Themen-Navigation:
- Forum I – Industrie 4.0 – neues Paradigma der industriellen Wertschöpfung
- Forum III – Modernes und nachhaltiges IT- Management
- Forum IV – Nicht nur ein Modetrend, sondern zeitlos schön: Wie auch Ihr Unternehmen durch Nachhaltigkeit eine gute Figur machen kann
- Forum V – Management von Komplexität: Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis
- Megatrends und deren Bedeutung für das globale Wachstum von LEONI
- Aktuelle Herausforderungen am Arbeitsmarkt
- Zielgerichtetes Unternehmenswachstum – und warum Innovationsmanagement hierfür bedeutend ist
- Wirtschaftswunder 3.0 – die Rolle der ITK
- Undokumentierte Veranstaltungen
Messe Nürnberg
Freitag, 10. Oktober 2014
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beginnen den Tag mit einem traditionellen Weißwurstfrühstück.
“Forum I – Industrie 4.0 – neues Paradigma der industriellen Wertschöpfung”
Teilnehmer: Thomas Hahn, Bereich Corporate Technology Chief Expert Software, Siemens AG, Prof. Dr. Uwe Kubach, Vice President IoT Enablement, SAP SE und Harald Preiml, Vorstand, HEITEC AG.
Moderation: Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt, Lehrstuhlinhaber für Industrielles Management.
Prof. Voigt begrüßt die Referenten und Gäste und übergibt Thomas Hahn das Wort. Dieser berichtet, von den rund 30.000 Entwicklern bei Siemens seien drei Viertel Softwareentwickler. Rund 5-6 Prozent des Umsatzes investiere man in R&D (Research & Development). Um eine höhere Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, behandle man 3 Topthemen: erhöhte Effizienz, Verkürzung der time-to-market und die Erhöhung der Flexibilität.
“Manufacturing is changing faster than ever before.”
Man müsse den gesamten Produktionsprozess bis hin zum Service analysieren und optimieren. Hahn verweist auf Empfehlungen zur Industrie 4.0 von der “Plattform Industrie 4.0? Forschungsgruppe (www.plattform-i40.de) und die dort behandelten Forschungsthemen. Regierungen großer Länder investierten in die Industrie, in Deutschland im Rahmen des Projekts “Industrie 4.0?, in den USA und China habe man andere Namen.
“Industrie 4.0 ist für uns eine Evolution.”
Prof. Uwe Kubach, SAP SE, sieht “das Internet der Dinge als Treiber für die Industrie 4.0?. Bis 2020 seien schätzungsweise 12-50 Milliarden Geräte an das Internet angeschlossen. Laut einer Gartner-Studie würden hohe Wachstumsraten von 40-50% erwartet, bei parallel sinkenden Preisen für die Geräte. Heute sei ein Device ein Fünftel günstiger als noch vor vier Jahren. Die Technologie reife.
Das Internet der Dinge (IoT = Internet of Things) sei dadurch charakterisiert, dass es Standard Internet-Protokolle benutze. Prof. Kubach halte den Begriff der “Echtzeittransparenz”, der von McKinsey entwickelt worden sei, für treffend.
Kubach zeigt eine Grafik, die darstellt, dass die alten und aktuellen Lösungen primär auf dem Prinzip M2M, also „man to machine“ oder „machine to machine“ basierten (also z.B. 1 Computer steuert 1 Auto), die Lösungen der Zukunft aber auf dem Prinzip des IoT, also einem cloudbasiertem Ansatz beruhen. n Computer, verbunden in der Cloud, steuern n Devices (Auto, Haus, etc.).
4.0 stehe für sogenannte “Cyberphysical Systems”, also einer Integration von Internet und physikalischen Systemen. Mit dem sogenannten “Retrofitting” mache man den neuen Ansatz für bestehende Lösungen nutzbar. Eine Abgrenzung von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge sei jedoch erforderlich. Auf eine Frage aus dem Auditorium hin, erläutert Prof. Kubach, dass eher “der Offenheit von Systemen für alle Standards” statt einem “Standard für alle Systeme” die Zukunft gehöre. Man könne beobachten, dass Softwarehersteller nun auch mehr Hardware, und Hardwareanbieter mehr Software anbieten. Hinzu werde Software heute als Service ausgeliefert (“software as a service”), z.B. als Lösung in der Cloud mit einer Nutzung via Browser.
Abschließend zeigt Prof. Kubach ein SAP-Video zum Thema “Augmented Reality”, in dem ein Lagerist über eine spezielle Brille Informationen in Form von Bild und Ton eingeblendet bekommt, die ihm bei seiner Arbeit helfen. Gleichzeitig könne er auf diesem Weg mit Kollegen kommunizieren. Dies sei bis dato aber nur eine Vision und noch kein real-existierendes Produkt.
Harald Preiml von der HEITEC AG erläutert im Anschluss die Bedeutung von Fertigung und Produktion auch in Deutschland, vor dem Hintergrund, dass immer mehr Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagerten.
“Man lernt nur dort, wo produziert wird.”
Beim Projekt “Industrie 4.0? sollte es daher aus seiner Sicht um Arbeitsplätze in Deutschland gehen. Er führt das Beispiel einer virtuellen Maschine an: diese vereine das Ziel verbesserten Testens und einer Optimierung in kürzerer Zeit mit dem Vorteil, dass man Mitarbeiter schon vor Bau der Maschine in der Nutzung der Maschine schulen und einarbeiten und „ohne, dass etwas kaputt geht“ Übungsszenarios (wie Störungen, etc.) durchspielen könne.
“Virtuelle Inbetriebnahme”
Bei einer virtuellen Inbetriebnahme werde eine physikalische Maschine zunächst in ein virtuelles Modell umgesetzt und die Software für die Maschine auf Basis dieses Modells programmiert. Es fällt das Stichwort “Cyber-Human Systems”. Das zusammenfassende Fazit von Prof. Voigt zum Thema “Industrie 4.0? lautet:
“Die Revolution, die eine Evolution ist.”
