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Joint Future Work und der Spezialisten Exodus in den Ruhestand

Joint Future Work[1] und der Spezialisten Exodus in den Ruhestand

Was die Prognostiker im Oktober 2014 bereits vorausgesagt haben, ist nun zur statistischen Realität geworden: weit über 300.000 der potenziellen Anwärter auf die abschlagsfreie Frührente mit 63 haben das Berufsschiff verlassen und sind in diesem Jahr schon in den Hafen des gesetzlichen Rentenbezugs eingelaufen. Wohlgemerkt: zusätzlich zu den regulären Altersrentnern und den sich für den “Strafzoll” eines mehr oder weniger hohen Abschlags an Rentenbezügen vorzeitig aus dem Arbeitsleben herauskaufenden Frührentnern [2].

Was man so nicht erwartet hatte: die übergroße Zahl an Nutznießern der “Rente von Nahles’ Gnaden” kommt aus der Gruppe der sog. “MINT”-Spezialisten: der Mathematiker, IT-Fachleute, Naturwissenschaftler und Techniker. Und nicht, wie vorher angenommen, aus der Gruppe der körperlich hoch belasteten Berufsgruppen, stellt die Bundesanstalt für Arbeit in einer kürzlich erschienenen statistischen Veröffentlichung nunmehr amtlich fest.

Und die, die gegangen sind, sind die, die eigentlich etwas mitgestalten sollten, das da Digitalisierung, Industrie 4.0 und technische Revolution heißt. Und es sind die, die so nicht auf dem Plan standen, als man Anfang des Jahres 40.000 offene Stellen in der IT hatte und von einem Gesamtmehrbedarf von zusätzlich 30% in den nächsten Jahren ausging [3]. Und es sind die, deren Expertise auch Systeme, Programme und Programmiersprachen umfasst, die heute nicht mehr aktuell sind und daher nicht mehr vermittelt werden. Wo Wissenstransfer gefragt gewesen wäre. Organisiert, strukturiert und dann über einen gewissen definierten Zeitraum vermittelt. Diese Leute sind aber kurzfristig gegangen. Aus Situationen heraus, wo man an Wissenstransfer mit Sicherheit weniger gedacht hat. Nicht im Tagesgeschäft einer IT-Abteilung. Und das ist nur der technisch-fachliche Aspekt. Der innerbetriebliche soziale Aspekt bleibt hier meist gänzlich unerwähnt. Und der ist oft gravierender. Gerade in KMUs.

Einmal abgesehen davon, dass die als Hebel zur Vermehrung von Wählerstimmen gedachte Rentenwohltat die nicht mehr zu übersehende negative demografische Entwicklung nachhaltig konterkariert, hinterfragt kaum jemand in unserem Lande, was denn die jährlich zu Hunderttausenden aus dem Beruf in den Ruhestand abgewanderten Menschen mit ihrer “Späten Freiheit” wirklich anfangen. Gehen sie womöglich alle noch einmal auf große Fahrt um die Welt, kaufen sich einen Weinberg oder schreiben endlich ihren Weltbestseller? Wie ist die Gesellschaft auf den Zustrom von geistig und körperlich immer flexibleren und fitteren Mitbürgern knapp jenseits des sechzigsten Lebensjahres vorbereitet?

Wenn wir den Fakten zur “Ferneren Lebenserwartung” unseren Glauben schenken, dann dürfte im Schnitt ein heute 63jähriger Mann das 79. und eine gleichaltrige Frau ihr 82. Lebensjahr locker erreichen können. Das heißt nichts anderes als: wir leben nach unserer “Entberuflichung” noch etwa 20 Jahre – und das zu besseren Konditionen in allen Lebensbereichen, als es sich unsere Vorgängergenerationen haben jemals vorstellen können. Noch…

Man kann sich zwar vorstellen, dass sich ein Teil der Menschen – wohl vornehmlich eher die Menschen mit körperlichen und seelischen Defiziten, aufgrund langanhaltender und steigender Arbeitsbelastung – nicht ungern aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Und auch Menschen, die sich im Beruf, teils in gering bezahlten und niedrig qualifizierten Professionen befanden, nehmen das aktive Ruhestandswesen sicher als bereichernden Aspekt ihrer dritten Lebensphase an. Sofern die Rente auskömmlich ist…

