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Wirtschaftswunder 3.0 – Erfolgreiches und nachhaltiges Handeln in der Welt von Morgen
(Tag 1)
Donnerstag, 09.Oktober 2014.
9:00. Konferenzpräsident Prof. Dr. Michael Amberg, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsinformatik an der Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, begrüßt das Auditorium und eröffnet das 1. Ludwig Erhard Symposium. Ludwig Erhard selbst habe in Nürnberg studiert, berichtet Amberg und stellt die Frage: “Warum wirtschaften wir eigentlich? Zum eigenen Vorteil?” Die Antwort Ludwig Erhards sei gewesen:
“Wir wirtschaften, damit die Gesellschaft ihre Ziele erfüllen kann.” (Ludwig Erhard)
Prof. Dr. Matthias Wrede, Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität, referiert kurz im Rahmen seines Grußwortes über die Entstehungsgeschichte und Zukunft der Universität. Einst sei die FAU aus der Handelsakademie hervorgegangen und derzeit die zweitgrößte Universität Bayerns. Ludwig Erhard habe 1923 seinen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre gemacht und sein Name stehe wie kein anderer für Wirtschaftswunder und soziale Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft bedeute die Beteiligung der Gesellschaft an den Erträgen, bei Loslösung von staatlicher Lenkung.
Dr. Michael Fraas, Stadtrat und Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg, spricht das dritte Grußwort. Auch er beginnt mit Referenz an den gebürtigen Fürther Ludwig Erhard und benennt Nürnberg als dessen Heimat. Hier begann er seine akademische Karriere.
“Ludwig Erhard hat Zeitloses geschaffen.”
So gehe auch die Prägung der Idee eines großen Unternehmens, der Gesellschaft für Konsumforschung GfK, auf Ludwig Erhard zurück. Auf dem Weg vom Wirtschaftswunder 1.0 zum Wirtschaftswunder 3.0 habe sich auch Nürnberg von einem klassischen Produktionsstandort hin zu einem modernen Wirtschafts- und Dienstleistungsstandort gewandelt, zu einem High-Tech- und Service-Standort mit Verbindung zur Digitalwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft sei ein Produkt “Made in Germany”, ein Produkt der europäischen Metropolregion Nürnberg.
Das vierte und letzte Grußwort richtet Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst, Wirtschaftsvorsitzender der “Europäischen Metropolregion Nürnberg” und Vorstandsvorsitzender des Fördervereins “Wirtschaft für die Europäische Metropolregion Nürnberg e.V.”, an das versammelte Auditorium. Nach dem eingänglichen Hinweis, dass das BIP der Metropolregion Nürnberg so groß sei, wie das von Ungarn und Shanghai, kam auch Prof. Wübbenhorst ohne Umschweife auf Ludwig Erhard zu sprechen:
“Wir verdanken Ludwig Erhard den Gedanken des ehrbaren Kaufmanns.”
Prof. Dr. Klaus L.- Wübbenhorst
Ludwig Erhards Antworten seien noch kürzer gewesen, als die Fragen, die man ihm stellte. “Er zeigte klare Kante”, so Prof. Wübbenhorst, der daraufhin die Gemeinsamkeiten betont, die er als Wirtschaftsvorsitzender der Europäischen Metropolregion Nürnberg heute mit Ludwig Erhard habe. Nur seien die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von heute und damals erheblich unterschiedlich. Heute sei vieles digital, das Kapital mobil, Ländergrenzen eher unwichtig.
“Wirtschaft ist zu 50% Psychologie.” (Ludwig Erhard)
… zitiert Prof. Wübbenhorst Ludwig Erhard, dessen Ziel es gewesen sei, “keinen Wohlfahrtsstaat”, sondern “selbstbewusste Konsumenten hervorzubringen, die sich durch die Schaffung von Eigentum der Gängelung des Staates entzögen”.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Prof. Dr. Wübbenhorst im Rahmen des Symposiums geführt haben:
“Anmerkung zur aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland und Europa – Was jetzt zu tun ist”
… lautet der Titel der offiziellen Eröffnungsrede zum 1. Ludwig Erhard Symposium. Diese obliegt Dr. h.c. Wolfgang Clement, Bundeswirtschaftsminister a.D. der Bundesrepublik Deutschland.
“Soziale Marktwirtschaft ist die Grundordnung in Deutschland – und auch in Europa. Auch wenn es dort eher zart vertraglich verankert ist.” (Wolfgang Clement)
Dr. Clement resümiert, nach der Wiedervereinigung habe großes Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft bestanden. Heute sei ein allgemein großer Vertrauensverlust in die Wirtschaft und in Folge davon auch in die soziale Marktwirtschaft erkennbar.
“Die mangelnde Fähigkeit zur Selbstdisziplin.”
Die Bildung von Regulierungsstrukturen nach den Krisen sei wichtig gewesen, um den Kapitalmarkt zu bändigen.
“Die Kreditwirtschaft muss in eine dienende Funktion für die Realwirtschaft zurückgeführt werden.”
Verantwortung bedeute die Zusammenführung von Chance, Risiko und Haftung. Andererseits beschränke eine Neigung zu „politischer Regulierungseuphorie“ außerhalb des finanziellen Sektors zunehmend unternehmerisches Handeln und Privatsphäre. In diesem Zusammenhang zitiert Clement einen Eigenschaftenkatalog Walter Eugens zur sozialen Marktwirtschaft und führt die Energiewende als Beispiel für “staatliche Regulierungswut” an. Die Wirklichkeit der Energiewende habe sich weit entfernt von der Realwirtschaft. Es gebe hier keine verlässliche Politik, der industrielle Sockel nehme Schaden. Energieintensive Industrie sehe sich gefährdet und wandere ab in Richtung USA.
“Wir brauchen eine europäische Energieunion.”
Er teile die Meinung des bis kürzlich amtierenden polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, der ab Dezember 2014 das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates bekleiden wird, dass eine europäische Energieunion geschaffen werden müsse, nicht zuletzt angesichts der aktuellen Weltsituation, von Ukrainekrise bis Klimawandel. Diese Energieunion sei genauso wichtig wie die Währungsunion. Es brauche ein europäisches Leitungssystem und europäische Regulierung, mit dem Ziel europäischen Wachstums und einem Plus an europäischer Integration, wie es nur über Infrastrukturprojekte möglich sei.
“Ein schlankes Europa der Subsidiarität.”
… formuliert Clement in Anlehnung an Alt-Bundespräsident Roman Herzog. Europa müsse schlanker werden, sich auf Kernfaktoren fokussieren. Es bedürfe auch ein geordnetes Insolvenzrechts für Staaten.
“Es gibt nichts Klareres als die Wand, vor die man gerät, wenn man sich aus den geltenden vertraglichen Verhältnissen verabschiedet.”
Dr. Wolfgang Clement, Moderatorin Rommy Arndt
Des Weiteren kritisiert der Bundesminister a.D. aktuell-politische Maßnahmen wie den Mindestlohn als Rollback in die Gegenrichtung zur sinnvollen Agenda 2010.
“Der Gesetzgeber gehört nicht in die Lohnfindung.”
Zugleich kritisiert er die Deutsche Bahn. Ein Unternehmen, das im Tarifstreit nach dem Gesetzgeber rufe, könne kein starkes Unternehmen sein. Der Gesetzgeber solle sich aus gewissen Bereichen raushalten, konstatiert Clement, was vom Auditorium mit dezentem Beifall begleitet wird. Deutschland mache isolierte Energiepolitik anstatt europäische und gehe auch bei der Maut einen isolierten Weg.
“Wo immer man den Gesetzgeber einlädt, da breitet er sich aus.”
Deutschland habe erheblichen Investitionsbedarf in Infrastruktur, vor allem auch bei der digitalen. In Indonesien gebe es überall freies W-Lan. Die USA und viele Schwellenländer seien uns bereits weit voraus. Wir stattdessen machten uns lächerlich, indem wir eine Maut für Nicht-Deutsche diskutierten. Es bedürfe heute 17 Jahre Vorplanungszeit vor dem Bau einer Autobahn und 11 Jahre vor dem Bau einer Stromleitung.
“Privates Kapital gibt es genug auf der Welt. Wir müssen es nur holen.”
Auch für Energiewende und Daseinsvorsorge, so Clement. “Nicht-spekulatives Kapital”, ergänzt er. Das Geld sei da und suche nicht die riskanten, spekulativen Investitionsformen. Negativbeispiele dürften nicht zum Dogma gegen private Investitionen werden.
“Wir brauchen ein Umdenken und Umsteuern in allen öffentlichen Bereichen.”