“Forum III – Modernes und nachhaltiges IT- Management”
Moderator Prof. Dr. Michael Amberg, seines Zeichens Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsinformatik an der Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Konferenzpräsident des Ludwig Erhard Symposiums eröffnet mit Vorstellung der Diskussionsteilnehmer: Martin Daut, Gesellschafter und Vorstandsvorsitzender der simple fact AG, Reinhold Rehbichler, CIO bei easyCredit, Simone Stein-Lücke, Geschäftsführerin von Bonne Nouvelle und Gründerin der bundesweiten IT-Modellregion BG 3000, sowie Dr. Dirk Ventur, CIO der Software AG.
Prof. Amberg eröffnet die Runde mit der Frage nach der Definition des Begriffs “Nerd”, was das eigentlich sei und konkludiert schließlich charmant, zur Erheiterung von Auditorium und Teilnehmern gleichermaßen, die Diskutanten “sehen gar nicht wie Nerds aus”. Simone Stein-Lücke greift als erste das Lob auf und spannt einen Bogen zum Thema Digitalisierung. Sie beklagt explizit die “mangelnde Leidenschaft im Bereich digitale Bildung” und verweist in diesem Zuge auf die Modellregion Bad Godesberg, wo “geballtes Industriewissen im Bereich angewandte IT in Schulen und Universitäten gepumpt werde”.
“Früher war die IT ein reiner Dienstleister. Heute muss sie zunehmend in den Driver Seat.”
… beschreibt Dr. Dirk Ventur, der nach Station bei Roland Berger voll in die Softwareindustrie einstieg, die “Digital Revolution”.
(v.l.n.r.:) Simone Stein-Lücke, Dr. Dirk Ventur, Reinhold Rehbichler
“Ich war immer ein Nerd.”
… beschreibt sich Reinhold Rehbichler und fügt hinzu: “Ein Nerd, der in die Wirtschaft gewechselt ist”. Das sei ein gewissermaßen ein “Add-on” für seine technische Ausbildung. Moderator Michael Amberg ergänzt an dieser Stelle seine eingängliche Conclusio: die Diskutanten seien keine Nerds, sondern gestandene Persönlichkeiten.
“Die Zeit des alten Systemdenkens ist vorbei.”
… erklärt Reinhold Rehbichler und thematisiert die heute sehr hohen Anforderungen an die IT. Die Systemlandschaft habe in den letzten 5-10 Jahren einen kompletten Umbruch erlebt. ITler müssten heutzutage weitaus flexibler einsetzbar sein.
“IT ist zutiefst attraktives People Business.”
… ergänzt Simone Stein-Lücke. Man programmiere nicht den ganzen Tag, sondern pflege auch vielfältig Kundenkontakte oder sei beim Kunden vor Ort. Die Nachwuchsgewinnung in der IT habe jedoch ein großes Problem, weil das Arbeitsumfeld nicht so attraktiv dargestellt werde, wie es ist.
Auf die provokant gestellte Frage Michael Ambergs, ob wir uns “mehr Ellenbogen-Mentalität” aneignen müssten, wie beispielsweise in den USA, antwortet Dirk Ventur mit einem klaren Ja. In den Auslandsstandorten seien die Mitarbeiter deutlich jünger, unter 30 und hätten einfach Spaß am Arbeiten. Sie achteten nicht auf feste Arbeitszeiten und hätten die Möglichkeit, sich zwischendurch Freizeitaktivitäten zu widmen.
Dr. Dirk Ventur (links) und Reinhold Rehbichler (rechts)
Nachhaltigkeit sei nicht nur Green IT. Nachhaltigkeit sei auch Organisationsentwicklung, so Martin Daut. Er vermisse beim Akademikernachwuchs, bei potentiellen Mitarbeitern, heute den “Spirit” anzupacken. Man finde zwar Kandidaten, aber der Auswahlprozess sei schwierig. Eigene Karrierepläne der Mitarbeiter fehlten oft. Bereits bei Schulpraktikanten im Alter von 14, 15 Jahren seien viele Mängel erkennbar, die auf das Elternhaus zurückzuführen seien.
Reinhold Rehbichler wirft ein, dass die Chancen teilweise fehlten und nimmt hier auch die Politik in die Verantwortung. Simone Stein-Lücke spielt den Ball den Unternehmern zu: anstatt zu klagen über mangelnde Einsatzbereitschaft, sollten diese potentielle Kandidaten selbst zielgerichtet den nötigen Feinschliff verpassen.
“Wir haben auch ein Boot Camp.”
… stimmt Dirk Ventur teilweise zu. Man bilde aus und die Mitarbeiter gingen weg, kämen aber oft nach zwei Jahren wieder, weil der Wohlfühlfaktor, das gesamte Umfeld stimme. Simone Stein-Lücke pflichtet bei: sie wolle, dass die Talente zu SAP und Co. gehen und Erfahrung gewinnen. Work Life Balance sei ein entscheidender Faktor, so Ventur. Während es früher hieß: “Australien? Schön!”, heiße es heute: “Australien? Schön. Darf ich meine Frau mitbringen?”.
“CSR ist in Deutschland ein kleines, niedliches Thema, aber Markteintrittsvoraussetzung im Ausland.”
… so Simone Stein-Lücke‘s kritische Analyse. Nachhaltigkeit sei “ein Prozess- und Kulturthema”, bestätigt Reinhold Rehbichler. Dirk Ventur ergänzt, Nachhaltigkeit habe drei Komponenten: ökonomisch, ökologisch und sozial. Gen Auditorium stellt er die rhetorische Frage: “Raten Sie mal, welche davon bisher die vorherrschende war”.
“Es ist entscheidend, kreative Köpfe zu haben. (…) Die Revolution frisst ihre Kinder. (…) Auch Facebook muss sich auf Dauer anpassen.”
… wirft Martin Daut ein und prangert am Beispiel Bahn und Datennetz auch die Infrastruktur in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern an. Deutschland müsse aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren.
“Der Fisch stinkt oft vom Kopf.”
“Mut zum Change Management fehlt.”
Martin Daut und Simone Stein-Lücke
“Wir brauchen Technologie und Infrastruktur, die Mobilität erlaubt.”
