommunikationsmittel entworfen und gestaltet wurden, folgte das Designen von Produkten, dann das Designen von Software, von Diensten und neuerdings von ganzen Erlebnissen. Als quasi völlige Auflösung ins Immaterielle, wendet man sich jetzt dem Design des Denkens zu: Design Denken ist die ultimative Königsdisziplin im Design und da man ‘im Hirn’ gestaltet und das Resultat Gedanken sind, kann auch ein ‘handwerklich’ unbegabter Mensch sich dieser Designdisziplin widmen, vorausgesetzt sein Gehirn lässt dieses Denken zu…

So kommt es auch, dass man sogar an etabliertesten nicht-Design-Unis, wie in Stanford oder in St. Gallen, sich dieser neuen Form des Designs zuwendet. Dort wo sonst MBA-Kader geschmiedet werden, wird neuerdings ‘Design gedacht’, damit die Leader von Morgen und die Berater von Heute sich mit neuen Mitteln den ‘verflixten Problemen’ (ich berichtete) stellen können.

Das ‘Design Thinking’ (oder auch designhaftes Denken) ist jetzt in aller Munde und erobert Schritt für Schritt die Bühne der strategischen Beratung, dort, wo noch hauptsächlich jene Methoden geistern, die den Unternehmen vorspielen, dass man mit Effizienz und konkretem Handeln ihre dahinwabernden Geschäfte wieder auf Hochtouren bringen kann. Denn das gängig gepredigte Mantra, dass man nur gut ‘managen’ muss, um festgefahrene Strukturen aufzubrechen, als auch unwillige Kunden zum Kaufen zu motivieren, verhallt zunehmend in den Vorstandsetagen: genauso wie Kunden bei der Werbung nicht zuhören, hören auch Unternehmen immer weniger zu, wenn klassische Berater ihre ‘Werbung’ herunter rattern. Das heisst nicht, dass es keine Werbung und eben auch keine klassischen Berater mehr gibt oder braucht – viele Unternehmen (als auch Kunden) sind noch so tief im industriellen, logischen Denken beheimatet, dass sie sich gar nicht vorstellen können, dass es eine wirkliche Alternative gibt. Sie bleiben beim bestehenden Programm.

Vielleicht ist es aber auch ein gewisses Unvermögen oder sogar Angst, dass sowohl Kunden wie auch Vorstände davon abhält, den ‘Kanal zu wechseln’ oder das laufende Programm einfach abzuschalten? Und vielleicht tun sie es auch deswegen nicht, weil sie nicht wissen, was auf dem anderen Kanal überhaupt läuft… Alles frei nach dem Motto: lieber sitze ich diesen Blödsinn aus, als selbstverschuldet noch mehr Blödsinn zu sehen.

Aber jene Unternehmen, die es gewagt haben, sich dem Design Denken zu widmen und somit wirklich ‘designhaft’ zu denken, haben sprichwörtlich ‘umgeschaltet’: Sie haben den Mut gehabt, das dominante deduktive Denken in ihrem Unternehmen mit einer anderen Denke anzureichern, oder es sogar zu ersetzen. Ihre Neugier war grösser als die Furcht, dass das ‘Programm’ hinterher nicht genauso weiter läuft wie vorher. Oder ihnen war das aktuelle ‘Programm’ so überdrüssig, dass sie tatsächlich abgeschaltet haben!

In der Gewissheit der Auswirkung, die es zu haben scheint, wirkt jedoch für viele Unternehmen das Design Denken wie eine radikale ‘Abkehr’ zum gängigen Duktus: Ganz nach der geläufigen Aussage “Wie, ihr schaut nicht fern? Dann seid ihr bestimmt weltfremde Alternative!” Dabei impliziert hier das eine nicht das andere: wer sich vom gängigen ‘Massenphänomen’ (wie in den Unternehmen das ausschliesslich Effizienz-orientierte Managen) abmeldet, der muss noch lange kein ‘Alternativer’ sein, oder gar ein Hippie. Vielmehr ist die bewusste Wahl, das eine nicht und dafür etwas anderes wohl zu tun, Ausdruck von Selbstbestimmung, von Haltung und Bewusstsein und weniger von Abgrenzung und Isolation. Letzteres wird ja von außen durch’s Establishment erst bewirkt. Es braucht daher durchaus Mut, um sich – zwischen all denen, die ‘fernsehen’ – für’s ‘Abschalten’ zu entscheiden.

Und Mut und Haltung sind die Voraussetzungen für ein designhaftes Denken im Unternehmen: um designhaft denken zu können, muss man konkretes Denken hinter sich lassen und abstrahieren lernen. Klassisches Management kann dies nicht, es will deduktiv und somit direkt zu einer Lösung gelangen. Denn ein ‘Umweg’, um mittels Abstraktion alternative Ansätze für die Lösung eines Problems anzugehen, steht in direktem Konflikt mit den Grundregeln der Effizienz, welche wiederum ein fester Bestandteil des Management-Denkens sind. Also braucht es neben Abstraktion vor allem den Mut, darauf zu vertrauen, dass der ‘Umweg’ letztendlich zu einer konkreten Lösung führen wird.
Die Abstraktion ist dahingegen für Kreative ein Leichtes, jedoch finden diese selten wieder daraus zurück, um das Abstrahierte in jene konkrete Lösungen umzusetzen, die notwendig sind, um Unternehmen zu lenken und zu führen. Daher findet man oft eine ‘Lücke’ zwischen dem kreativen Potenzial eines Unternehmens und der Umsetzungskompetenz dessen Managements, und genau in dieser Lücke verpufft das Potenzial für Innovation.

Designhaftes Denken schliesst diese Lücke und ermöglicht Unternehmen die ‘alternative’ Sicht auf das, was sie tun, auf die Umstände, auf den Markt und den Konsumenten. Mit ihr können sie sich vorstellen, was eine wirklich relevante Lösung sein könnte, statt sich von einem Denken bestimmen zu lassen, wie ein logischer nächster Schritt zur Lösung sein muss. Design Denken wirkt wie eine Brille vor den Augen einer kurzsichtigen Organisation: mit ihr erkennt man auf einmal Möglichkeiten, die vorher noch im Umscharfen lagen.

Designhaftes Denken ermöglicht Unternehmen eine neue Art mit dem ‘Programm’ umzugehen – es ist nicht ein ‘ständiges Zappen’ auf andere Kanäle, auch nicht die Suche nach einer willkommenen Unterbrechung, quasi dem Werbeblock, es ist ein bewusstes Abschalten!

Trauen Sie sich ruhig, liebe Unternehmer, es ist ganz einfach: den roten Knopf drücken und sich dann vorstellen, wie es weiter gehen könnte!

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