Es gebe in der Politik zu viele, die hoffen, dass sich nichts ändern wird – obwohl das Wissen da ist, dass sich vieles ändern muss. Dies sei das Problem der Demokratie, auch wenn sie das beste politische System sei. Sie werde oft erst handlungsfähig und -willig, “wenn man bereits vor der Wand steht”, im Klartext: wenn etwas mehrheitsfähig ist. Die Investitionen in Bildung und Chancengleichheit seien katastrophal. Gerade im Bereich frühkindlicher und universitärer Bildung. Stattdessen würden Sozialsysteme gestützt, sozusagen die “Reparaturstätten dessen, was vorher bei der Bildung versäumt wurde”, so Clement.
Auch bräuchten wir einen Wahrnehmungswandel beim Lebensarbeitsalter im demografischen Wandel bei stetig steigendem Lebensalter. Wir müssten wir begreifen, wozu die ältere Generation noch fähig ist. 65-68-Jährige wollten oft wieder arbeiten. Die Festlegung einer Lebensarbeitszeit sei daher “Quatsch” und abzuschaffen. Die aktuelle Regierung treffe wirtschaftlich nicht vertretbare Maßnahmen wie Rentenerhöhung und Rente ab 63, und die sachliche Kritik von außen werde nicht wahrgenommen. Es werde in Zukunft wenige große Wachstumszentren geben; die anderen kleineren Kommunen müssten sich um Menschen und Talente bemühen.
“Macht aus 16 Bundesländern 6 und gebt den Kommunen mehr Verantwortung. Sie sind viel wichtiger.”
… äußert Wolfgang Clement auf eine Teilnehmerfrage nach der demokratischen Legitimierung von Landesregierungen im Föderalismus, bei Wahlbeteiligungen um 50% bei Landtagswahlen.
“Es wird sich vieles ändern müssen, damit manches so bleiben kann, wie es ist.”
Abschließend resümiert Clement noch einmal Eckpunkte seines Vortrags: es bedürfe einer europäischen Energie-Union sowie Investitionen in die Digitalwirtschaft, den Verkehr, in Bildung, Ausbildung und Forschung. Der Arbeitsmarkt sei zu reformieren und dem Bürokratisierungswahn sei Einhalt zu gebieten. Wolfgang Clements Idee hier: Gesetzesfolgen und Folgekosten müssten vor Erlass eines Gesetzes zwingend erhoben werden, als Hürde für den Regulierungswahn. Er hoffe auf eine Art Agenda 2030 durch die Koalition.
“Wir hätten Veränderungsbedarf…”
“Wachstumsmotor Mittelstand: Inhaber-, Rechts- und Steuerstrategie“
Dr. Karsten Schween von der INTES Akademie für Familienunternehmen GmbH aus Bonn referierte gemeinsam mit zwei Vertretern des INTES- Kooperationspartners PricewaterhouseCoopers. Daniel Blöchle ist standortverantwortlicher Partner für den Bereich Tax & Legal bei PwC Nürnberg. Dr. Steffen Huber ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei PwC Stuttgart. Karsten Schween war als Partner von McKinsey & Company in Europa, USA und Asien tätig und darauf mehrere Jahre Vorsitzender der Geschäftsführung eines großen Familienunternehmens. Thematisch eröffnet auch diese Veranstaltung mit diesem Fokus:
“Familienunternehmen erwirtschaften 51% der Umsätze in der Privatwirtschaft.”
“Familienunternehmen sind nicht besser als andere. Sie sind anders.”
Es kennzeichne sie zumeist eine dominante Inhaberschaft, ein generationsübergreifender Ansatz. Es sei die Zielfunktion, langfristig zu denken und jeder Folgegeneration ein stärkeres Unternehmen zu übergeben. Dominante Inhaberschaft berge jedoch die Gefahr des Machtmissbrauchs. Die obersten Ziele der Familienunternehmen seien Stabilität, Rentabilität und Wachstum. In dieser Reihenfolge. Bei börsennotierten AG’s sei diese Wertehierarchie dagegen genau anders herum gewichtet. Das Stabilitätsdogma spiegle sich auch in der sehr konservativen Gewinnausschüttung in Familienunternehmen wider. Oft verblieben sogar bis zu 100% des Gewinns im Unternehmen anstatt an die Gesellschafter zu fließen.
“Wenn Familienunternehmen sterben, dann fast immer von innen.”
… resümiert Karsten Schween, weil sich zum Beispiel die Eigentümer „nicht grün“ seien. Als das vermutlich beste Buch zum Thema Familienunternehmen, benennt Dr. Schween Thomas Mann’s Gesellschaftsroman von Weltgeltung aus dem Jahr 1901: „Die Buddenbrooks“ und verweist auf die emotionale Funktion der Familie und bemüht hier auch den bildhaften Begriff des „Bermudadreiecks von Geld, Macht und Liebe“. In eigentümergeführten Familienunternehmen gestalte sich gerade die Trennung von Eigentum und Führung oft schon gedanklich für die Eigentümer als schwierig. Auch und gerade, wenn es um die Übergabe an die nachfolgende Generation gehe.
“Es ist ein Erkenntnisprozess, dass Eigentum und Führung zwei verschiedene Dinge sind.”
Die Bandbreite der Organisationsformen reiche vom Alleininhaber bis zu Familiendynastien. Wichtigstes Ergebnis aus fruchtbarer Zusammenarbeit sei eine Familienverfassung, durch die ein gesichertes Fundament für die langfristige generationsübergreifende Ausrichtung eines Familienunternehmens entstehe. Rollen und Menschen, das Selbstverständnis, die Familie, Governance sowie das jeweilige Inhaber-Geschäftsmodell seien wesentliche Bestandteile einer solchen Familienverfassung.
Im Anschluss stellen Dr. Schweens Co-Referenten von PwC, Daniel Blöchle und Dr. Steffen Huber, verschiedene Unternehmensformen unter besonderer Berücksichtigung rechts- und steuerrechtlicher Kriterien gegenüber, darunter zum Beispiel die Möglichkeit der Zentralisierung von Funktionen in einer Holding. Dies schaffe neue Rollen für Familienmitglieder. Darüber hinaus sei die Schaffung von Sparten in Form einzelner GmbH‘s denkbar, vereinigt unter dem gemeinsamen Dach der übergeordneten Holding. Zudem könne man Gesellschafterfragen in einer Holding bündeln und auch eine Querfinanzierung über steuerfreie Gewinnausschüttung in die Holding GmbH sowie Eigenkapitalzuführung sei möglich. Die Holding fungiere als “Kapitalsammelstelle für Familienvermögen”.
Daniel Blöchle (links) und Dr. Steffen Huber (rechts)
Daniel Blöchle und Steffen Huber vergleichen weiter die Unternehmensform Holding mit dem Modell der Einzelgesellschaft. Unterschiede bestünden hier auch im Informationsgrad. Neben differenzierten Haftungsrisiken so zum Beispiel im Fall der Pflicht zur Veröffentlichung von Konzern- und Einzelabschlüssen. Hier sei derzeit eine Gesetzesänderung in Planung. Die Holding zeichne sich zudem durch Flexibilität durch hundertprozentige Beteiligung der Familie an der Holding aus, wobei die Beteiligung von Investoren lediglich auf operativer Ebene erfolgen könne. Dr. Steffen Huber formuliert hier prägnant:
“Nichts scheut der Familienunternehmer mehr, als Mitbestimmung der Beschäftigten.”
“Employer Branding: Arbeitgebermarken aufbauen und einsetzen”
Referent Prof. Dr. Björn Ivens, Vorstand der Nürnberger Akademie für Absatzwirtschaft und Lehrstuhlinhaber für BWL, insb. Marketing an der Universität Bamberg, eröffnet seinen Vortrag mit dem Hinweis, auch Ludwig Erhard habe sich als deutscher Wirtschaftsminister bemühen müssen, Arbeitskräfte für Deutschland zu gewinnen. Er wolle aber in seinem Vortrag nicht die Staatssicht beleuchten.
“Wir haben einen negativen Saldo zwischen Eintritten und Austritten aus dem Arbeitsmarkt.”
Früher hätten die Personalabteilungen teilweise Waschkörbe an Bewerbungsunterlagen vorliegen gehabt, heute gebe es in zahlreichen Branchen wie der IT-Branche bzw. dem MINT-Arbeitsmarkt Engpässe. Deutschland habe im Vergleich das größte Problem.
Employer Branding befasse sich mit der Unternehmenssicht. Prof. Björn Ivens stellt Beispiele von der Bewertungsplattform “kununu” vor, auf der Mitarbeiter und Bewerber Arbeitgeber bewerten und kommentieren können und erläutert Auszüge aus einer StepStone-Studie, einer Fisch & Fuchs-Studie, einer index-Studie und einer RAAD / SAP-Studie.