Unternehmen müssen sich auf die Integration neuer Möglichkeiten strukturell vorbereiten, so Daut weiter. In den USA hätten neugegründete Unternehmen bezogen auf die Einwohnerzahl einen 300-Millionen-Markt und alle sprechen dieselbe Sprache. Deutschland dagegen habe einen 40-Millionen-Markt. Davon sei die Hälfte total überaltert.
“Die Vorhersehbarkeit der IT ist stark gesunken.”
… meldet sich Dirk Ventur zu Wort und ergänzt: “Wir haben genug Ideen in Deutschland, ohne gleich in Konkurrenz zu Google und Apple zu treten”. Die Deutschen seien extrem selbstkritisch, dabei sei Deutschland das nachhaltigste Land und gut aufgestellt.
Simone Stein-Lücke kritisiert eindringlich, in Deutschland herrsche eine latente Unsicherheit gegenüber neuen Technologien und mahnt schließlich mit einem starken Statement:
“Wenn die Medien weiter so machen, landet IT, Digitalisierung und Technologie auf dem gleichen Schrotthaufen wie Europa. Und das, obwohl dies die Grundlagen für nachhaltige Entwicklung sind.”
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Martin Daut im Rahmen des Symposiums geführt haben:
“Forum IV – Nicht nur ein Modetrend, sondern zeitlos schön: Wie auch Ihr Unternehmen durch Nachhaltigkeit eine gute Figur machen kann”
Unter der Moderation von Prof. Dr. Markus Beckmann, Lehrstuhlinhaber für Corporate Sustainability Management an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, präsentieren Dr. Franz Ehrnsperger, Inhaber der Neumarkter Lammsbräu Gebr. Ehrnsperger KG und Lothar Hartmann, Leiter Nachhaltigkeits – & Qualitätsmanagement der memo AG, konkrete Praxisbeispiele für nachhaltige Prozesse aus ihren jeweiligen Betrieben.
(v.l.n.r.:) Lothar Hartmann, Prof. Dr. Markus Beckmann, Dr. Franz Ehrnsperger
“In der Lebensmittelbranche halte ich globale Unternehmen für nicht notwendig. Sie wenden keine Not, sie erzeugen Not.”
Dieses starke Statement von Dr. Franz Ehrnsperger könnte getrost als Überschrift zu dessen Vortrag herhalten, argumentativ untermauert er an dieser Stelle durch das Beispiel des Grundwasserraubs durch die Firma Nestlé. In Konjunktion mit seiner Aussage schließt Ehrnsperger, betriebswirtschaftlicher Erfolg solle nicht auf Kosten von ökologischen und sozialen Nachteilen entstehen. Die ökologische Landwirtschaft bezeichnet er dagegen als ideale Form.
“Dieser halbe Meter Boden, von dem wir alle leben…”
“Man muss die ganze Kette betrachten, um nachhaltig ein Lebensmittel zu produzieren.”
70-80% des Weltmarktes im Bereich Bier werde von 6-7 großen Marken beherrscht. So viele Kleinbrauereien und Mittelständler gebe es nur in Deutschland.
“Wir wollen nicht global Rohstoffe einkaufen. Wenn wir global Rohstoffe einkaufen, machen wir auch den heimischen Markt global. Das wollen wir nicht.”
Regionale Rohstoffvorkommen sollten das selbst festgelegte Wachstum bei Lebensmittelproduzenten definieren. Die komplette Ausrichtung auf ökologische Produktion im eigenen Unternehmen habe 30 Jahre gedauert. Als Geschäftsführer mit 5-Jahres-Vertrag in einem Nicht-Familienunternehmen wäre das nicht möglich gewesen, resümiert Ehrnsperger. Seit 1995 produziere man nur noch Ökobier. Das Einführen eines Wertemanagements habe sehr geholfen, “die Mitarbeiter mit ins Boot zu bekommen” und “von unserer Philosophie zu überzeugen”.
“Was soll an Wasser bio sein? Wasser ist doch Wasser.”
… fragt Franz Ehrnsperger, um dies sogleich selbst zu beantworten: auch Wasser habe eine Vegetationsperiode – eine Anbauzeit und die Erntezeit. Zwei Drittel des Wassers in Deutschland sei stark belastet. Die konventionelle Landwirtschaft sei der größte Wasserverschmutzer durch Überdüngung und Giftcocktails. Ökologische Landwirtschaft könne, konsequent angewandt, zur Wiederherstellung beitragen. Das Reinheitsgebot sei kein Innovationshemmnis.
“Wir haben bei den Landwirten viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.”
Zum Teil habe sogar die Kirche den Landwirten gesagt: “Eure Landwirtschaft ist nicht mehr schöpfungskonform” – auch das habe zum Umdenken beigetragen.
“Landwirtschaft ist kein freier Sektor. Da haben wir Planwirtschaft in ganz Europa.”
Massentierhaltung werde politisch und finanziell eher gefördert, als “unproduktive” Nachhaltigkeit, kritisiert Franz Ehrnsperger. Erst der Druck aus der Bevölkerung habe Bioprodukte befördert. Wirtschaftlicher Erfolg sei seinem Unternehmen wichtig, aber oberstes Ziel sei der Unternehmenserhalt. Jeder müsse seinen gerechten Anteil kriegen.
“Wir zahlen dem Rohstoffanbieter so viel, dass er seinen Hof erhalten kann und auch für die Nachfolge gesichert ist.”
Lothar Hartmann von der memo AG stellt anhand einiger Kernzahlen kurz das Unternehmen vor, das er als Leiter des Nachhaltigkeits – & Qualitätsmanagements vertritt. Man vertreibe ausschließlich ökologische Produkte, zu Anfang vorrangig Bürobedarf, heute um die 10.000 Produkte in einem stark diversifizierten Sortiment.
“Nachhaltigkeit ist auch: Umgang mit Mitarbeitern, Ressourcen, Logistik und Geschäftspartnern.”