Doch gerade bei denen, die sich vordem als Hochqualifizierte und Experten, als ehemalige Führungskräfte und Intellektuelle aktiv im Arbeitsleben engagiert haben, scheinen perspektivische Lebensinhalte, wie Müßiggang oder Feierabendsentimentalität eher unwahrscheinlich. Diese Menschen wollen noch etwas erreichen im Leben, wollen sinnhaft beschäftigt sein, womöglich weitere Spuren hinterlassen und sich und der Gesellschaft noch etwas geben oder zurückgeben. Aber offensichtlich nicht im ursprünglich angestammten Beruf. Oder sollte man besser sagen: Berufsumfeld? Sie wollen raus – und trotzdem bleiben. In geistiger Bewegung, in Beschäftigung, in Betriebsamkeit. Denn gerade die “MINTs” sind sich der vielen Jahre bewusst, dass sie noch vor sich haben. Doch wie löst man das Paradoxum auf? Nun gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:

1. Die unternehmensindividuelle Planung des Überganges

Die Unternehmen und Institutionen könnten sich auf das Angebot flexibler Laufbahnperspektiven, alter(n)sgerechte Arbeitsplatzgestaltungen und attraktive (Lebens-) Arbeitszeitmodelle besinnen. Vielleicht noch auf generationenübergreifende Teambildungen, eine den Unternehmenszielen dienende Kompetenznutzung der älteren Mitarbeiter und die lebenslange Weiterqualifizierung ihrer 50-Plus-Mitarbeiter. Letztlich sind sie sogar darauf angewiesen, da der Fachkräftemangel gerade die IT und alles rund um die Digitalisierung treffen wird.

Damit würden sie dem unvermeidlichen demografischen Wandel etwas an Schlagkraft nehmen und sowohl ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit steigern sowie die eigene Firmenattraktivität nachhaltig verbessern helfen. Ihren Mitarbeitern einen wirklich sinnvollen und wertschätzenden Übergang in eine Zeit anbieten, die man dann ehrlichen Herzens RUHESTAND nennen kann. Ein Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist, die Corporate Identity nachhaltig prägen kann und das Unternehmen als Arbeitgebermarke bestens positionieren könnte [4]. Es sollte nicht vergessen werden, dass mit dem frühzeitigen Wegfall der alternden Belegschaften ein nicht zu unterschätzendes Risiko des Fachkräftemangels, gerade auf KMUs zukommen wird.

2. Die Vogel-Strauss-Alternative

Oder man schwimmt weiter im Strom der Ahnungslosigkeit und unterlässt bei Strafe des eigenen wirtschaftlichen Untergangs jegliche Aktivität zur Ruhestandsvorbereitung der älteren Belegschaft. Verdrängt oder verleugnet Maßnahmen zum Erhalt der Berufs- und Arbeitsfähigkeit seiner Mitarbeiter und überlässt ihnen mangels alternativer Angebote des Staates die einzig bleibende Wahl: die des Renteneintritts zu Bedingungen, die nicht immer fair sind, im Verhältnis zur persönlichen Lebensarbeitsleistung. Weil man es bisher nicht gelernt hat, sich auf eine lebensplanorientierte Personalpolitik einzustimmen und die Arbeitskräfteentwicklung als strategische (Langzeit-)Aufgabe zu verstehen.

Die Zahl der Rentner und Pensionäre ist von gut 1,21 Millionen im Jahre 2013 auf 1,36 Millionen im Vorjahr gestiegen. Hält die Tendenz der Inanspruchnahme des abschlagfreien Ruhegeldes an, werden dieses Jahr mehr als anderthalb Millionen “Entberuflichte” – die nebenbei gesagt die Rentenkassen mit nicht geplanten zwei Milliarden Euro zusätzlich belasten – in die Gesellschaft entlassen. Ein Aspekt, der gerade bei leeren Kassen inakzeptabel ist, auch wenn die Politik nun momentan bei guter wirtschaftlicher Gesamtlage glaubt, wieder mal nicht sparen zu müssen. Mit einem hohen Anteil an vermeidbarem Arbeitskräfteverlust für die Volkswirtschaft und vielen frustrierten Menschen, die noch arbeiten können und vor allem wollen, zum Teil auch müssen – egal, ob sie die Einkünfte dringend zum Leben brauchen oder ihrer dritten Lebensphase Erfüllung und Sinn verleihen wollen.

3. Neueinstellung der Ü60

Oder die Unternehmen stellen wieder massenhaft Mitarbeiter ein, deren Lebensalter die Marke 60 überschritten hat. Spezialisten, Key-Player und Mitarbeiter mit Schnittstellenkompetenzen, die oft erst auffallen, wenn eben diese Mitarbeiter nicht mehr da sind. Das wäre dann die dritte Alternative…

 

Fazit:


Future Work ist ein Projekt, das nur ganzheitlich gestaltet werden kann. Ohne Wahlgeschenke und ohne ideologische Brille. Es orientiert sich an Fakten aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Als Joint-Ansatz, der gemeinschaftlich gestaltet werden muss.