Ivens geht anschließend auf Fragen wie die Notwendigkeit einer modernen Recruiting-Politik für Unternehmen zur Bewältigung des Fachkräftemangels ein. In diesem Zusammenhang erörtert er auch die Probleme, welche die Rolle der Frau in der deutschen Gesellschaft aufwirft. Hierbei gehe es u.a. um die Tatsache, dass deutsche Unternehmen vielfach Fachkräfte aus dem europäischen Ausland anwerben, da sie die erforderlichen Profile auf dem inländischen Arbeitsmarkt nicht in ausreichendem Maße vorfänden. Zugleich verschwänden zahlreiche Frauen im Moment der Geburt ihres ersten Kindes vom Arbeitsmarkt und stünden dann den Unternehmen auf Jahre hinaus nicht zur Verfügung. Gründe hierfür lägen u.a. in mangelnden Betreuungsangeboten, aber auch in kulturellen Werthaltungen, die die arbeitende Mutter z.B. als “Rabenmutter” stigmatisierten oder den Stolz des Mannes verletzten (“Meine Frau hat es nicht nötig zu arbeiten”).
“Die Rolle der Frau in Deutschland ist zementiert.”
“Wir müssten uns mental wandeln.”
Als weiteren Ansatzpunkt benennt Prof. Ivens betriebswirtschaftliche Maßnahmen auf der Unternehmensebene, wie eben das Employer Branding (Mitarbeiterbindung, aktive Ansprache). “Employer Branding” definiert Ivens hier als “integriertes Management des Wertversprechens” (Value Proposition) eines Unternehmens gegenüber Zielgruppen auf dem Arbeitsmarkt. Es richte sich an drei Hauptzielgruppen: 1. potentielle Mitarbeiter (“Attract”), 2. Kandidaten (“Recruit”) und 3. aktuelle Mitarbeiter (“Retain”).
Employer Branding Maßnahmen müssten systematisch kontrolliert werden, so Prof. Ivens, z.B. durch Kennzahlensysteme, Fluktuationsraten, Bewertungen und Kommentare auf Bewertungsplattformen.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Prof. Ivens im Rahmen des Symposiums geführt haben:
“Industrie 4.0 – Management im Wandel”
Referent Dr. Olaf Schrödel, Geschäftsführer der SINTEC Informatik GmbH, sieht “Industrie 4.0? als “die Anwendung des Internets der Dinge”, basierend auf intelligenten Systemen – Geräten die miteinander kommunizierten in der Produktion. Dr. Schrödel stellt die Zahl 50 Milliarden vernetzter Geräte bis 2020 in den Raum.
“Industrie 4.0 ist die Integration cyberphysischer Systeme in die Produktion.”
… fasst er prägnant zusammen. Ziele seien eine Steigerung der Effizienz, das Verwalten von Lagerbeständen und die Senkung von Kosten. Als “Vision 2025? formuliert Schrödel die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Innovation des Produktionsstandorts Deutschland als digitaler Wachstumsmarkt.
“Die intelligente Fabrik steht im Mittelpunkt.”
Produktion werde sich verändern, selbstorganisieren. Weg von starren Produktionsabläufen, hin zu totaler Flexibilität. Maschinen und Werkstücke kommunizierten in der Fabrik der Zukunft miteinander.
“Firmen müssen agil produzieren und wissen, was der Markt von morgen verlangt.”
Disruptive Innovationen bedrohten zunehmend etablierte Geschäftsmodelle und schaffen neue Modelle und Prozesse. Hier führt Olaf Schrödel existente Konfliktfälle wie Wikipedia und Brockhaus, oder Amazon und den Einzelhandel als Beispiele an. Verfügbarkeit, Geschwindigkeit, Vernetzung, Datenmengen, Netzabdeckung und Datenraten seien alles entscheidende Standortfaktoren.
“Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts.”
… formuliert Schrödel. Daten prägten den Markt im B2B wie B2C-Bereich. Wissensmanagement und Informationsmanagement seien essentiell. Daraus entstünden neue Geschäftsmodelle.
“Was denkt und will der Kunde?”
… sei die entscheidende Frage. Die Synergie zwischen Mensch und Technik sei der nötige Wissensvorsprung für optimale Kundennähe. Unternehmen sollten Innovationsplattformen und Dialogformate schaffen. Die Führungskraft werde in Zukunft immer mehr zum Coach der Mitarbeiter.
“Die Generation Y ist ein Katalysator für die anstehenden Herausforderungen für die Industrie 4.0.”
Obgleich die größten Hürden der “Industrie 4.0? die Beherrschung der Komplexität, Security und Knowhow-Schutz, Standardisierung sowie Fachkräftemangel seien, so sei die Digitalisierung der Welt die größte Ausprägung der kommenden industriellen Revolution. Der Gegensatz zwischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft müsse in Synergien verwandelt werden. Der Dreiklang “smart products -> smart data -> smart services” eröffne Wertschöpfungspotentiale, die es zu nutzen gelte. Dr. Olaf Schrödel schließt diesen Gedanken mit der Einschätzung:
“Deutschland hat das früh erkannt und hat eine hervorragende Ausgangsposition.”
“Der ‘HR-Fitness’ Check im Mittelstand”
Referenten: Roland Knorr, Geschäftsführer und Gesellschafter, Vectis Consulting GmbH und Michael Kolb, Vorstand, QRC Group AG Personalberatung.
Michael Kolb nennt zunächst einige Unternehmenseckdaten – die QRC Group habe aktuell 24 Partner und 70 Consultants. Bei dem sogenannten “HR-Fitness-Check” handele es sich um eine Mittelstandsstudie, die Einschätzungen von rund 1.000 mittelständischen Unternehmen über alle Branchen und Größenordnungen zur wichtigen Personalthemen wie Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Führungsqualitäten, Managementkompetenzen und Arbeitgeberattraktivität umfasse.
Der Mittelstand nutze eher klassische Recruiting-Instrumente, Social Media dagegen eher in geringem Maße. 80 Prozent der Mitarbeiter würden regional rekrutiert. Nur vier Prozent der befragten Mittelständler betrachteten Frauen, nur 6 Prozent ausländische Bewerber als Zielgruppe ihres Personalmarketings. Der expliziten Förderung von Frauen werde ein eher niedriger Stellenwert eingeräumt.
Kolb stellt die Bedeutung bestimmter Punkte für Mitarbeiter und die Umsetzungsstärke bzw. Gewichtung dieser Themen im Personalmarketing in Form einer Matrix in Relation. Man solle sich im Personalmarketing auf Themen wie das Betriebsklima fokussieren, die aus Mitarbeiter- und Bewerbersicht eine hohe Bedeutung haben.
Abschließend erläutert Michael Kolb eine To Do-Liste für Unternehmen. Der demografische Wandel bedinge, dass Maßnahmen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit getroffen werden müssten, im Einklang und Umgang mit Veränderung in den Altersstrukturen. Der Personalberater empfiehlt mittelständischen Unternehmen in Aus- und Weiterbildung zu investieren und das Personalmanagement ganzheitlich in sechs Bereichen zu professionalisieren. Dazu zählten insbesondere die Bereiche Personalstrategie, Arbeitgebermarke sowie Nachfolge- und Wissensmanagement, ergänzt durch ein ganzheitliches Recruitingkonzept, Mitarbeiterförderung und die Nutzung von Standortvorteilen. Personalmanagement müsse zur zentralen Aufgabe der Unternehmensführung werden.
Roland Knorr von Vectis Consulting übernimmt nun mit dem Statement:
“Der Mensch ist Chefsache!”
Knorr präsentiert dem Auditorium einen Screenshot des “SAP Corporate Performance Monitors”, einem Management Dashboard, in dem der Mensch quasi keine Rolle spiele. Häufig höre er die Beschwerde von Unternehmern, dass sie nicht die richtigen Leute hätten und frage diese dann im Gegenzug, wer denn überhaupt die richtigen Leute seien und woher die Unternehmen denn wüssten, dass dies so sei. Es gehe darum, ein starkes System zu schaffen, um für das Unternehmen gewonnene Mitarbeiter auch zu binden. Wenn man kein starkes Produkt habe, brauche man eine starke Arbeitgebermarke. Geld ködere nur noch bedingt. Grund sei das steigende Erbschaftsvolumen.
“Schlechte Führung kostet Geld. Gute Führung erwirtschaftet Geld.”
Knorr erörtert vier aus seiner Sicht zentrale Punkte: Strategie, Führung, Ziele und Selbstverständnis. Strategie helfe zu finden, zu binden und zu entwickeln. Er verweist an dieser Stelle auf das Buch “Wer Leistung will, muss Sinn bieten”.
“Der Mitarbeiter muss die Unternehmensstrategie verstehen und vertreten.”
Ziele zu haben, das genüge nicht. Ziele zu kommunizieren, das mache den Unterschied. Hinzu müsse man die Frage, wofür man stehe, schlüssig und überzeugend beantworten. Werte als Grundlage des eigenen Selbstverständnisses seien nur wertvoll, wenn sie auch auf allen Ebenen kommuniziert würden. Abschließend gibt Roland Knorr den Teilnehmern einen Grundgedanken mit auf den Weg:
“Menschen brauchen Richtung. Erfolg braucht Richtung. Unternehmen sind Richtungsgeber.”