Im Folgenden stellt Hartmann ein Beispiel aus der Versandlogistik des Unternehmens vor. Neben dem Setzen von Anreizen, größere Mengen zu bestellen, um Verpackungsmüll zu vermeiden, habe man für den Produktversand in mehreren Stufen ein Mehrweg-Versandsystem gemeinsam mit der Deutschen Post entwickelt. In der ersten Stufe handelte es sich um drei Polypropylen-Boxen, die der Postbote direkt beim Kunden ausleerte und wieder mitnahm zur Kontrolle und Reinigung. Nachteil: die einzelnen Boxen waren nicht rückverfolgbar, aufgrund teils nicht-versierter Zusteller verblieben die Boxen bei Kunden und fielen aus dem System.
“Nachhaltigkeit heißt nicht per se, auf Wachstum zu verzichten. Es kommt auf die Art des Wachstums an.”
2008, zehn Jahre nach Betriebsbeginn, lief das Projekt seitens der Post aus, da es sich aufgrund der Nachteile nicht rentierte. Dennoch sei die Post dazu bereit gewesen, das Programm in modifizierter Form weiterzuführen, mit einem Pfandsystem für die Boxen. Seit 2011 werde jede Box mit einem Barcode versehen, um jederzeit den Verbleib prüfen zu können. Der Umlaufbetrieb sei transparent geworden, was die Möglichkeit eröffne, eine Ökobilanz zu erstellen und zu optimieren. Heute habe man Recycling-Polypropylen-Boxen im Test, die eine noch bessere Ökobilanz hätten. Die “memo-Box” sei das einzige Mehrweg-Versandsystem, das sich direkt an den Kunden richte, das das Ökosiegel “blauer Engel” bekommen habe, teilt Lothar Hartmann sichtlich stolz dem Auditorium mit.
Als Fazit der Veranstaltung resümieren Moderator und Referenten gemeinsam, dass die Gründer die Idee der Nachhaltigkeit trugen und nicht auf Gewinnmaximierung oder Massenmarkt setzten. Ein langer Atem sei wichtig. Vorbild sein sei wichtig. Wertemanagement, Kommunikation und dass man aus Fehlern lerne. Das Zugehen auf sämtliche Stakeholder. Kundenbedürfnisse, Lieferantenbedürfnisse. Einer der größten Werte sei: die Glaubwürdigkeit.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Dr. Ehrnsperger im Rahmen des Symposiums geführt haben:
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Prof. Beckmann im Rahmen des Symposiums geführt haben:
“Forum V – Management von Komplexität: Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis”
Teilnehmer: Dieter Brandes, Berater für Strategie, “Institut für Einfachheit” und ehem. Geschäftsführer, ALDI Nord und Prof. Dr. Andreas Fürst, Lehrstuhlinhaber für Marketing der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Nach einer kurzen Teilnehmerbefragung zum Thema Komplexität, die die Teilnehmer online per Smartphone absolvieren konnten und deren Ergebnisse im weiteren Verlauf der Veranstaltung noch aufgegriffen werden sollten, startet Prof. Fürst seinen Vortrag. Produktindividualisierung werde von Kunden zunehmend gewünscht, das steigere die Komplexität der Produkte. Der technische Fortschritt mache die Individualisierung möglich.
Prof. Dr. Andreas Fürst (links) und Dieter Brandes (rechts)
Die Produktlebenszyklen würden immer kürzer, parallel steige die durchschnittliche Produktentwicklungszeit. Zum Teil würden daher mancherorts bereits mehrere Produktgenerationen parallel entwickelt, wie beispielsweise Prozessor-Generationen bei Intel. Marketing und Vertrieb fänden Produktindividualisierungen gut, da diese von Kunden geschätzt würden. Produktkomplexität ergebe sich aus der Anzahl an Produktfunktionen, wie unterschiedlich diese wären, und wie stark sie in irgendeiner Form miteinander verbunden seien.
“Die meisten Produkte werden immer komplexer (…) bis hin zum Over-Engineering.”
Prof. Fürst gibt ein Beispiel für gestiegene Produktkomplexität. Bestand der VW Käfer früher noch aus 218 Teilen, so habe ein Pkw heute rund 10.000 Einzelteile. Das bedeute auch, dass damals die Anzahl an potentiellen Fehlerquellen deutlich niedriger war. Die höhere Produktkomplexität steigere die Komplexität von Produktion bis Kundenservice.
Anschließend stehen Produktportfoliokomplexität und deren Begrenzungsmöglichkeiten im Zentrum des Vortrags. Roland Berger habe in einer Studie für gewisse Branchen abgeschätzt, wie viel auf der Kostenseite gespart werden könne durch eine Reduktion der Produktportfoliokomplexität auf ein vernünftiges Maß. Dies belaufe sich in manchen Branchen auf Kosteneinsparungen im höheren zweistelligen Milliardenbereich.
Als Beispiel berichtet er von Proctor & Gamble, einem Unternehmen, das weltweit über 300 Marken im Portfolio habe, bei dem aber nur 15 Prozent der Marken 90 Prozent des Umsatzes ausmachten. Das Unternehmen habe dies erkannt und werde laut Medienberichten anfangen, peu-à-peu die schwächeren Marken zu eliminieren. Das Ziel sei es, ca. ein Drittel der Marken “aus dem Portfolio zu schmeißen”.
Studien aus der Video-Audio-Player-Industrie beleuchteten die Auswirkungen von Komplexität. Die wahrgenommene Leistungsfähigkeit der Produkte korreliere positiv mit der Anzahl an Produktfunktionen, die wahrgenommene Nutzerfreundlichkeit hingegen negativ. Es liege also ein Trade-off vor. Doch was sei nun wichtiger? Leistungsfähigkeit oder Nutzerfreundlichkeit? Während der Leistungsfähigkeit vor dem Produktgebrauch von Konsumenten noch eine höhere Bedeutung als der Benutzerfreundlichkeit zugemessen werde, kehre sich diese Gewichtung nach erfolgtem Produktgebrauch um. Die Benutzerfreundlichkeit werde bei der Nutzung des Produkts wichtiger.
Studien in Lebensmittelmärkten hätten ergeben, dass es ein Optimum an Komplexität gäbe. Sei die Produktportfoliokomplexität, also die Größe des Sortiments, zu hoch, würden die Konsumenten weniger kaufen. In einer Studie kauften 3% der Konsumenten eine Marmelade aus einem sehr großen Marmeladenangebot (24 Marmeladen), während ganze 30% bei einer überschaubaren, kleinen Anzahl an Marmeladen (6 Marmeladen) zugriffen.