Joint Future Work Zusammenhang
Abb. 1: Themenfelder Joint Future Work

An dieser Stelle wäre es fatal weiter darüber nachzudenken, wie man wählerwirksam notwendige Maßnahmen noch weiter verwässern kann, ohne selbst dazu auch nur die geringsten Ideen zu haben, wie sich das – auch langfristig – auswirkt. Die Rente mit 63 und deren sog. “Übergangslösung der Inanspruchnahme” anstatt bis 67 weiterarbeiten zu lassen, war – zumindest volkswirtschaftlich – ein Fehler.

Auswanderer ziehen zu lassen, ohne hier bei uns Alternativen für diese Menschen zu schaffen, ist ein weiterer Fehler, der sich verschärfend auswirken wird [5].

Nicht über Mobilitätskonzepte nachzudenken, wie denn ältere Menschen in immer stressigeren Umfeldern dann auch Arbeit erreichen können, ist dann ein einleuchtender zusätzlicher Fehleraspekt, der folgerichtig der mangelnden Gesamtbetrachtung folgt [6].

Und eben weil das so ist, müssen die, die letztlich “die Suppe auslöffeln müssen”, die Unternehmen, schon jetzt anfangen, ihre Future Workforce zu planen. Ihre Key-Player und Schlüsselqualifizierten identifizieren, mit ihnen reden und sie ggf. auch auf den Ruhestand vorbereiten, der in vielen Fällen dann auch noch ein paar Jahre in eine wie auch immer geartete Weiterbeschäftigung führen kann. Als Mentoren, flexible Reserve oder auch als Fachkräfte in Methoden, Programmen und auch Handwerken, die so nicht mehr am Markt zu finden sind [7].

Der demographische Wandel wird kommen. Ihn abzufedern wird unsere Gesellschaft prägen und verändern. Die Digitalisierung wird hier gern als Gefahr wahrgenommen, doch ist sie eigentlich eine Chance (!) den allgemeinen Fachkräftemangel durch Überalterung aufzufangen oder zumindest abzufedern. Dazu müssen viele Mitarbeiter umgeschult werden und der Begriff des lebenslangen (Um-)Lernens wird zu einer real notwendigen Prämisse, dass es funktionieren kann.

Unternehmen können und sollten (!) als Treiber dieses Wandels auftreten. Mit ihren Belegschaften sprechen und diese in ein Boot holen, das nicht allein den Unternehmen gehört. Sie sind darauf angewiesen, dass ihr Unternehmen in der Lage und auch Willens ist, diese Veränderungen herbeizuführen. Nur so werden sie einen auskömmlichen Ruhestand haben, der ihnen auch einen existenzsichern Lebensabend erreichen hilft. Altersarmut ist etwas, was von Politikern auch gern negiert wird. Zumindest redet keiner gern laut und deutlich darüber, was allein schon wieder viel aussagt.

Unternehmen und Belegschaften müssen sich individuell finden, damit Ruhestand und unternehmerische Forderungen möglichst auf Augenhöhe gestaltet werden können. Und gerade die, die es als erste treffen wird, die KMUs, haben hier die besten Chancen, da Unternehmertum und Belegschaft hier oft noch ein Team sind [8].

Joint Future Work Logo
Abb. 2: Joint Future Work

 


Quellen:

[1] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2015): “Definition Joint Future Work” (Future Business Consulting)

[2] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2014): “Future Work und Work Life Cycle: Der Zusammenhang von Arbeit und Altersvorsorge unter der Lupe” (Conplore Magazine)

[3] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2015): “Future Work und IT-Personalkosten: “Die Lösung liegt in konsequenter Beschränkung auf das Wesentliche”” (Future Business Consulting)

[4] Vgl. Roloff, Norbert / Rauschenberger, Sascha (2015): “Joint Future Work und Marketing: Die Gefahren einer getrennten Vertriebs- und Personalstrategie für Umsatz und Personalbedarfsdeckung” (Conplore Magazine)

[5] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2015): “Demographischer Wandel und Auswanderer – das Versagen des “National” Employer Branding und seine Folgen” (Conplore Magazine)

[6] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2015): “Future Work und Mobilität im demografischen Wandel: Mögliche Standortnachteile für die Wirtschaft” (Conplore Magazine)

[7] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2014): “Umsetzungsplan Future Workforce : 12 Schritte in die Arbeitswelt der Zukunft – Steps 1 bis 5: Die erfolgskritische Vorbereitung des Projektes ” (Future Business Consulting)

[8] Vgl. Rauschenberger, Sascha (2015): “Joint Future Work – Ein strategisches Gesamtkonzept für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik im demographischen Wandel” (Future Business Consulting)

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