Mittagspause / Nachmittag
“Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland”
Dr. Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI), beginnt seine Rede mit zwei wirtschaftshistorisch bedeutsamen Zitaten Ludwig Erhards und berichtet, der BDI habe in den 50er Jahren mit Ludwig Erhard im Clinch gelegen, da die deutsche Industrie damals gegen eine Liberalisierung gewesen sei. Aus heutiger Sicht könne man “mit Fug und Recht sagen”, dass Ludwig Erhard die deutsche Industrie und die deutsche Wirtschaft sprichwörtlich “zu ihrem Glück gezwungen” habe. Heute sehe die deutsche Industrie den Abbau von Handelsschranken hingegen als alternativlos an. Vor diesem Hintergrund plädiert Dr. Kerber für einen freien Wirtschaftsraum der EU mit den USA, da dieser rund 50 Prozent des weltweiten Handelsvolumens ausmache.
“Deutschland ist der ‘Enabler’ der Globalisierung.”
… betont Kerber die Stärken der deutschen Industrie. Diese lägen insbesondere in einer starken Internationalisierung und zum anderen sei Weltoffenheit ein zentrales Merkmal, das in der Vergangenheit dafür gesorgt habe, dass wir Krisen überwanden. Die Industrie sei auf den Export international ausgerichtet, also auf das, was die Welt da draußen brauche. Mit “die Welt da draußen” beziehe er sich vor allem auf die Schwellenländer. Überall auf der Welt werde auf Grundlage deutscher Industriegüter produziert.
Deutschland stelle nur 1 % der Weltbevölkerung und sei einer der Top-Gewinner der Globalisierung mit einem Weltmarktanteil von 9% in 2012 (3. Platz) und das, obwohl Deutschland quasi ein Land ohne eigene Rohstoffe sei. Man habe sich dem Wettbewerb gestellt. Deutschland führe 22 Prozent seiner Wertschöpfung auf die Industrie zurück, industrienahe Dienstleistungen mitgerechnet sogar deutlich über 30 Prozent. In Nachbarländern wie Großbritannien und Frankreich liege dieser Anteil bei nur ca. 10 bis 11 Prozent.
“Das Geschäftsmodell Deutschland”
Der hohe Innovationsgrad sei eine weitere Stärke. Die deutsche Volkswirtschaft gebe jährlich rund 75 Mrd. Euro volkswirtschaftliches Budget für Forschung und Entwicklung aus, wovon zwei Drittel aus dem privaten Sektor komme und nur ein Drittel vom Staat. Innerhalb der zwei Drittel stammten 90% des Budgets aus der deutschen Industrie.
“Die Erfolgsmaschine in Deutschland sitzt im Mittelstand.”
Als weiteren entscheidenden Erfolgsfaktor betrachte Dr. Kerber die Tatsache, dass ein Großteil der Unternehmen in Deutschland dem Mittelstand angehöre. Der deutsche Mittelstand zeichne sich u.a. durch enorm hohe Technologiekompetenz und -orientierung, durch ein vergleichsweise nachhaltiges Wirtschaften, weniger stark ausgeprägtes Quartalsdenken und durch eine hochmotivierte Mitarbeiterschaft aus.
“Deutschland ist immer so viel besser, wie es teurer ist.”
… zitiert Markus Kerber Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im deutschen Mittelstand gebe es ca. 1.300 Hidden Champions. Hidden Champions seien Unternehmen, die weltweit unter den Top 3 oder in Europa auf Platz 1 stünden. Viele davon erfüllten sogar beide Kriterien. Die Kombination aus hoher industrieller Tätigkeit, Außenhandelsorientierung, hoher F&E-Tätigkeit und mittelständischer Struktur habe dazu geführt, dass diese Unternehmen weltweit einzigartige Wertschöpfungsketten und Produkte gebildet hätten.
Politik sei das größte Risiko auf dem Weg nach vorn, fährt Kerber fort, und das, was die letzten 12 Monate zu beobachten sei, habe mit den zuvor beschriebenen Erfolgsbedingungen wenig zu tun. Es gehe seit 11 Monaten nur ums Verteilen. Es gebt keine investiven Ansätze in der Politik, lautet seine Kritik. Wir erlebten gerade einen Einbruch der Exporte. Das werde dazu führen, dass die Politik ihre Kassenlage nochmal überdenken müsse, biete eventuell aber auch die Chance, das durch Deutschlands Stagnation verursachte Stottern der europäischen Wirtschaft zu beheben.
“Wir haben es mit hausgemachten Problemen zu tun.”
Der BDI habe seine BIP-Prognose nach unten angepasst (von 2 % auf 1,5 %). In allen Märkten (Istanbul, Kiew, Shanghai, Seoul) sähe man einen erheblichen Rückgang der Nachfrage nach deutschen Produkten und Dienstleistungen. Dies habe mit politischen Spannungen zu tun. Der Flüchtlingszustrom in der EU werde zu sozialen und religiösen Spannungen und Verteilungskämpfen führen. Das hieße, es werde wohl auch einen Einbruch der Binnenkonjunktur geben. Dies sei für die deutsche Industrie ein schwieriges Umfeld. Denn wenn diese weder von außen noch von innen Impulse bekäme, sei die Prognose mit 1.5 % vielleicht noch zu hoch angesetzt.
Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müsse man einen Kurswechsel bei den sozialpolitischen Rahmendaten am Arbeitsmarkt vollziehen. Themen wie Mindestlohn, Frauenquote, die Regulierung der Zeitarbeit, die Regulierung von Werks- und Dienstverträgen, der Entwurf einer Anti-Stress-Verordnung seien alles Dinge, die die Konjunktur nicht beflügeln werden. Kerber stellt drei strukturelle Probleme in Deutschland besonders heraus: die geringe Investitionstätigkeit innerhalb Deutschlands, den Kampf um die digitale Zukunft bzw. die Industrie 4.0 und Probleme in der Energiepolitik bzw. bei der sog. Energiewende.
Sechs von zehn Autos würden heute bereits im Ausland produziert. Dies bedeute weniger Wertschöpfung in Deutschland. Gerade in Zeiten des demographischen Wandels, wenn die Personalintensität abnehme, sei es gemäß Rürup wichtig, dass die Kapitalintensität zunehme. Genau dies sei der Fall, wenn wir in Deutschland wieder mehr investierten. Hierbei komme dem öffentlichen Sektor eine Schlüsselrolle zu. Es seien umfassende Investitionen in Strom, Straßen, Netze und digitale Infrastruktur erforderlich, um Projekte wie Industrie 4.0 in Deutschland zu realisieren.
Noch sei das Rennen um die Digitalisierung nicht entschieden, auch wenn angesichts Amazon, Google, Facebook, Cisco und Co. in der Öffentlichkeit so getan werde. Die andere Hälfte der Wahrheit sei, dass das komplexere Ende der industriellen Wertschöpfungskette – nämlich die Digitalisierung der Produktion – noch vornehmlich in Deutschland sitze. Es sei den Großen in der Computerbranche noch nicht gelungen, diesen komplexeren Teil vollständig zu digitalisieren. Hier sei es aus Kerbers Sicht von echtem Vorteil, wenn mit Hilfe eines Breitbandnetzes in Deutschland gelinge, eigene Entwicklungen für Themen wie Big Data, Cloud, Enterprise Mobility und Cyber Security zu etablieren. Neben der Verkehrsinfrastruktur sei also eine Netzinfrastruktur eine imminent wichtige Voraussetzung.
“Industrie braucht Energie.”
Energiekosten seien das entscheidende Element neben den Arbeitskosten. Industrielle Produktion verschlinge meist viel Energie. Energiepolitik in Deutschland sei verbunden mit dem Begriff “Energiewende”. Mit dem Aufbau eines europäischen Energiemarktes müsse man zu nachhaltigen Energiekostensenkungen kommen. Man brauche mehr Mut zu einschneidenden Maßnahmen und öffentliche Investitionen, so Kerber.
“Ich glaube, wir stehen im Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft vor einer Zeitenwende.”
Lange Zeit hätten sich beide Seiten ignoriert. Der private Sektor habe relativ erfolgreich gewirtschaftet, die Politik relativ wenig reguliert. Jetzt komme man in einen Bereich, in dem wieder vermehrt staatliche Investitionen erforderlich würden, doch der Staat teile mit, er habe kein Geld. Die schwarze Null müsse stehen. Verschiebungen in der Ausgabenstruktur seien jedoch nicht unmöglich, so Dr. Kerber. Die Herausforderung im Sinne Ludwig Erhards sei es, von konsumptiven, also wohlfahrtsstaatlichen Ausgaben zu investiven Ausgaben zu gelangen. Dies schaffe ein besseres Investitionsklima für den privaten Sektor.
“Nachhaltigkeit: Wie denken die Verbraucher darüber und wie handeln sie?”