Nach Betrachtung der Auswirkungen von Komplexität auf der Verbraucherseite, referiert Prof. Fürst nun über die Auswirkungen von Komplexität auf der Unternehmensseite. Marketing, Vertrieb und Unternehmensleitung würden die Produktportfolios oft bis zu einem hohem Level pushen, davon seien dann aber auch viele andere Unternehmensbereiche betroffen wie Einkauf, Logistik, Controlling, Fertigung, etc. Die Kosten, die aus der gestiegenen Komplexität entstehen, seien oft sehr hoch. Dies zeigten z.B. Studien aus der Automobilindustrie. Fürst postuliert einige Managementempfehlungen:
“Nicht ‘je mehr, desto besser’ ist optimal. Es gibt irgendwo ein Optimum an Komplexität.”
“Unternehmen und Kunden haben häufig eine unterschiedliche Wahrnehmung von Komplexität.”
Unternehmen sollten prüfen, welche negativen Auswirkungen eine erhöhte Komplexität mit sich bringe und was getan werden könne, um diese einzuschränken. Die obigen Ausführungen würden primär für den B2C-Bereich gelten, im B2B-Bereich seien höhere Komplexitätslevels keine Seltenheit, wobei es auch hier ein Optimum an Komplexität gebe. Komplexitätsanalyse, -reduktion und -beherrschung seien folglich die drei notwendigen Maßnahmen im Produktportfolio-Management. VW sei bei letzterem mit seinem Plattformkonzept und der Modulbauweise ein gutes Beispiel in Bezug auf Standardisierung und Modularisierung.
Nun ergreift Dieter Brandes, ehemaliger Geschäftsführer von ALDI Nord das Wort. Dieter Brandes weist darauf hin, dass er selbst Betriebswirt sei und gelernt habe, Betriebswirtschaft sei eine Erfahrungswissenschaft.
Er zitiert zunächst Prof. Malik, der am Vortag gesagt habe, wir bräuchten eine Transformation, wir bräuchten einen Wechsel und wir hätten keine Zeit. Prof. Malik habe einen “Master of Business Complexity” gefordert. Gleichzeit definiere er Management als die Gestaltung und Lenkung komplexer, sozialer Systeme. Und das könnte man auf fast alle Institutionen übertragen – von der Wirtschaft bis in die Politik.
“Immer geht es darum, komplexe Verhältnisse zu gestalten, zu organisieren (…) zu lenken.”
Die Beratungsgesellschaft Bain habe 2012 über 400 Top-Führungskräften weltweit die Frage gestellt: “Was behindert Euch am meisten in der Entwicklung?”. Die Antwort von über 80% der Befragten sei gewesen: “Unsere interne Komplexität”.
Aldi habe selbst nie das Wort “Einfachheit” in den Mund genommen. Er habe sich dennoch mit dem Thema beschäftigt, so Dieter Brandes. Nürnberg passe wunderbar zu diesem Konzept der Einfachheit. Wilhelm Rieger sei dort der Lehrer Ludwig Erhards und seines Lieblingsprofessors Johannes Vettel gewesen.
“Heute haben wir überall die Master of… – Erhard war nur Dipl.-Kaufmann, ich auch.”
Wilhelm Riegers Schüler, Johannes Vettel, habe zu seinen Studenten gesagt:
“Ihr müsst eins begreifen: E größer A – Ertrag größer Aufwand – Einnahmen größer Ausgaben. Wenn Ihr das mal richtig kapiert habt, dann ist gut.” (J. Vettel)
“Sprecht nicht zu viel über Gesichtspunkte. Gesichtspunkte sind Sommersprossen.” (J. Vettel)
Dieter Brandes gibt nun Beispiele für Komplexität aus dem amerikanischen Gesundheitssystem und spricht auch das Organisationsmodell der Hamburger Elbphilharmonie an, das etwa dem des Projekts des Berliner Flughafen BBI gleiche.
“Wie das funktionieren soll – das weiß ich nicht. Das ist Komplexität.”
Er wundere sich, was es alles gebe in dieser Welt und auch an dieser Universität. Dinge wie “Customer Centricity”, “Customizing”, “Customer Relationship Management” und “Retromarketing”? Früher habe man einfach von Kundenorientierung gesprochen. In einer Marktwirtschaft sei es eigentlich immer schon darum gegangen, sich an den Kunden zu orientieren und zu fragen, was er denn wolle.
Auch die Universität Saarbrücken wolle das Humankapital messen und bilanzieren. “Balanced Scorecard” oder “time-driven activity-based costing” seien weitere Beispiele für komplexe Messungen.
“Super Geschichte. (…) Überlegen Sie mal, ob Sie Prozesskostenrechnung überhaupt brauchen. (…) Sie brauchen keine Prozesskostenrechnung. (…) Um etwas kostengünstiger zu machen, muss ich vorher nicht die Kosten ausrechnen.”
Brandes postuliert, dass selbst ein Unternehmen wie Siemens keine Prozesskostenrechnung brauche. Was man brauche, sei ein Verständnis dafür, wie man Prozesse und Abläufe verbessere, erleichtere, sicherer und auch kostengünstiger mache.
Des Weiteren kritisiert er McKinsey’s Margenempfehlung an den Handel. Die Berater hätten dem Handel empfohlen, ihre Preise an die Preiswahrnehmung der Verbraucher anzupassen. Dort verschenke man viel, wenn der tatsächliche Preis eines Produkts (z.B. 89 Cents) unter dem durch Marktforschung feststellbarem, wahrgenommenen Preis liege (z.B. 99 Cent). Brandes kritisiert diese Methode. Wenn ein Laden 20.000 Artikel habe, solle man dann für 20.000 Artikel diese Umfrage machen? Bei wie vielen Kunden? Bei wie vielen Läden? In welcher Region? Und da sich die Kundenwahrnehmung ja auch verändern könne, solle man das dann jedes Vierteljahr wiederholen?
“Alles, was auf Sie wie Quatsch wirkt, ist wahrscheinlich auch Quatsch.”