Matthias Hartmann, Vorstandsvorsitzender der GfK SE, eröffnet seinen Vortag mit dem Hinweis, Ludwig Erhard habe zu den Gründungsvätern seines Unternehmens gehört. Die GfK sei vor 80 Jahren als kleines Spin-off aus einem Institut der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg ausgegliedert und gegründet worden. Ludwig Erhard habe die GfK bis in das Jahr 1942 begleitet. Heute sei man die Nr. 5 in der globalen Marktforschung und Information Services und erwirtschafte mit 13.000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 1.5 Mrd. Euro. Die Sehnsucht nach einem “Wirtschaftswunder 3.0? und nachhaltigen Wachstum passe hervorragend zu der Marketing-Tagline seines Unternehmens: “Growth from Knowledge”.
“Nachhaltigkeit (…) ist etwas, was den Verbraucher sehr stark beschäftigt und beeinflusst.”
Hartmann beleuchtet das Thema Nachhaltigkeit am Beispiel Ernährung und Lebensmittel und stellt dabei den Verbraucher und dessen Gedanken zur Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Nachhaltigkeit sei ein facettenreicher Begriff. Das Thema sei angekommen und in allen gesellschaftlichen Bereichen etabliert. Von Politik und Wirtschaft bis hin zum Verbraucher. Eine wachsende Mittelschicht in den emerging markets lasse zusätzlich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wachsen. Den Verbraucher drücke zuallererst die Sicherung der eigenen Lebenssituation. Die Qualitätsorientierung der Verbraucher steige seit Jahren kontinuierlich. Die Grenze setze natürlich der individuelle Geldbeutel.
“Die Erwartungshaltung der Verbraucher hat unmittelbaren Einfluss auf marktorientierte Unternehmer.”
GfK-Studien wie die “GfK Roper Reports Worldwide 2013? zeigten auf, was die Menschen bewege. Die Top-Sorgen von Verbrauchern seien insbesondere jene bezüglich Rezession und Arbeitslosigkeit, Inflation und hoher Preise, genügend Geld für Lebensunterhalt und Rechnungen zu haben sowie Kriminalität und Rechtslosigkeit. An fünfter Stelle stehe Umweltverschmutzung, an elfter Stelle der globale Klimawandel. Von Unternehmen erwarte man, dass sie Arbeitsplätze schaffen, aber auch dass sie fair und nachhaltig wirtschaften.
40% der deutschen Bevölkerung sei das Thema Nachhaltigkeit bekannt, zitiert Matthias Hartmann aus einer Studie im Auftrag des GfK Vereins. Er präsentiert weitere Zahlen, die aufzeigen, ob die Verbraucher ihr Verhalten auch an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ausrichten. Verbraucher täten dies teilweise schon, wünschten sich vor allem aber mehr Informationen über den Ursprung und die Nachhaltigkeit von Produkten. Es gebe zahlreiche Labels, aber da herrsche Informationschaos.
Moral und Ethik spielten zunehmend eine Rolle bei der Kaufentscheidung, z.B. im Fall Fair Trade. Ein deutlicher Trend in Richtung Regionalisierung sei erkennbar. Man orientiere sich wieder mehr an der Qualität, nachdem man Mitte der 90er Jahre noch eine Phase mit hoher Preisorientierung durchlebt habe, Stichwort: “Geiz ist geil”. Der Trend lediglich zu Preisorientierung und billig sei ein stückweit gebrochen. Ohne Preiswettbewerbsfähigkeit gehe aber nichts. Das wüsste auch der Handel.
“Lediglich 4 % der Ausgaben, die in Deutschland getätigt werden, gehen in Richtung von wirklichen Biolebensmitteln.”
Hartmann präsentiert aktuelle Marktanteile von reinen Biolebensmitteln, die ein kleiner, wachsender Markt seien. Der Marktanteil habe sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt, aber auf sehr niedriger Basis. Die LOHAS-Zielgruppe mache einen Großteil dieses Marktes aus. LOHAS stehe für “Lifestyle of Health and Sustainability”. LOHAS seien aber “nicht nur Ökos” im klassischen Sinn. Vielmehr handle es sich hierbei auch um Qualitäts-, Gesundheits- und Familienbewusste und viele junge Erwachsene.
Die Industrie differenziert Matthias Hartmann in Handel und Produktion. Der Handel habe den Trend längst aufgegriffen, auch verstärkt durch eigene Handelsmarken. Man setze nicht nur auf Bio, sondern auch auf Themen wie Regionalität. Deutsche Herstellermarken würden nach wie vor als Qualitätsanbieter wahrgenommen. Handelsmarken reichten nicht an diese Qualitätswahrnehmung der Herstellermarken heran. Handelsmarken machten jedoch Fortschritte in Sachen Qualitätswahrnehmung und hätten in bestimmten Bereichen wie Nachhaltigkeit die Herstellermarken bereits überholt.
Nachhaltigkeit spiele aber nicht nur im Bereich Ernährung eine Rolle. Hartmann präsentiert weitere Beispiele aus dem Themenbereich “Shared Economy”, einem aufkommenden Trend mit Geschäftsmodellen wie Car Sharing und Co. sowie aus der Gesundheitswirtschaft (personal diagnostics, etc).
“Wer die Stimme des Verbrauchers nicht kennt, nicht misst, nicht versteht, der ist irgendwann nicht mehr aktuell.”
Die Unternehmen seien diejenigen, die sich mit diesem Trend auseinanderzusetzen haben, mahnt Matthias Hartmann.
Themennachmittag Familienunternehmen
“Fremdmanagement und die Unternehmerfamilie: Eine Gratwanderung zwischen Führung und Anpassung”
Michael Höchsmann, Managing Partner bei der TRADEMUS GmbH und Berater beim Generationswechsel in Familienunternehmen, bestreitet gemeinsam mit Michael von Bartenwerffer, Unternehmerbeirat bei von Bartenwerffer & Cie den Vortrag zum Thema. Es werden zunächst einige live TED-Onlineumfragen durchgeführt. Die Teilnehmer könne sich per Smartphone auf eine Webseite begeben, einen Code eingegeben und daraufhin an Umfragen teilnehmen, deren Ergebnissen live im Saal angezeigt werden. Die gestellten Fragen werden später im Vortrag nochmals aufgegriffen.
Michael Höchsmann unterstreicht zu Beginn seines Vortrags die Bedeutung des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft und definiert zunächst den Begriff “Fremdmanager”. Fremdmanager oder Fremdgeschäftsführer in Familienunternehmen, das seien, wie der Name bereits impliziere, Manager, die nicht zur Familie gehörten. Man spreche auch vom “geliehenen Manager” oder “Gastmanager”.
Höchsmann schildert fünf Gründe, warum Fremdmanager in Familienunternehmen notwendig seien: zum einen als Ergänzung, wenn zu wenig familiäre Ressourcen oder Nachwuchs vorhanden ist. Zur Überbrückung, wenn ein zu großer Altersabstand zwischen den Generationen Probleme bereite. Zur Neutralisierung, z.B. zwecks Ausgleichs zwischen zwei gleichberechtigten Gesellschafterstämmen. Durch die Digitalisierung und das Erfordernis digitaler Wachstumsdynamik, aber fehlendes familiäres Wissen. Oder aber zwecks Unternehmenssanierung. Als Besonderheit von Familienunternehmen wird herausgestellt, dass diese inhabergeführt seien. Von den rund 3,7 Mio. deutschen Unternehmen würden 90 % unter einer Millionen Euro Umsatz machen und etwa 18.000 Unternehmen bräuchten Fremdmanagement.
“Unternehmerfamilien wollen besondere Familien sein.”
Unternehmergeist, Familiensinn und das Denken in Generationen seien dabei die charakteristischen Merkmale von Familienunternehmen bzw. Unternehmerfamilien. Es gebe paradoxe Widersprüche in Familienunternehmen: so würde man beispielsweise Familienmitglieder gleich behandeln und sie seien nicht austauschbar, während Angestellte vom Grundsatz her leistungsgerecht, also ungleich behandelt und als austauschbar betrachtet würden. Dadurch ergebe sich eine Gratwanderung zwischen Fremdmanagement und Unternehmerfamilie.
Dass diese Arbeitsteilung aber durchaus gelingen kann, zeige z.B. das Unternehmen Seidensticker, ein Hemdenfabrikant, bei dem Fremdmanager Detlef Adler zwischen zwei Familienmanagern agiere. Adler habe einige klare Regeln formuliert. Fremdmanager müssten „die Klappe halten“. Äußerungen über das Unternehmen erfolgten nur über die Inhaber. Des Weiteren sei eine klare Arbeitsteilung erforderlich und die Teamarbeit brauche Rituale. Hinzu komme eine deutliche Distanz zur Familie und gegenseitiger Respekt. Es sei zu beachten, dass ein Fremdmanager nur vor Fehlern warnen, sie aber nicht verhindern könne. Fremdmanager dürften nicht verzweifeln. Oft werde an der Unternehmerqualifikation eines Fremdmanagers gezweifelt oder in Frage gestellt, ob dieser die Unternehmenskultur verstehe. Nach von Schultzendorf (1984) könne man Fremdmanager in vier Typen klassifizieren: den Intimus (“rechte Hand”), den Exekutor (“Erfüllungsgehilfe”), den Paladin (“Vertrauter”) und den Majordomus (“Stallhalter”).
“Kontinuierliches Dranbleiben ist der Schlüssel zum Erfolg.”
Michael Höchsmann zitiert des Weiteren Empfehlungen aus dem Buch “Familienfremde Führungskräfte gewinnen und halten: Ein Leitfaden” (Armbruster et. al.), das Objektivierung, Professionalisierung, Vertrauensbildung und Verbindlichkeit als Erfolgsgrößen hervorhebe. Michael von Bartenwerffer erläutert die Bedeutung von Unternehmensbeiräten in diesem Kontext. Beiräte seien wertvoll. 70 Prozent der erfolgreichen Unternehmen hätten einen Beirat, 70 Prozent der erfolglosen Unternehmen hätten dagegen keinen. Beiräte spielten verschiedene Rollen, z.B. als Mediator, Moderator und Schiedsrichter. Von Bartenwerffer nutzt hier auch die Metapher der Elbschiffer. Ein Beirat sei ein Lotse.
“Kritischer Hinterfrager, Sparringspartner, Knowhow-Partner”
Ein Beirat bringe Professionalität. Die Besetzung eines Beirats sei gut und sorgsam zu wählen. In den Beirat eines Mittelstandsunternehmens gehöre kein Banker, auch nicht der Hausjurist oder der Wirtschaftsprüfer.
“In einen guten Beirat gehören gute Unternehmer.”
Die beiden Referenten treten in Dialog mit dem Publikum. Es werden Fragen kurz beantwortet wie “Wie findet man einen guten Unternehmer?” (Antwort: Zertifikate, Netzwerke, …) oder “Sollte man auch ein Familienunternehmer in den Beirat aufnehmen?” (Antwort: situationsbedingt, eher nicht). Michael von Bartenwerffer weist zudem auf das Problem der Besitzstandswahrung in Familienunternehmen hin. Häufige gebe es die Neigung:
“Wasch mir den Pelz, aber mach mich bitte nicht nass.”
Fremdmanager bräuchten deshalb eine hohe Sensibilität. Ein wichtiges Argument für Fremdmanager sei im Zweifel aber der Wissenszuwachs, also die Professionalisierung durch Methodenkompetenz. Daher gelte die Anforderung: “Der, der da reinkommt, muss meine Leute schlauer machen können”. Andersrum gehe es nicht. Michael von Bartenwerffer gibt abschließend Empfehlungen, wie man Junioren dazu motivieren könne, im eigenen Familienunternehmen einzusteigen.
“Reden, reden, reden.”
Man solle schon früh, d.h. bereits im Kindesalter, aber ohne Indoktrination damit beginnen, den Nachwuchs für einen Einstieg im eigenen Unternehmen zu begeistern. Später, wenn die Entscheidung, das Kind solle fortführen, gefallen sei, sei zu prüfen, welche Ausbildung am besten geeignet ist. Zu guter Letzt sollte der Unternehmernachwuchs immer erst in anderen Unternehmen Erfahrungen machen, insbesondere da der eigene Name nicht selten als Hypothek im eigenen Unternehmen anzusehen sei. Hier sei dieser eher eine Belastung.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Michael Höchsmann im Rahmen des Symposiums geführt haben:
“Wie schütze ich als Unternehmerfamilie mein Vermögen vor meinem Vermögensverwalter?”
Im Anschluss an den Hinweis, dass Vermögen in einem Bankdepot nicht zur Insolvenzmasse einer Bank zähle, die pleite gehe, Kontovermögen dagegen jedoch voll, wie jüngst das Beispiel Zypern eindrucksvoll zeigte, warnt Referent Björn Burkhardt, Vorstand der Quants Vermögensmanagement AG, eingangs vor einem der fundamentalen Kundenrisiken bei der Beschäftigung eines Vermögensverwalters: dem Interessenkonflikt durch Vertriebsdruck, der das Handeln im Kundeninteresse negativ beeinflusst. Meist werde der Vermögensverwalter nicht nur vom Kunden bezahlt, sondern auch von Dritten. Das Vergütungsmodell sei entscheidend. Es müsse provisionsgetriebenes Handeln des Vermögensverwalters von vorn herein ausschließen. Das heiße, der Vermögensverwalter werde ausschließlich vom Kunden bezahlt.
Es sei zudem auszuschließen, dass der Vermögensverwalter an Transaktionskosten verdiene und ebenso, dass er eigene Produkte einsetzt, bzw. Vermögenswerte des Auftraggebers in solche investiere. Zudem erschwere das Modell der eingeschränkten Vollmacht Untreue durch den Vermögensverwalter. Es könne beispielsweise regeln, ob der Verwalter Aktien kaufen und verkaufen dürfe. Gefahr lauere innerhalb verschachtelter Produkte, bei denen Fonds A Teil von Fonds B sei, etc. Dies sei zwar legal, aber höchst unseriös.
Versteckte Innenprovisionen bürgen die Gefahr versteckter Kosten, die die Weiterentwicklung von Vermögen reduzierten. Ein klassischer Interessenskonflikt liege darin, wenn Banken Kunden Wertpapiere aus Eigenbestand verkaufen, anstatt von der Börse. Hierbei strebe die Bank nach dem eigenen Profit. Der des Kunden stehe hinten an.
“Etwa 80% der Vermögensverwalter schaffen es auf Dauer nicht, ihre Benchmark zu treffen.”
Björn Burkhardt stellt ein Modell erfolgsabhängiger Vergütung von 10% für den Vermögensverwalter vor, bei dem der Gewinn nach einem Jahr Laufzeit als Bemessungsgrundlage und “High-Water-Mark” festgesetzt wird. Sinkt der Gewinn im nächsten Jahr oder in den Folgejahren, sinkt auch entsprechend die Vergütung – und geht ggf. auch auf Null.
“Das Geld an den Kapitalmärkten wird im Wesentlichen in den Nischen verdient.”
Demnach sei es hier eher hinderlich, große Vermögen zu investieren. Komplexe (Anlagen-) Strukturen bürgen häufig Risiken. Eine Aufklärung über Verlustrisiken und die konkrete Abfrage der Verlustbereitschaft des Kunden bezeichnet Burkhardt als essentiell, um die geeignete Form der Vermögensanlage für den Kunden zu planen.
“Fragen Sie den Vermögensverwalter, ob er einen Notfallplan hat. Was tut er beispielsweise, wenn der Euro fällt?”
Björn Burkhardt stellt weitere relevante Fragen in den Raum: Welche Strategie verfolgt der Vermögensverwalter? Kauft er aus dem Bauch heraus, oder folgt er einem System? Vermögenscontrolling sei unverzichtbar. Werden die Richtlinien eingehalten? Was ist mit Kostenkontrolle? Risikoanalyse? Erfolgskontrolle?
Deutlich wird im Rahmen des Vortrages für den Zuhörer vor allem eines: selbst im Idealfall sind Vermögensverwalter keinesfalls automatisch Vermögensvermehrer. Wären sie das, stellte sich schnell die Frage, wozu gute Vermögensverwalter überhaupt noch Kunden bräuchten, um sich von diesen für eine Dienstleistung bezahlen zu lassen. Als Experten auf dem Gebiet, Vermögen zu vermehren, müssten sie da nicht bereits mit dem Vermehren und Pflegen des eigenen Vermögens ausgelastet sein? Dies führt letztendlich zur Kernfrage: wieviel Prozent des Vermögensverwaltens machen überhaupt Vermögensvermehrung aus und wieviel reinen Vermögenserhalt? Oder auch das reine Abwenden eines Vermögensverlustes?
“Die Große Transformation 21 – Lösungen für die Organisationen der neuen Gesellschaft”
Prof. Dr. Fredmund Malik, Gründer, Chairman & CEO bei Malik St. Gallen, habilitierter Professor für Unternehmensführung an der Universität St. Gallen und international ausgezeichneter Managementexperte, beglückwünscht das studentische Organisationsteam zum gelungenen Symposium.
Prof. Malik berichtet, er habe bereits 1997 die Meinung vertreten, dass die Art, wie man empfiehlt, Unternehmen zu führen, insbesondere wie sie aus dem angelsächsischen Raum ausgehe, eine Fehlentwicklung sei. Damals sei sie wohl noch zu korrigieren gewesen, dies sei aber nicht erfolgt. Heute sei sie der eigentliche Kern des Finanzsystems. Dazu zähle auch der Shareholder Value Ansatz. Dies habe zur größten Fehlallokation von Ressourcen geführt, sowohl finanzieller, als auch menschlicher und geistiger.