Das Wichtigste sei, dass Komplexität sich aus der Anzahl an Elemente und deren Verbindung definiere. Man solle prüfen, ob man Elemente entfernen oder Verbindungen streichen könne. Er gibt weitere Beispiele, wie den “Tarifdschungel” der Deutschen Bahn, das Gesundheitssystem, Abteilungen in Unternehmen, EU-Normen, hoher Variantenreichtum in der Automobilindustrie, Produktvielfalt im Lebensmittelhandel, Fluglinienangebote wie Premium Economy, etc.
“Warum Einfachheit? (…) Das entscheidende ist, dass die Dinge funktionieren.”
Prof. Malik habe in Linie damit gesagt, Management sei der Beruf von der Funktionsfähigkeit und Effizienz.
“Prozesse stinken am Anfang. Mein Vorhaben stinkt am Anfang.”
In Nürnberg sei der Fahrkartenautomat als zu kompliziert kritisiert worden. Auch bei der Deutschen Bahn habe man versucht, mehr Menschen zum Ticketkauf am Automaten statt am Schalter zu bewegen und habe dabei die ganze tarifliche Komplexität im Automaten abgebildet. Dadurch habe man die totale Komplexität im Automaten. Dieter Brandes fragt:
“Wie wäre ein Automat, der einfach nur ein Ticket von A nach B anbietet? Würde man so dem Ziel, mehr Kunden von der Automatennutzung zu überzeugen, statt zum Schalter zu gehen, nicht näher kommen?”
Die Lösung sei es, Komplexität zu vermeiden, mit Klarheit und Verzicht, die Komplexität reduzieren wie unilever und zum Dritten die Komplexität zu beherrschen, z.B. durch Dezentralisation, Autonomie, Verantwortung und die Methode von Versuch und Irrtum, das Ausprobieren.
“Man muss nicht alles marktforschen, man kann es ausprobieren.”
Albert Einstein habe einmal gesagt:
“Wenn ich in 60 Minuten die Welt retten sollte, dann würde ich mich 59 Minuten dafür interessieren, das Thema zu verstehen – die Probleme, und es in 1 Minute lösen.” (Albert Einstein)
Brandes berichtet von Toyota‘s Technik des “5x-Warum-Fragens”. Diese Fragekette, die Kinder oft nutzten, helfe. Richtig sei es, das zu tun, was notwendig und sinnvoll sei. Falsch sei es, all das zu tun, was möglich ist. “Nice to have”. Gerade auch im IT-Bereich habe man oft das Problem, sich nicht auf das notwendig Sinnvolle zu beschränken. Dabei kritisiert er u.a. SAP: “zu viel IT verlangsame die Prozesse erheblich”, sei also nice to have.
“Die IT ist eine der größten Fallen des ‘Nice-to-Have’. (…) Denn mit der IT kann man alles machen.”
Vollkommenheit würde, laut Antoine de Saint-Exupéry, nicht dann entstehen, wenn man nichts mehr hinzufügen könne, sondern dann, wenn man nichts mehr wegnehmen könne.
“Less isn’t more – just enough is more.”
Sinn, klare Ziele, ein beschränktes Sortiment des täglichen Bedarfs, niedrigster Preis, das hieße niedrigste Kosten und höchste Produktivität. Das würde jeder Kraftfahrer, jede Verkäuferin verstehen. Man brauche auch keine Controlling-Abteilung. Controlling ja. Jeder verantwortungsvolle Manager müsse sein Controlling beherrschen. Marketingabteilung? Marketing sei Chefsache. Man brauche keine Marketingabteilung. Budgets? Man brauche keine Budgets. Die Svenska Handelsbanken sei eine sehr erfolgreiche Bank – sie mache seit Jahren keine Budgets.
“Boni?! Weg mit Boni – bezahlen Sie die Leute anständig.
Dieter Brandes spricht vom “Kernsatz der Einfachheit”. In einem Artikel des manager Magazins habe er eine interessante Umdeutung gefunden: statt CIO als “Chief Information Officer” rede man hier vom “Chief Ignorance Officer”. Auch Peter Drucker habe festgestellt, dass die Manager heute wegen der Computer schlechter informiert seien als früher. Sie sähen nur den Bildschirm, aber nicht was draußen los ist.
“Seien Sie ganz vorsichtig mit Big Data.”
“Wer viel misst, misst Mist.” (Ingenieursweisheit)
Er kenne keine positiven Beispiele für Big Data, so Brandes. Wichtiger seien die Fragen wie: “Passt der Artikel ins Sortiment?” Oder: “Ist es ein Artikel des täglichen Bedarfs?” Das sei das Geschäftsmodell. Wir bräuchten “mehr Mut zur Lücke” und “eine Leitkultur der Verantwortung”.
“Komplexität reduzieren und beherrschen.”
“Megatrends und deren Bedeutung für das globale Wachstum von LEONI”
Dr. Ing. Klaus Probst, Vorsitzender des Vorstands der LEONI AG, stellt sein Unternehmen eingangs als den “größten Kabelhersteller der Welt” vor, in “Europa, USA, wie Asien”. Man habe sich strategisch auf global balance ausgerichtet, um nachhaltig am Markt zu bestehen.
“(…) 3 Kilometer Kabel in Mittelklassewagen (…)”
“Komplexität muss beherrschbar gemacht werden.”
LEONI analysiere Megatrends als Grundlage für die eigene Strategie. Man müsse sehen, in welchen Feldern Engagement machbar und beherrschbar sei. Man könne nicht jedes Feld abdecken. Die Zielsituation müsse auf dem Weg zur Zielerreichung oft angepasst werden. Sich in der regionalen Präsenz schnell Kundenwünschen anzupassen, sei ein Schlüssel, gerade im Ausland, in fremden Sprachen und Kulturen. Man setze auf regionale Präsenzen in China, Indien und Paraguay.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Dr. Klaus Probst im Rahmen des Symposiums geführt haben:
“Aktuelle Herausforderungen am Arbeitsmarkt”
Dr. h.c. Frank-J. Weise, Vorsitzender des Vorstandes der Bundesagentur für Arbeit, berichtet zunächst, man habe die Bundesagentur für Arbeit in den letzten Jahren unternehmerischer aufgestellt und bewerte ihre Arbeit auch so. Er präsentiert einen geografischen Überblick über Arbeitslosenniveaus in den verschiedenen Bundesländern. Auffällig sei, dass die neuen Bundesländer und bestimmte Ballungsgebiete wie Berlin nach wie vor schlechter dastünden als Bundesländer wie Bayern oder Baden Württemberg. Die Erkenntnis:
“Beschäftigung schafft Beschäftigung.”