“Was immer gesund wächst, wächst S-förmig.”
Malik präsentiert zwei verschiedene Wachstumskurven. Nichts wachse unendlich, aber Wachstum könne seine Richtung ändern, auf einem anderen Pfad weitergehen. Die alte, abflauende Wachstumskurve könne von einer neuen abgelöst werden, die meist auf niedrigerem Niveau starte, die alte Kurve dann aber überflügele. Der Übergangsraum zwischen den beiden Kurven sei oft geprägt von Krisen und bedinge das Erfordernis, Ressourcen umzuschichten. Derzeit befänden wir uns in einer kritischen Entscheidungsphase. Im Nachhinein wüssten wir, wie wir wann hätten handeln sollen, um “im Geschäft zu bleiben”. Wenn man nur auf Bilanzen, Verlust- und Gewinnrechnungen, auf das Rechnungswesen schaue, dann werde man mit absoluter Sicherheit irregeführt, denn dort zeichneten sich die Dinge erst ab, wenn sie bereits passierten. Dies sei keine Kritik am Rechnungswesen, aber man brauche neue Orientierungspunkte und Navigationssysteme.
“Krisen sind die Geburtswehen der neuen Zeit.”
“Das Neue” sei nie willkommen, so Fredmund Malik. Das Neue verdränge das Alte. Es finde ein tiefgreifender Jahrhundertwandel durch “kreative Zerstörung” bzw. “schöpferische Zerstörung” (J. Schumpeter) statt. “Disruptive Change” sei ein zu sanfter Begriff in diesem Zusammenhang. Die Substitutionsprozesse seien unerbittlich. Die vielen aktuellen Krisen seien alle Teile eines einzigen großen Substitutionsprozesses. Die “Geburtswehen einer buchstäblich neuen Welt”.
“Wenn es eine echte Innovation ist, dann ist sie nie willkommen. Denn sie bedroht mich, bedroht das Bestehende.”
Die alte Welt werde mit einem wesentlichen Punkt nicht mehr fertig: Komplexität. Die Komplexität, die aus technologischen Entwicklungen, der Demographie, ökologischen Fragen, der Globalisierung mit ihren dichter vernetzten Systemen, der Ökonomie und dabei insbesondere der Verschuldung resultiere. Vernetzung sei eine der entscheidenden Quellen von Komplexität.
“Wir haben heute (…) die höchste Verschuldung der Geschichte.”
An den amerikanischen Börsen sei nichts dazugelernt worden. Prof. Malik gibt ein Beispiel: wir hätten heute die größten Margin-Schulden. Das bedeute, heute kaufe man Aktien, aber bezahle sie nicht direkt, sondern finanziere den Aktienkauf über Kredite, sogenannte Margins. Das Wort Deflation schleiche sich ein. Gute und schlechte Deflation? Es gebe nur eine. Es gebe keine Werte nur Preise. Deflation sei in erster Linie ein Sachgutphänomen. Das alles kumuliere in dem, was er Komplexität nenne. Komplexität heiße undurchschaubar, unverstehbar, neu, noch nie dagewesen, niemand hat den Überblick, niemand den Durchblick.
“Komplexität heißt, wir haben eine nicht mehr verstehbare, nicht mehr analysierbare Welt – ein non-computable system.”
Daher brauche man eine andere Art von Management. Man könne Zukunftsszenarien analysieren, aber was morgen wirklich passiert, das wisse man nicht. Strategie heiße daher in Zukunft, nicht mehr einen Cash Flow zu prognostizieren, sondern auch dann noch richtig zu handeln, wenn man nicht wisse, wie die Zukunft aussehen wird. Das ginge bis zu einem gewissen Grad mit Komplexitätsmanagement. Management sei inzwischen ein verpönter Begriff.
“Management ist die Kunst, die Dinge zum Funktionieren zu bringen.”
Management sei die bewegende und steuernde Kraft überall dort, wo gemeinsame Ziele nur durch vielen Menschen erreicht werden können. Allgemeiner: Management sei jene gesellschaftliche Funktion, die die Organisationen und Systeme der Gesellschaft dazu befähige, richtig zu funktionieren. Es sei also die Kunst oder der Beruf, die Dinge zum Funktionieren zu bringen. In Computersprache seien es “die operating systems der Gesellschaft”.
“Was Nervensysteme für den Körper tun, tut Management für die Gesellschaft.”
Substitutionen, so Prof. Fredmund Malik, haben immer große Imperien, Organisationen und Systeme zu Fall gebracht, aber immer noch größere und mächtigere hervorgebracht.
“Es bedarf eines riesigen Umlernens.”
Zu den Komplexitätswissenschaften zählt Prof. Malik u.a. die Systemik, Kybernetik, kohärente Systeme sowie die Bionik – also die Lehre, aus der Natur Lösungen abzuschauen und auf menschliche Organisationen zu übertragen. Er rät den Studierenden, sich neben der klassischen BWL auch mehr mit solchen Themen zu beschäftigen. Prof. Malik gibt selbst einige Beispiele, wie man diese neue Welt gestalten könne. Customer Value solle beispielsweise wichtiger sein als Shareholder Value. Der deutsche Mittelstand habe das schon verstanden, Business Schools bildeten dagegen falsch aus.
“Die richtigen Strategien sind open-ended.”
Nachhaltige Strategien funktionierten zeitlich unbegrenzt. Ca. 4 Mio. Organisationen in Deutschland stießen mit etabliertem, herkömmlichem Management an ihre Grenzen. Er habe eine ganz neue Change Management Methode entwickelt, so Prof. Malik, die stark demokratischen Charakter trage, die Wissen und soziale Energie vieler Beteiligter nutze. Man habe damit z.B. der Stadt Fürth geholfen.
“Gib denselben Menschen neue Methoden, neue Werkzeuge in die Hand und dann werden sie ändern, weil sie es auf eine ganz andere Weise nun tun können.”
Wandel brauche Zeit und das sei das einzige, was wir nicht mehr hätten. Man könne nicht warten, bis Menschen sich ändern und wandlungsfreudig würden. Als Handlungsalternative sehe er nur, die Menschen so zu lassen, wie sie es sind, ihnen aber neue Werkzeuge zu geben.
“Handle so, dass dein Handeln auf unlimitierte Zeit richtig ist.” (Immanuel Kant)
… lässt Prof. Fredmund Malik gegen Ende noch Immanuel Kant sprechen. Ein würdiges Schlusswort.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Prof. Fredmund Malik im Rahmen des Symposiums geführt haben:
“Stabiles Geld – Fundament der Sozialen Marktwirtschaft”
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt und ehemaliges Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank beschreibt, wie er Ludwig Erhard einst persönlich in Bonn kennenlernte. Seiner Zeit ginge es darum, Kleinsparer vor Geldentwertung zu schützen, im Umfeld einer damals vergleichsweise recht hohen Inflation.
“Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man ihre Geldwirtschaft verwüsten.”
… bemüht Prof. Issing ein Zitat, das auf Lenin zurückgehe. Man könne die fundamentale Bedeutung stabilen Geldes für eine freiheitliche Gesellschaft nicht besser charakterisieren. Weiter zitiert er:
“Die soziale Marktwirtschaft ist ohne eine konsequente Politik der Preisstabilität nicht haltbar.” (Ludwig Erhard)
Geldwertstabilität sei schon für Erhard und Walter Eucken “eine Bedingung sine qua non gewesen”. Erhard habe die Währungsstabilität unter die menschlichen Grundrechte subsumiert, ganz in Linie mit der Freiburger Schule und Walter Eucken (Ordoliberalismus: Primat der Preiswertstabilität, Denken in Systemzusammenhängen, Wettbewerbsordnung). Prof. Issing erörtert für das Auditorium ausführlicher die Faktoren Inflation und Deflation, deren Risikopotentiale und seine persönlichen Einschätzungen dazu. Wohlfahrtsverluste entstünden selbst dann, wenn man die Inflation genau voraussehen könnte. Ein hoher Stabilitätsstandard fördere hingegen dauerhaftes Wachstum bzw. stehe diesem zumindest nicht entgegen.
“Mit der Öffnung dieses Ventils [Finanzierung von öffentlichen Ausgaben durch die Notenpresse] ist (…) der Tod einer Währung programmiert.”
Issing skizziert kurz die große Depression zu Beginn des letzten Jahrhunderts und ihren fatalen Folgen. Große Krisen hätten immer damit begonnen, dass man damit angefangen habe, öffentliche Ausgaben durch das Drucken von Geld zu finanzieren. Der Euro sei eine stabile Währung. Der Begriff “Teuro” sei unangemessen – es sei nicht alles teurer geworden. Man müsse hinzu immer Deflation und Inflation betrachten. Die Gefahr der Deflation liege darin, dass Käufe nicht getätigt werden, weil es morgen womöglich noch billiger sei. Aktuell sieht er aber die Gefahr einer Deflation nicht.