In Summe sei das Arbeitsvolumen in Deutschland gestiegen. Man arbeite derzeit an einem europäischen Jobverzeichnis. Ein Problem dabei sei u.a. fehlende einheitliche Berufsbezeichnungen in der Europäischen Union. Übergänge im demographischen Wandel seien insbesondere bei starken Veränderungen in der Bevölkerungszahl eine Herausforderung.
Mittagspause / Nachmittag
“Zielgerichtetes Unternehmenswachstum – und warum Innovationsmanagement hierfür bedeutend ist”
Oliver Vollrath, Partner bei der VEND consulting GmbH, beginnt mit einer kurzen Vorstellung seines Unternehmens. Es handle sich um ein Spin-Off, eine direkte Ausgründung aus der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2009 habe man den Gründerpreis in Mittelfranken gewonnen.
“Es gibt viele Definitionen von Wachstum.”
In der Überleitung zum Thema, beschreibt Vollrath die Grundlage von Unternehmenswachstum als Wachstum über langfristige Konzepte, Organisation, Innovationsmanagement und Technologie, sowie Kundenmanagement. Im Allgemeinen verstehe man unter unternehmerischem Wachstum meist die Steigerung des Umsatzes.
“Warum muss man wachsen?”
Es gebe zum einen “Wachstumszwänge”, wie z.B. die Weiterentwicklung des Shareholder Value, die Erwartung, im Rahmen der Globalisierung in Auslandsmärkten präsent zu sein, sich weiterentwickelnde Märkte, sinkende Margen oder die Notwendigkeit, den Mitarbeitern neue Perspektiven zu bieten. Wichtige Wachstumsfaktoren seien beispielsweise eine zunehmende Konkurrenz durch neue Marktteilnehmer, neue Branchentrends oder sich abzeichnende oder bereits vorherrschende Megatrends. Man müsse stetig analysieren, wie der Markt gestern aussah, wie heute und wie der Markt der Zukunft aussehen könne.
Oliver Vollrath skizziert anschließend Arten des Wachstums. So könne man sowohl auf gleicher Ebene wachsen, indem man z.B. einen Mitbewerber übernehme. Man könne vertikal wachsen, indem man eigene Produkte zu komplexeren oder höherwertigen mache, oder man könne wachsen, indem man bestehende Märkte weiter ausbaue oder auf weitere Produktfelder expandiere. Ein wichtiger Punkt sei hier stets die Risikoabwägung. Die Expansion in unbekannte Märkte sei riskanter, bzw. schwer abzuwägen. In einem gesättigten Markt werde man sich dagegen immer schwer tun.
Von zentraler strategischer Bedeutung seien natürlich immer die Fragen: Qualitätsstrategie oder Quantität? Wo macht ein Einstieg Sinn? Wie steht es um die Marktattraktivität, um das regionale Potential? Welche Wachstumsfelder und Wachstumsszenarien gibt es? Was ist Worst Case, was Best Case? Welche Erwartungen sind realistisch?
“Innovationsmanagement ist ein systematischer und ganzheitlicher Ansatz.”
Oliver Vollrath stellt zwei Strategien gegenüber: zum einen die “Push-Strategie”, bei der ein Technologieführer ein neues Produkt in den Markt drücke. Dies sei aufgrund hoher Marktunsicherheit eine riskante Strategie. Als erfolgreiches Beispiel führt Vollrath hier die Marke Apple ins Feld. Dem gegenüber stehe die “Pull-Strategie”, das “Ohr am Markt”. Aus den Kundenbedürfnissen werden hier Innovationspotentiale abgeleitet. Die Marktunsicherheit sei hier daher vergleichsweise niedrig.
“Megatrends sind langfristige, nachhaltige Entwicklungen mit maßgeblichem Einfluss auf die Gesellschaft.”
Beim Innovationsmanagement müsse man sich die Fragen stellen: Welche Trends gibt es? Ist er Chance oder Risiko, wenn ich ihn beachte oder ignoriere? Dann müsse man Trends bewerten. Ist er relevant, rentabel und attraktiv? Passt er zu meinen Produkten? Ist er nachhaltig? Im dritten Schritt folgt die Umsetzung des Trends. Man müsse Ideen generieren, lead user und Communities befragen, ggf. Crowd Sourcing und Umsetzungsworkshops etablieren, sowie Scorecards für Erfolgspotential und Umsetzungsaufwand einsetzen.
“Innovationsmanagement hat entscheidenden Einfluss darauf, ob ein Unternehmen wachsen kann.”
Ein strukturierter Prozess sorge für Risikominderung. Für ein stetiges Wachstum sei die Organisation kontinuierlich anzupassen. Nur mit klar formulierter Innovationsstrategie und fest definierten Suchfeldern lasse sich zielgerichtet innovieren.
“Crowd Sourcing ist eher eine Sache großer Unternehmen mit starkem B2C-Bereich.”
Es sei wichtig, so Oliver Vollrath, sich auch mit Bedenkenträgern und Skeptikern inner- und außerhalb des eigenen Unternehmens offen auseinanderzusetzen und mit greifbaren Argumenten zu überzeugen. Vielleicht haben ja auch jene Bedenkenträger Berechtigung und seien zu berücksichtigen in der Bewertung von Innovationsideen und -zielen.
“Wirtschaftswunder 3.0 – die Rolle der ITK”
Als letzter Keynote des 1. Ludwig Erhard Symposiums tritt Prof. Dieter Kempf, Präsident des BITKOM e.V. und Vorstandsvorsitzender der DATEV eG vor Studenten und Fachpublikum. Prof. Kempf ist zudem seit 2005 Honorarprofessor für Betriebswirtschaftslehre an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
“Ein Wirtschaftswunder 3.0 wird mit einem Wohlfahrtsversprechen nichts werden – wohl aber mit einem Wohlstandsversprechen.”