“Sie werden diesen Kaufkraftvorteil genießen.”
Die Terms of Trade seien positiv für Deutschland. Es werde beim Import mehr bekommen für sein Geld. Gleichermaßen gebe es keinen Grund zu großen Inflationssorgen, auch wenn es in manchen Ballungsgebieten Anzeichen von aufgeblasenen Immobilienpreisen gebe. Prof. Issing weist darauf hin, dass eine private Altersvorsorge nur bei Geldwertstabilität funktionieren könne. Sachwertbildung könne die Vorsorge mit Geld ergänzen, aber nicht gänzlich ersetzen. Eine leichte Inflation entspreche einer Enteignung zugunsten der öffentlichen Hand.
“Die Inflation ist ein Drache, der manchmal schläft, aber nie wirklich tot ist.”
“Zukunft? Gestalten!”
Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident a.D. des Freistaat Bayern und seit sieben Jahren Chef-Bürokratiebekämpfer der Europäischen Union, lobt als finaler Keynote des ersten Konferenztages im Rahmen seiner engagiert und für so manchen vielleicht überraschend erfrischend und dynamisch vorgetragenen Rede, ausdrücklich die Studierenden für das gelungene Symposium, das er als “Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft” bezeichnet, einem Modell, das heute in Deutschland leider nicht mehr so viele Anhänger habe, wie einst.
Anhand einer Reihe statistischer Daten verweist Stoiber im Verlauf unter anderem darauf, dass 46% der Deutschen finde, dass der Staat die Nahrungsmittelpreise regulieren solle und 71%, dass der Staat Obergrenzen für Mieten festlegen solle. Hier spannt er thematisch einen Bogen zur Regulierungswut der Brüsseler Behörden. Beides erschwere das Gestalten von Innovation und damit einer wettbewerbsfähigen Zukunft erheblich. Er unterstreicht, die soziale Marktwirtschaft brauche dringend engagierte Anwälte.
Wieso, fragt Stoiber provokant, sollte sich eine Partei eigentlich in besonderer Weise um die Jugend kümmern, die zahlenmäßig weniger ist und auch noch weniger wählen geht? Da sei der 80-jährige doch eigentlich interessanter. Die Verlängerung der Gegenwart helfe nur noch der älteren Generation, nicht aber der jungen Generation. Das Durchschnittsalter der Wähler liege bald über 65 Jahren. Diese Mehrheit der älteren Wähler bestimme naturgemäß über die junge Minderheit. Die Haushaltssanierung sei für die Zukunft aber ein zentrales Projekt – und dies auf europäischer Ebene. Das sei schwierig, da Frankreich und Italien Reformen aufschieben und mehr Schulden machen werden wollen.
“Das Wirtschaftswunder 3.0 wird mit einer Schuldenpolitik nicht gelingen.”
“Seien Sie laut und seien Sie deutlich. (…) Lassen Sie es nicht zu, dass der Wohlstand in Deutschland nur noch verwaltet wird. Das Wirtschaftswunder wurde nicht auf der Couch geschaffen.”
“Gebt denen Feuer, die sich nur noch bequem einrichten und nichts mehr gestalten wollen!”
Leistungsorientierung und Leistungsgesellschaft würden in Deutschland nicht gerade geschätzt, so Stoiber. Ausnahme sei der Sport. Er hinterfragt, ob Deutschland richtig aufgestellt sei, im Vergleich zu radikal leistungsorientierten Staaten in Asien.
“Die größten Fehler werden oft im Erfolg gemacht.”
“Das Wohlfühlen von heute garantiert nicht den Wohlstand von morgen.”
“Wir dürfen nicht vergessen, dass wir den Wohlstand immer wieder erarbeiten müssen.”
Der deutsche Mittelstand sei neben der dualen Ausbildung eine zentrale Stärke Deutschlands. Berufsausbildung dürfe nicht vergessen werden. Er vergleicht Patentanmeldungen verschiedener Länder. Die Innovationskraft Deutschlands sei ein wichtiger Erfolgsfaktor.
“Lasst Euch nicht (…) durch das billige Geld der Europäischen Zentralbank nochmal verführen. (…) Wir müssen wettbewerbs- und innovationsfähig werden.”
“Unser Land braucht vor allen Dingen Gründergeist, Unternehmertum, Mut zu Risiken, (…) Mut und Willen zur Innovation.”
Dr. Stoiber thematisiert die Aufbruchsstimmung in München zu den Olympischen Spielen 1972 – heute herrsche eine andere Mentalität. Er berichtet von einem wenig begeisterten älteren Herren aus Garmisch-Partenkirchen, als es jüngst um die Vergabe olympischer Spiele am Standort gegangen sei und dessen Bedürfnis, doch seine Ruhe zu haben. Das sei menschlich zwar nachvollziehbar, so Stoiber, aber eine Gesellschaft dürfe sich ihrer Innovationskraft nicht berauben. Die junge Generation stehe in der Verantwortung, das Bewusstsein dafür wieder zu schärfen. Stoiber appelliert an die Studierenden, sich an den Studenten der 1968er ein Beispiel zu nehmen und laut zu sein und klar die Stimme zu erheben, was mit einigem Beifall aus dem Auditorium begleitet wird.
“Wir sind Käufer, wir sind User. (…)Wollen wir nur User oder auch Gestalter sein?”
Die Hardware eines Smartphones komme oft aus Asien, die Software aus den USA. Wo seien da die Deutschen? Man sei heute im Wesentlichen nur ein Konsumentenmarkt. Er sehe die Digitalwirtschaft als einen zentralen Zukunfts- und wichtigen Investitionsbereich. Dazu müssten die Rahmenbedingungen geschaffen werden.
“Die Mehrheit der Menschheit will größtmögliche Sicherheit.”
“Das Wirtschaftswunder 3.0 braucht die Europäische Union.”
Heute gehe es in unserer Gesellschaft nicht mehr um die Frage “Freiheit oder Sozialismus”, sondern um “Freiheit oder Sicherheit”. Er bedauere die gewachsene Skepsis gegenüber den Mechanismen des freien Marktes und auch gegen die soziale Marktwirtschaft. Diese würde darin resultieren, dass immer mehr Regeln über das Land gelegt würden. Wie er zuvor berichtet habe, erlasse die EU jährlich über 1.100 Verordnungen. Rund 85% der in Deutschland geltenden Regulierungen kämen heute bereits aus Brüssel. Ohne Brüssel und eine soziale Marktwirtschaft könne das “Wirtschaftswunder 3.0? folglich nicht gelingen. Bürokratie sei für die meisten Unternehmen ein größeres Problem, als höhere Steuern, da sie den Unternehmergeist abschnüre.
“Wir brauchen mehr Leitplanken in den großen Fragen, aber weniger in den kleinen.”
“Wir brauchen ein Minimum Mut zur Lücke. (…) Wir brauchen Smart Regulation.”
Er beendet seinen Vortrag mit einem Zitat des vielfach gelobten französischen Wirtschaftsexperten Thomas Piketty, der das wirtschaftliche und soziale System Deutschlands als Beweis dafür sehe, dass Wohlstandskapitalismus funktionieren könne; dass es ein Modell gebe, bei dem Arbeitnehmer eine gewichtige Rolle spielten. Das Soziale werde mit ökonomischer Effizienz kombiniert. Piketty vertrete ähnliche Positionen wie Ludwig Erhard. Daher blicke Stoiber optimistisch in die Zukunft.
Zum Abend verabschieden sich zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum exklusiven Networking Dinner im Germanischen Nationalmuseum.
Undokumentierte Veranstaltungen
Folgende Vorträge des 1. Tages waren dem Conplore-Team aufgrund der Parallelität mehrerer Veranstaltungen zu besuchen leider nicht möglich, seien der Vollständigkeit halber aber an dieser Stelle benannt:
- Die Masse macht’s: Crowdsourcing in der Produktentwicklung
Catharina van Delden, CEO und Gründerin, innosabi GmbH & Präsidiumsmitglied, BITKOM e.V. - Banking 3.0 – Ein Blick in die Zukunft
Kai Friedrich, CEO, Cortal Consors - Nachfolge im Familienunternehmen
Dr. Rolf Müller, Geschäftsführender Gesellschafter, FAMILIENWERTE GmbH
Erich Schuster, Repräsentant, defacto.x Stiftung
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Dr. Rolf Müller im Rahmen des Symposiums geführt haben. - Gesund Führen
Armin Lutz, Dipl. Volkswirt, Geschäftsführender Gesellschafter, danova GmbH
Sandra Teckenberg, Dipl. Psychologin, Gesundheitscoach, danova GmbH - Digitalisierung und disruptive Innovation
Dirk Schmachtenberg, Geschäftsführer, TREvisto GmbH - Erfolgreiche Unternehmenssteuerung – in guten wie in schlechten Zeiten
Dr. Alexander Sasse, Partner & Vorstand, Concentro Management AG