… lautet ein zentrales Eingangsstatement von Prof. Kempf, ehe er zügig überleitet zum Thema Informationstechnologie.
“Ist SAP ein deutsches ITK-Unternehmen, bloß weil die Mehrzahl der Beschäftigten in Deutschland ist?”
… lautet die provokante Frage. “Warum immer trennen in deutsche und amerikanische Unternehmen?”, fährt er fort. Telekommunikationsdienste wüchsen enorm und stellten mit 49% das größte Teilsegment des deutschen ITK-Marktes. IT sei nicht in amerikanischer Hand. Der größte Börsengang sei ein Chinese gewesen, so Prof. Kempf mit Verweis auf die Alibaba Group. Ebay, Amazon und PayPal – Alibaba sei das alles zusammen. Ein Riese, der sich in den letzten Jahren “angeschlichen” habe. China führe das Wachstum an. Aber auch in Deutschland gebe es über 300.000 Beschäftigte in Informations- und Telekommunikationsunternehmen.
“Informationstechnologie ist mehr als Soziale Netzwerke und Suchmaschinen.”
Er wolle keine vierjährigen Informatiker, aber es gebe viel zu wenig IT-nahen Unterricht in Primär- und Sekundarstufen der Schulen in Deutschland, mahnt Dieter Kempf eindringlich. Das HPI (Hasso Plattner Institut) biete unter dem Namen “Open HPI” offene, kostenlose Onlinekurse zu IT-Themen an.
Deutschland müsse in intelligente Netze für Energie, Verkehr, Gesundheit, Bildung und Behörden investieren, um zukunftsfähig zu bleiben. “Smart Grids”, die intelligente Steuerung von Stromerzeugung und Stromversorgung, spare Energie und senke Netzbaukosten (“Wo muss der Strom wann sein?”). Weiter führt er die das Beispiel “Connected Car” an, die Kommunikation von Autos untereinander oder mit ihrer Umwelt und verweist auf die Verknüpfung von Körper und Netz, die immer weiter voranschreite. Tragbare Elektronik sei auf dem Vormarsch:
“Mit ‘Wearables’ werden wir immer mehr zu Self-Trackern.”
“Der Grundsatz der Datensparsamkeit ist heute überholt.”
Heutige Technologien erforderten Nutzerdaten, um betrieben werden zu können. Das heiße im Umkehrschluss jedoch keinesfalls, dass die Privatsphäre tot sei. Datenschutz und Datensicherheit sei natürlich ein relevanter Faktor auf dem Weg von der analogen in die digitale Wissensgesellschaft. Die Datennutzung müsse mit Datenschutz und Datensicherheit einhergehen. Die Basis für intelligente Netze seien Breitbandnetze, sowie ein steigendes und verändertes Bewusstsein für Datenschutz und IT-Sicherheit.
“In Zukunft wird man nur noch 100 Professoren brauchen.”
Die besten würden dann weltweit disloziert anhand mobiler Technologien wahrgenommen, die anderen schließlich nicht mehr gebraucht, überspitzt Prof. Kempf bewusst provokativ eine gar nicht allzu fern erscheinende Zukunftsvision. Disruptive technologische Innovationen seien gefährlich bahnbrechend und daher wichtige Entwicklungstreiber. Sie bedeuteten in der Regel: “The winner takes it all.” Als Beispiele nennt er Schreibmaschine versus PC, Elektromotor versus Verbrennungsmotor und Taxi versus “Uber”.
“Wenn wir selbst unsere Cash Cows nicht schlachten, dann tun es andere.”
Die Studentinnen und Studenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die den Kongress maßgeblich organisiert und umgesetzt haben, erhalten zum Ende der Veranstaltung hochverdienten Beifall.
Das studentische Organisationsteam des Ludwig Erhard Symposium 2014
Das nächste Ludwig Erhard Symposium findet am 5. und 6. November 2015 in Nürnberg statt.
Undokumentierte Veranstaltungen
Folgende Vorträge des 2. Tages waren dem Conplore-Team aufgrund der Parallelität mehrerer Veranstaltungen zu besuchen leider nicht möglich, seien der Vollständigkeit halber aber an dieser Stelle benannt:
- Forum II – Personalmanagement im industriellen Wandel
Jürgen Schlerf, Leiter Human Resources Nürnberg, MAN Truck & Bus AG.
Prof. Dr. Werner Widuckel, Inhaber der AUDI-Lehrprofessur für Personalmanagement und ehemaliger Personalvorstand, AUDI AG.
Moderation: Prof. Dr. Lutz Bellmann, Lehrstuhlinhaber für VWL, insbes. Arbeitsökonomie.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Prof. Werner Widuckel im Rahmen des Symposiums geführt haben >>.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Prof. Bellmann im Rahmen des Symposiums geführt haben >>. - Forum V – Open Space: Verschränkung von Unternehmensentwicklung und Personalentwicklung
Christian Kaiser, Projektleiter Produkt- und Entwicklungsbereich, DATEV eG, zuvor Leiter der Abteilung Personalstrategie und -politik. Lehrbeauftragter u.a. an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Pädagogischen Hochschule in Vorarlberg/Österreich im Bereich Personalentwicklung.
Prof. Dr. Karl Wilbers, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung der FAU Erlangen-Nürnberg. - Vom CIM-Ansatz über Best Practice Verfahren zur Industrie 4.0
André Hüsgen, Inhaber & Geschäftsführer, NORIS-IB.
Marke als Anker im Wandel – durch konsequente Markenführung Unternehmen für die Zukunft ausrichten
Klaus-Dieter Koch, Gründer & Managing Partner, Brand Trust GmbH.
Lesen Sie auch das Interview, das wir mit Herrn Koch im Rahmen des Symposiums geführt haben. - Global Talent Competitiveness Index (GTCI) – eine Analyse der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Hinblick auf Entwicklung und Bindung von Talenten
Wolf-Dietrich Birk, Niederlassungsleiter Nürnberg, DIS AG.